Thomas Goldmann
· 19.04.2024
* Evita Muzic, Shirin van Anrooij, Elise Chabbey
** Riejanne Markus, Ashleigh Moolman, Marianne Vos
*** Lotte Kopecky, Pauliena Rooijakkers
**** Kasia Niewiadoma, Demi Vollering
***** Elisa Longo Borghini
* Je mehr Sterne eine Fahrerin erhält, desto stärker ist sie einzuschätzen
Hinweis: Die Startliste ist bei Erscheinen dieses Artikels noch nicht komplett: Es kann noch Änderungen geben
2023 gab es eine haushohe Favoritin für Lüttich-Bastogne-Lüttich: Demi Vollering. Nach ihren Siegen beim Amstel Gold Race und dem Fleche Wallonne vervollständigte die Niederländerin ihr Ardennen-Triple in Lüttich. In diesem Jahr sind die Vorzeichen anders. Das Team SD Worx - Protime ist angreifbar und Vollering nicht in der überragenden Verfassung des Vorjahres. Die Siegerin der Tour de France Femmes 2023 bestätigte zwar zuletzt beim Fleche Wallonne wieder ihren Aufwärtstrend, für den Sieg reichte es aber nicht. Den musste Vollering Kasia Niewiadoma (Canyon//SRAM Racing) überlassen.
Die Polin beendete ihre Durststrecke von rund fünf Jahren ohne Sieg auf der Straße und war die stärkste Fahrerin. Das macht die Gravel-Weltmeisterin aber nicht automatisch zur Top-Favoritin für Lüttich-Bastogne-Lüttich - sie bekommt nur vier TOUR-Sterne. Warum? An der Mur de Huy ist die schiere Kraft über einen längeren Zeitraum entscheidend. Das kann Niewiadoma wie kaum eine andere. Bei Lüttich-Bastogne-Lüttich könnten am Sonntag aber die Sprintfähigkeiten über Sieg und Niederlage entscheiden. Und da ist Niewiadoma nicht die schnellste Fahrerin. Sie kann allerdings auf ein starkes Team bauen, das mit Elise Chabbey (im Vorjahr Fünfte) eine weitere Außenseiterin in ihren Reihen hat. Zudem stehen die beiden Deutschen Ricarda Bauernfeind, die beim Amstel Gold Race lange an der Spitze fuhr, und Antonia Niedermaier im Aufgebot. Siegchancen dürfte aber keine der beiden haben.
Bedeutend endschneller als Niewiadoma ist neben Vollering auch Elisa Longo Borghini (Lidl-Trek). Nach Platz zwei im Vorjahr, als die Italienerin den Zweiersprint in Lüttich gegen Vollering verlor, will es die 32-Jährige in diesem Jahr besser machen. Und sie ist die formstärkste Fahrerin in Kombination mit den Fähigkeiten, die es für Lüttich-Bastogne-Lüttich braucht, unter den Favoritinnen für den Sonntag. Zunächst gewann Longo Borghini die Flandern-Rundfahrt und den Brabantse Pijl, wo sie Vollering abhängte, wurde Fünfte beim Amstel Gold Race und beeindruckte am Mittwoch beim Fleche Wallonne. Der Plan von Lidl-Trek war ursprünglich auf Gaia Realini ausgelegt, für die Longo Borghini viel arbeitete. Da sich Realini aber nicht gut fühlte, fuhr Longo Borghini doch noch auf eigene Kappe und wurde starke Dritte.
Gleichzeitig kann Longo Borghini in Lüttich auf ein bärenstarkes Team zählen, in dem neben Realini auch Amanda Spratt und Shirin van Anrooij auf eigene Karte fahren könnten. Vor allem die 22-jährige Niederländerin van Anrooij glänzte schon in diesem Frühjahr mit Rang drei bei der Flandern-Rundfahrt, als sie Longo Borghini den Weg zum Sieg bereitete, und könnte je nach Rennsituation am Sonntag auch eine tragende Rolle spielen.
Was kann SD Worx - Protime dem Aufgebot von Lidl-Trek entgegensetzen? Das dominierende Team der letzten Saison hat mit Lotte Kopecky noch eine zweite Trumpfkarte, die es am Sonntag spielen kann. Allerdings bekommt die Weltmeisterin von uns nur drei Sterne. Nach ihrem Sieg bei Paris-Roubaix wirkte die Belgierin beim Amstel und beim Fleche etwas müde und nicht mehr so gut in Schuss wie noch vor zwei Wochen. Abschreiben sollte sie aber keiner.
Genau wie Kopecky geben wir auch Pauliena Rooijakkers (Fenix-Deceuninck) drei Sterne. Die 30-jährige Niederländerin zeigte beim Fleche Wallonne eine sehr gute Vorstellung. Wenn sie taktisch etwas cleverer gefahren wäre, wäre wohl mehr drin gewesen als Rang sechs. Womöglich hätte sie sogar Longo Borghini, Vollering und Niewiadoma an der Mur de Huy folgen können, wäre sie nicht etliche Kilometer mit Grace Brown (FDJ-Suez) hinter der Ausreißerinnengruppe vor dem Peloton hergefahren.
Geprägt wurde das Finale am Mittwoch auch von Riejanne Markus (Visma | Lease a Bike). Die 29-jährige Niederländerin attackierte mehrmals und wurde erst am Fuße der Mur de Huy von Vollering wieder gestellt. Und sie kommt mit Lüttich-Bastogne-Lüttich gut klar - Vierte im Vorjahr.
Visma | Lease a Bike hat zudem Marianne Vos am Start. Die Altmeisterin feierte beim Amstel Gold Race am letzten Sonntag ihren 251. Profisieg, der eigentlich schon außer Reichweite schien. Denn Lorena Wiebes hätte gewonnen, hätte sie nicht zu früh gejubelt. Vos nutzte das aus und fing ihre Landsfrau auf der Ziellinie mit einem Tigersprung ab. Nun ist aber Lüttich-Bastogne-Lüttich nochmal eine Spur schwerer, was die Topographie angeht, als das Amstel. Spätestens an der Cote de la Roche-aux-Faucons dürfte Vos im direkten Vergleich mit Longo Borghini, Niewiadoma oder Vollering Probleme bekommen. Wird sich dann aber vorne belauert und das Rennen wird taktisch, könnte mal wieder die Stunde der 36-Jährigen schlagen.
Zwei Jahre älter als Vos ist Ashleigh Moolman (AG Insurance - Soudal Team). Die Auftritte auf der Straße der Südafrikanerin in diesem Jahr sind rar gesät. Erst sieben Renntage stehen in ihrer Bilanz - dazu der Sieg beim Santa Vall - dem Auftakt der Gravel Earth Series. Dass Moolman auch auf der Straße noch Top-Ergebnisse abliefern kann, bewies sie am Mittwoch als Fünfte beim Fleche Wallonne. Dort hielt sie lange mit Vollering, Niewiadoma und Longo Borghini mit. Mit dieser Form hat sie auch am Sonntag Chancen auf eine vordere Platzierung.
Es lohnt sich zum Abschluss noch ein Blick auf das Team FDJ-Suez. Die beste Option der Französinnen dürfte Evita Muzic sein, die beim Fleche Wallonne Vierte wurde. Hinzu kommen Amber Kraak, die in diesem Frühjahr gut in Form ist, und Marta Cavalli, die am Mittwoch als Neunte ebenfalls in die Top 10 fuhr.