Test 2016Radtaschen für den Rennrad-Transport - Transporttaschen fürs Rennrad im Test

Unbekannt

 · 31.08.2016

Test 2016: Radtaschen für den Rennrad-Transport - Transporttaschen fürs Rennrad im TestFoto: Phlipp Schieder
Test 2016: Radtaschen für den Rennrad-Transport

Gepolsterte Radtaschen sind leichter und besser zu verstauen als Radkoffer. Aber reist das Rad in der weichen Hülle auch sicher? Sechs Radtaschen im TOUR-Vergleich – und ein Koffer als Herausforderer.


Wer mit seinem Rad in den Urlaub oder ins Trainingslager fliegt, bei dem reist oft die Sorge mit, dass der wertvollen Fracht etwas passieren könnte. Das Rad ist empfindlich, und das Ladepersonal trägt im stressigen Flughafen-Alltag in der Regel keine Samthandschuhe. Zudem geht es im Flugzeugbauch eng zu, sodass Koffer und Taschen sich neben- und übereinander drängeln und ­­zur zerstörerischen Last werden können; ­ vor ­allem, wenn der Renner zuunterst liegt. Die Erfahrung lehrt: Verpackt im harten Schalenkoffer, kann dem Rad eigentlich nicht viel passieren. Die steife Hülle hält ­ dem Druck auch hoher Koffertürme stand, Schaltwerk, Lenker, Gabel oder Sattelstütze bleiben unversehrt. Auch beim Sturz vom Transportband oder Gepäckwagen auf die Betonpiste schützt der Koffer das Rad wie ein Überrollkäfig den Piloten im Rallye-­Auto. Zwar ist dann oft der Koffer demoliert; wenn der deutlich wertvollere Renner dabei aber heil bleibt, hat er seinen Zweck voll erfüllt.

Die Zweifel daran, ob eine flexible Radtasche diesen Schutz ebenfalls bieten kann, sind ­zunächst mal berechtigt. Schließlich kann die weiche Hülle nachgeben, ein harter Schlag ungebremst zum Renner durchdringen und ihn beschädigen. Das klingt logisch. Da scheint auf den ersten Blick selbst ein handelsüblicher Radkarton, in dem Versand­händler tausendfach wertvolle Räder verschicken, vertrauenswürdiger zu sein – und deutlich billiger obendrein.

Die Testergebnisse dieser Radtaschen finden Sie unten als PDF-Download:

• B & W Bike Guard Curv (Vergleichskoffer im Test)
• B & W bike bag
• BIKND Jetpack
• Evoc Bike Travel Bag Pro
• Scicon Aerocomfort 2.0
• Scott Premium Bike Transport Bag
• Thule RoundTrip Pro (TOUR Testsieger)

B & W Bike Guard Curv (Vergleichskoffer im Test)
Foto: Matthias Borchers

Knautschzonen

Letztlich geht es aber darum, wie gut die ­äußere Hülle schützt, damit von der zerstörerischen Aufprallenergie beim sensiblen Transportgut, dem Rennrad, möglichst wenig bis idealerweise nichts mehr ankommt. Beim harten Koffer verbiegt sich in der Regel die harte Schale so lange elastisch, bis die Last zu groß wird und sie bricht. Eine flexible ­Tasche kann nicht brechen, fängt aber auch keine so hohe Aufprallenergie ab wie ein Koffer. Resultat: Die vermeintlich günstige ­Tasche bleibt heil, und der teure Renner ist Schrott. Um dies zu vermeiden, statten die Hersteller ihre Taschen an den empfindlichen Trefferzonen mit herausnehmbaren Streben oder faltbaren Seitenwänden aus, um die ­flexible Außenhülle zu versteifen. Und das funktioniert. Unsere Test-Erkenntnis: Im Idealfall schützt eine so ausgestattete Tasche den ­Renner ebenso gut wie ein Koffer – mit dem Vorteil, dass sich die Tasche ohne Verstrebungen klein verstauen lässt, wenn man sie nicht braucht.

Maßkontrolle

Grundsätzlich zu beachten ist, dass moderne Aero-­Renner mit integrierten Sattelstützen und Vorbau-/Lenker-Einheiten ab einer bestimmten Größe ziemlich widerspenstige Reisebegleiter sein können, die in viele Transporthüllen – gleich ob Koffer oder ­Tasche – nicht mehr hineinpassen, weil sich Sattel­stützen und/oder Lenker nicht oder nur mit erheblichem Aufwand demontieren lassen. Der Hinweis auf die maximal verpackbare Rahmengröße 65 Zentimeter hilft da auch nur ­bedingt weiter. Doch Hersteller wie B&W oder Scicon bieten für solche Fälle auch ­spezielle Taschen und Koffer an, die jedoch wesentlich größer und schwerer sind.

  Zeitersparnis:  Für die Scicon-Tasche muss der Lenker nicht demontiert werden.Foto: Matthias Borchers
Zeitersparnis: Für die Scicon-Tasche muss der Lenker nicht demontiert werden.

Abgesehen von der Schutzfunktion will man das Rad schnell und einfach in Tasche oder Koffer verstauen, und das ganze Paket soll leicht zu rangieren und zu transportieren sein. Laufradhüllen und fixierbare Taschen für Kleinteile wie Pedale, Schnellspanner oder Schaltwerk sollten deshalb zur Serienausstattung einer Radtasche zählen – ebenso wie feste Schaumstoff-Polster als Unterlage für Rahmen, Gabel oder Hinterbau und ­Abstandshalter für die Ausfallenden. Klettriemen und Gurte zurren den Renner fest, damit er im Behältnis nicht verrutschen kann. Leicht und leise laufende Rollen, von denen zwei fest und zwei lenkbar montiert sein sollten, beschleunigen die Laufwege im Flughafen oder in großen Hotelanlagen. Und mit ein paar Trageschlaufen oder -griffen lässt sich das Trumm besser aufs Gepäckband oder ins Auto hieven.

Für unseren Vergleich haben wir die aktuellen Top-Taschen von B&W, Biknd, Evoc, ­Scicon, Scott und Thule eingeladen. Bewertet haben wir Schutz, Stauraum, Handhabung, Ausstattung sowie Verarbeitung und Service. Als Radkoffer-Referenz dient der Bike Guard Curv von Marktführer B&W. Die günstigste Tasche von B&W kostet 269 Euro, Scicon und Thule je rund 600 Euro – also mehr als doppelt so viel. Für den ­Koffer muss man sogar satte
800 Euro hinblättern.

  Die Tasche von Biknd lässt sich leicht von beiden Seiten beladen.Foto: Matthias Borchers
Die Tasche von Biknd lässt sich leicht von beiden Seiten beladen.

Die deutsche Marke Evoc kann man als einen Pionier unter den Taschen-Herstellern bezeichnen. Die Münchner haben ihr Konzept über Jahre ­verfeinert und bündeln ihr Know-how in der Bike Travel Bag Pro. Das ­serienmäßige Gabel-Polster, der Bock fürs Tretlager oder leichte Fiberglas-Streben in den integrierten Laufrad-­Fächern sind innovative ­Details, welche die Konkurrenz mittlerweile kopiert. B&W und Thule geben dem Rad in ihren Taschen serienmäßig einen festen, sicheren Stand durch heraus­nehm­bare, an den Radstand anpassbare Montage-Rahmen, in die das Rad mit Schnellspannern montiert wird. Das ist bei Evoc optionales Zubehör.

  Bei Evoc wird die Gabel in ­einem stabilen Polster gesichert.Foto: Matthias Borchers
Bei Evoc wird die Gabel in ­einem stabilen Polster gesichert.

Relativ neu sind die etwa 20 Zen­timeter hohen Bodenwannen ­bei B&W und Thule. Sie schützen das Rad unten herum besser und verleihen den Taschen besseren Stand. Biknd und Scicon inte­grieren feste, mit dem Unterboden verschraubte Rahmen, die sich auch auf unterschied­liche Radstände einstellen lassen. In der Scott-Tasche dagegen wird lediglich die Gabel mit einer gut gepolsterten ­Tasche ­fixiert, ­während das große Kettenblatt und der Hinterbau direkt auf dem Boden aufliegen.

Im direkten Vergleich bieten B&W, Scicon und Scott den größten Stauraum, sie befördern Standard-Renner mit demontierbarer Sattelstütze bis zur Rahmengröße 65. Bei den anderen Taschen wird es bereits ab 61 Zentimetern Rahmenhöhe eng. Evoc und Thule tun sich bei der Handhabung hervor, beide ­Taschen lassen sich schnell be­laden, leicht rangieren und transportieren. Auch die Scicon-Tasche ist schnell beladen, da man den Rennradlenker nicht demontieren muss und der Mon­tagerahmen bei seitlich offenen ­Taschenhälften leicht zu erreichen ist. Im Gegensatz dazu ist die Scott-Tasche ein widerspenstiger Transporter, in dem sich das Rad nur mit vielen Handgriffen vernünftig fixieren lässt.

Bei der Ausstattung lassen die Taschen von Biknd, Evoc, Scicon und Thule kaum Wünsche offen. Echte Pluspunkte bieten Biknd und Thule mit integriertem "Airbag" bzw. Montageständer: Bei Biknd lassen sich eingearbeitete Luftkissen aufpumpen, die wirksamen Schutz gegen Druck und Stöße bieten. Bei Thule kann man den Trägerrahmen zum vollwertigen Montageständer erweitern, dessen drei Streben in den Seitenwänden der ­Tasche verschwinden und sie zusätzlich versteifen. Lobenswert ist, dass defekte Laufrollen bei den meisten Modellen nachbestellt und selbst getauscht werden können; ausgerechnet die ansonsten sehr durchdacht konstruierte Biknd-Tasche liefert hier wegen der ­genieteten Befestigung den Ausreißer und verlangt beim Rollentausch mehr Aufwand. Alle ­Taschen sind gut verarbeitet.

  Bei Thule werden Seitenstreben und Standrahmen zum Montageständer.Foto: Matthias Borchers
Bei Thule werden Seitenstreben und Standrahmen zum Montageständer.

Junger Schwede

Thule ist unter den Anbietern von Radkoffern und -taschen eine noch recht junge Marke, ­hat es jedoch in kurzer Zeit geschafft, ein bemerkenswertes Produkt auf den Markt zu rollen. Die RoundTrip Pro ist sehr gut ausgestattet, klein im Packmaß und innovativ konstruiert. In der Schutzwirkung kommt sie von allen ­Taschen dem Hartschalen-Koffer von B&W am nächsten; lediglich bei Druck oder einem Aufprall von oben bietet dieser Koffer noch etwas mehr Sicherheit als unser Taschen-Testsieger. Ebenfalls ein tolles Paket bieten Biknd und Scicon – mit leichten Abstrichen beim Service wegen nicht tauschbarer Rollen (Biknd) beziehungsweise etwas kopf­lastigem Rollverhalten (Scicon). Wer sich für den günstigsten Transporter im Test – die Tasche von B&W – entscheidet, sollte das gesparte Geld in den Baumarkt tragen, um sich dort mit reichlich Luftpolsterfolie, Styropor und Rohrisolierung einzudecken und die Tasche so noch sicherer zu machen.

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