Interview Mailand-San Remo FrauenTrixi Worrack: “Es war ein Versehen, dass ich gewonnen habe”

Andreas Kublik

 · 19.03.2025

Interview Mailand-San Remo Frauen: Trixi Worrack: “Es war ein Versehen, dass ich gewonnen habe”Foto: Getty Images/Justin Setterfield
Trixi Worrack in ihrer letzten Profi-Saison 2021
Vor genau 20 Jahren war Trixi Worrack die letzte Frau die ein Radrennen bei Mailand-San Remo gewinnen konnte – am 19. März 2005. Mit TOUR spricht die 43-Jährige aus Erfurt über Ihre Erinnerung an den Renntag und was sie über das Comeback des Rennens denkt.

Zur Person Trixi Worrack

  • Geburtsdaten: 28. September 1981 in Cottbus
  • Wohnort: Erfurt
  • Größe: 1,59 Meter; Gewicht: 50 kg
  • Profi von 2004 bis 2021
  • Wichtige Erfolge: Zweite Flandern-Rundfahrt, Tour de l’Aude 2004, Primavera Rosa 2005, WM-Zweite Straße 2006, Tour of California 2015, Katar-Rundfahrt 2016
  • Heute arbeitet sie als Radsporttrainerin am Olympiastützpunkt Erfurt und betreut das Juniorinnen-Team Vermarc

TOUR: Trixi, wenn man in die Geschichtsbücher des Radsports blickt, findet man Sie als letzte Siegerin des Frauen-Rennens bei Mailand-San Remo im Jahr 2005. Es hieß damals Primavera Rosa. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Renntag?

Trixi Worrack: Es war echt ein cooles Rennen. Es war halt Mailand-San Remo! Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir nur anderthalb oder zwei Stunden vor den Männern auf der gleichen Strecke, den gleichen Schluss gefahren sind. Da war schon die Hölle los bei den Zuschauern.

TOUR: Es ging im Finale wie bei den Männern über die Anstiege Cipressa und Poggio. Am Ende haben Sie mit einer Sekunde Vorsprung vor dem Feld gewonnen – wie lief das Rennen aus Ihrer Sicht?

Trixi Worrack: Also, es war wirklich aus Versehen, dass ich das Rennen gewonnen habe.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

TOUR: Aus Versehen?

Trixi Worrack: Es war waren ungefähr noch 20 Mädels am Schluss übrig. Ich war die letzte Anfahrerin für unsere Sprinterin bei der Equipe Nürnberger, Regina Schleicher. Es ging so 350 Meter vor dem Ziel noch mal um eine Kurve. Sie hat aber wahrscheinlich in der letzten Kurve mein Hinterrad verloren, es war vielleicht ein Loch von zehn Metern. Aber das fährt man als Sprinter nicht zu, weil man danach ohnehin nicht mehr sprinten kann. Und dann hat sie im Radio (im Teamfunk; Anm. d. Red.) nur durchgesagt: Ich soll weiterfahren! Na ja, und dann bin ich die letzten 300 Meter einfach voll weitergefahren.



TOUR: Und retteten einen knappen Vorsprung ins Ziel. Es gilt als Ihr hochwertigster Sieg in Ihrer langen Karriere, die Sie erst vor gut drei Jahren beendet haben. Wie bewerten Sie selbst Ergebnis und Erlebnis?

Trixi Worrack: Es war schon ein cooles Rennen. Damals gab es noch nicht so viele Rennen, die wir Frauen genauso wie die Männer hatten. Das waren damals Flandern-Rundfahrt (seit 2004), Flèche Wallonne (seit 1998) und eben Mailand-San Remo (seit 1999). Es war nicht wie heute, wo auch die Frauen wirklich fast alle Klassiker-Rennen haben, die die Männer haben. Es war schon ne große Nummer!

Erfolgreich: Ein Jahr nach dem Erfolg in San Remo gewann Trixi Worrack (links) WM-Silber in Salzburg - hinter Marianne Vos (Mitte), vor Nicole CookeFoto: Getty Images/Tim de WaeleErfolgreich: Ein Jahr nach dem Erfolg in San Remo gewann Trixi Worrack (links) WM-Silber in Salzburg - hinter Marianne Vos (Mitte), vor Nicole Cooke

TOUR: Die Freude über die neue Gemeinsamkeit mit den Männern währte damals nur kurz. Sie wären sicher gerne 2006 zur Titelverteidigung zurückgekehrt…

Trixi Worrack: Ja, das war dann schon traurig und schade, als wir relativ kurzfristig Anfang des Jahres erfuhren, dass man mit dem Frauenrennen dort nicht weitermacht. Es gab wieder nur Flèche Wallonne und Flandern für uns. Man muss dazusagen, dass sich die Fans damals nur über die Männer mit den Frauen identifiziert hatten. Uns sah man nicht im Fernsehen. Wir hatten andere Rennen, die aber keiner kennt.

Trixi Worrack bei den European Championships in Glasgow 2018Foto: Getty Images/Dan IstiteneTrixi Worrack bei den European Championships in Glasgow 2018

TOUR: Was bedeutet in Ihren Augen, dass es nun das Comeback von Mailand-San Remo der Frauen gibt?

Trixi Worrack: Klar, für den Frauenradsport ist das natürlich richtig gut. Und auch ich finde es auf jeden Fall richtig gut, dass es das Rennen wieder gibt.

TOUR: Am 22. März 2025 starten die Männer in Pavia fast zeitgleich wie die Frauen in Genua an der Mittelmeerküste. Beide Rennen führen entlang der Küste auf der gleichen Strecke ins Ziel auf der Via Roma in San Remo….

Trixi Worrack: Ja, das ist super. Da sind dann schon viele Zuschauer, die gehen ja da nicht erst eine Stunde, bevor die Männer ins Ziel kommen, hin. Das passt dann schon gut, finde ich.

Blick nach vorn: Trixi Worrack macht auch nach der Profikarriere als Trainerin weiterFoto: Getty Images/Bas CzerwinskiBlick nach vorn: Trixi Worrack macht auch nach der Profikarriere als Trainerin weiter

TOUR: Sie sind bis Ende 2021 als Radprofi gefahren. Jetzt trainieren Sie junge Radsportlerinnen am Olympia-Stützpunkt in Erfurt. Wie hat sich der Frauenradsport in den letzten zwei Jahrzehnten verändert?

Trixi Worrack: Es ist natürlich alles viel professioneller geworden. Ich bin nach meinen U23-Jahren zur Equipe Nürnberger gegangen. Dort waren sie damals schon richtig gut aufgestellt. Ich glaube, keine von uns hat nebenher gearbeitet. Das war damals aber eines der wenigen Teams, es gab wirklich nur zwei oder drei, bei denen die Rennfahrerinnen nur Rad fahren konnten. Das hat sich auf jeden Fall geändert. Aber auch der Sprung für die jungen Rennfahrerinnen ist größer geworden, den sie machen müssen, um in einem World-Tour-Team heute vom Radsport leben zu können.

TOUR: Der Frauenradsport hat sich also stark verändert. Bei den Männern kennt man die üblichen Szenarien im Finale von Mailand-San Remo. Ihre Prognose: Wie wird das Frauen-Rennen 2025 enden?

Trixi Worrack: Also ich denke schon, es wird auf einen Sprint hinauslaufen von 20 bis 30 Mädels maximal. Das Rennen ist nicht leicht, aber es ist nicht so schwer, dass keine schnellen Leute mit ankommen. So wie ich das in Erinnerung habe, ist der letzte Berg (der Poggio; Red.) nicht zu schwer für eine Rennfahrerin wie Kopecky (Weltmeisterin Lotte Kopecky; Red).

Meistgelesen in der Rubrik Profi - Radsport