Mailand-San Remo FrauenLiane Lippert freut sich auf die Premiere und Spannung im Finale

Andreas Kublik

 · 22.03.2025

Mailand-San Remo Frauen: Liane Lippert freut sich auf die Premiere und Spannung im FinaleFoto: Dario Belingheri/Getty Images
Gefragter Typ: Liane Lippert aus Friedrichshafen
Sie ist aktuell die beste Spezialistin für Eintagesrennen unter Deutschlands Radsportlerinnen: Liane Lippert. Mailand-San Remo ist ihr erstes Highlight in einer Saison, in der sie viele große Ziele hat.

Liane Lippert ist mittlerweile eine erfahrene Rennfahrerin im Peloton der Frauen. Die 27-Jährige aus Friedrichshafen hat schon viel gesehen und erlebt – Stürze und Erfolge, Siege und knapp verpasste große Erfolge. Nun ist sie erstmals als Radprofi über Cipressa und Poggio gefahren – die Schlüsselstellen des Radrennens Mailand-San Remo. Zwei Tage vor dem Rennen der Frauen, das am 22. März 2025 nach 20 Jahren Pause erstmals wieder vom Veranstalter RCS ins Programm genommen wurde. Und die Rennfahrerin vom Team Movistar ist bei der Premiere oder dem Comeback des Rennens dabei – je nach Sichtweise - als Kapitänin ihres Rennstalls Movistar dabei. Mit viel Vorfreude.

Ähnlicher Rennverlauf wie bei den Männern?

“Es ist schon etwas Besonderes. Man kennt das Rennen von den Männern. Es ist einfach wunderschön zum Zuschauen, sehr spannend mit diesem Finale”, sagt sie am Tag vor dem Rennen zu TOUR. Anders als bei den Männern ist die offiziell erste Auflage bei den Frauen (die Zählweise des Veranstalters RCS, der einen Frauenwettbewerb unter dem Namen Primavera Rosa bereits von 1999 bis 2005 durchführte) nicht das längste Rennen im Rennkalender. Es ist mit 156 Kilometern etwas mehr als halb so lang wie bei den Männern. Die Frauen starten fast zeitgleich mit den Männern – nur nicht in Pavia in der Po-Ebene südlich von Mailand, sondern in der Hafenstadt Genua. Die Fahrt über den Apennin via den Turchino-Pass bleibt ihnen erspart. Nach 22 Kilometern münden sie ein auf die Männerstrecke – ab da ist die Route identisch. Identische Finalroute, aber auch ein vergleichbares Rennen? “Ich bin sehr gespannt, wie das bei den Frauen umgesetzt wird: ob es einen anderer Rennverlauf geben wird als bei den Männern – oder doch ähnlich”, sagt sie.

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Entscheidende Attacken am Poggio, Sprint eines kleinen Feldes auf der Via Roma? Lippert kennt die TV-Bilder, das Finale bei den Männern hat sie sich oft angesehen, auch um sich selbst auf ihr Debüt vorzubereiten. Anders als bei den Männern könnte die deutliche kürzere Distanz bessere Chancen für eine frühe Ausreißergruppe bieten. Aber Lippert meint, alle Teams im Peloton seien in dieser Hinsicht aktuell sehr wachsam. Es ist eine Lehre aus dem belgischen Eintagesrennen “Het Nieuwsblad” vor wenigen Wochen, als sich völlig überraschend die kaum bekannte Belgierin Lotte Claes aus einer Gruppe heraus durchsetzte, die sich schon bald nach dem Start gebildet hatte.

Taktik für Frauenversteher

Schnell: Lippert (links) versteht es abzufahren - eine Qualität, die im Finale von Mailand-San Remo hilfreich istFoto: : Szymon Gruchalski / Getty ImagesSchnell: Lippert (links) versteht es abzufahren - eine Qualität, die im Finale von Mailand-San Remo hilfreich ist

Die Spitze im Frauenradsport ist mittlerweile sehr stark, in der Breite des Pelotons steckt noch Potenzial. Weshalb das Feld schon am Capo Berta, einem der drei Capi, den relativ kurzen Anstiegen an der Küstenstraße Via Aurelia auseinanderreißen könnte – also schon vor der Cipressa. Dort, dem längsten Berg im Finale, könnte Entscheidendes passieren: “Wenn es die Weltbesten am Berg wirklich drauf ankommen lassen, könnte sich eine kleine Gruppe absetzen”, vermutet Lippert. Immerhin gehen die letzten beiden Siegerinnen der Tour de France, die Niederländerin Demi Vollering (Team FDJ-SUEZ) und die Polin Kasia Niewiadoma (Canyon-SRAM) an den Start – und auch die belgische Topfavoritin und Weltmeisterin Lotte Kopecky (SD Worx-Protime) muss keine langen Berge fürchten. “Es ist halt die Frage. ob weitergefahren wird oder ob doch die Sprinter wieder zurückkommen. Das gibt es beim Frauenradsport einfach oft, dass man sich vorne uneinig ist”, erläutert die erfahrene Radsport-Frauenversteherin Lippert.

Lippert gilt als die beste Klassikerspezialistin in Deutschland. Zweite beim Flèche Wallonne war sie schon. Wie steht es um ihre eigenen Chancen für ein gutes Ergebnis auf der Via Roma in San Remo? “Eigentlich ist die Form wirklich gut. An sich ist es ein gutes Rennen für mich”, schätzt sie und ergänzt: “Die Berge sind schon ein bisschen länger. Mal gucken, ob ich mit den Besten mitfahren kann oder ob ich ein bisschen in der Abfahrt investieren muss, um wieder aufzuschließen.” In der Hinterhand hat ihr Rennstall eine zweite Trumpfkarte: die erst 18-jährige Junioren-Weltmeisterin Cat Ferguson. “Sie hat schon gezeigt, dass sie eine der weltbesten Sprinterinnen ist”, betont Lippert.

Fokus auf die Ardennenklassiker

Vor zwei Jahren gewann Lippert, damals im Trikot der Deutschen Meisterin, eine Etappe der Tour de France - vor Lotte Kopecky (im Gelben Trikot)Foto: Alex Broadway / Getty ImagesVor zwei Jahren gewann Lippert, damals im Trikot der Deutschen Meisterin, eine Etappe der Tour de France - vor Lotte Kopecky (im Gelben Trikot)

Sollte die Premiere des neuen italienischen Frauenrennens nicht erfolgreich laufen, hat Lippert dieses Jahr noch reichlich Gelegenheiten zur Wiedergutmachung. 53 Renntage sind 2025 geplant. So viele Einsätze hatte die Friedrichshafenerin bisher nur einmal in ihrer Karriere, im Jahr 2023. Viele Rennen, nicht alle will sie mit dem gleichen Ehrgeiz bestreiten. “Der Fokus liegt auf jeden Fall darauf, bei den Ardennenklassikern in Form zu sein”, erläutert sie. Ende April finden diese binnen einer Woche statt: Amstel Gold Race, Flèche Wallonne und dann Lüttich-Bastogne-Lüttich. Im Mai folgt die Vuelta in Spanien gleichsam als Wiedereinstieg. Es folgen Starts beim Giro d’Italia und der Tour de France Femmes. Bei beiden Etappenrennen hat sie bereits Tagessiege gefeiert - auch in diesem Jahr will sie dort auf Etappenjagd gehen.

Ruanda oder Schweiz? Hauptsache WM

Und Ende September wartet noch die Straßen-WM als finaler Höhepunkt. Da würde sie gerne um die Medaillen mitmischen. Schließlich zählt sie zu den weltbesten Radprofis - der ganz große Erfolg fehlt ihr indes noch. “Ich kann jetzt nicht sagen, wieso ich noch nicht Weltmeisterin geworden bin”, sagt sie, “eigentlich war ich zweimal nah dran.” 2022 in Australien und im Vorjahr in Zürich hatte sie eine Medaille schon vor Augen, beide Mal erreichte sie als Vierte das Ziel. Superschwer ist die geplante Strecke bei den geplanten Welt-Titelkämpfen in Ruanda, dazu liegt der Austragungsort in dünner Höhenluft. Aktuell ist die erste Austragung einer Straßen-WM in Afrika umstritten, weil jenseits der nahen Grenze im Nachbarland Kongo ein Bürgerkrieg tobt und kritische Stimmen Absage oder Verlegung fordern. “Wenn alles sicher ist, dann ist es für mich kein Problem”, sagt Lippert, die aber betont, die politische Situation könne sie nicht einschätzen. Von einem Ersatz-Termin in der Schweiz war schon zu hören. Auch damit hätte sie kein Problem - im Gegenteil. “Das wäre für mich natürlich noch besser. Ich könnte mir die Strecke super angucken. Die Reise wäre einfacher, wir müssten uns nicht impfen lassen”, betont sie.

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