Für den boomenden sich immer weiter diversifizierenden Gravel-Bereich gibt es bereits genauso diverse Taschen und Gepäckträgersysteme in zig Ausführungen. Aber eine “Arschrakete” - also die Döner-artige Satteltasche beim Gravelbike - taugt nur sehr bedingt für ein Mountainbike.
Sie schwänzelt hin und her oder schleift im Zweifel am Hinterrad, wenn die Federung eintaucht. Von Rahmentaschen ganz zu schweigen, die wenigsten MTB-Rahmen haben genug Platz dafür; oft passt gerade eine kleine Trinkflasche so eben zwischen Ober- und Unterrohr.
Dann kommen zwei Jungs aus Neuseeland und wollen Abhilfe schaffen. In der rauen Topo der Insel in der Tasmanischen See braucht man “heavy duty stuff”, Dinge, die wirklich was aushalten. Und das tut das Gepäckträgersystem von Aeroe, das speziell für MTBs geschaffen wurde.
Das System besteht grundsätzlich aus Halterungen, die mit Gewebebändern an den Rahmen, die Gabel oder den Lenker gezurrt werden, und Metallbügeln, an denen dann Dinge befestigt werden können. Dazu bietet Aeroe sogenannte Spider und Pucks. Spider sind Halterungen für Packsäcke oder andere Taschen mit zwei justierbaren Bändern. Pucks sind Drehverschlüsse, die mit verschiedenen Aeroe-Taschen kompatibel sind.
Wir haben zuletzt so ziemlich das gesamte Sortiment der Neuseeländer zum Test eingeladen und es an unserem Dauertest-Bike, dem Rockrider E-Feel 900S, montiert. Alles gleichzeitig am Rad zu haben macht zwar eigentlich keinen Sinn, für die Dokumentation haben wir es dennoch getan (und fotografiert). In der Praxis würde man sich wohl für zwei Taschenformate entscheiden - oder für den unterschiedlichen Einsatz wechseln.
Schon bei der Montage fällt auf, dass alles “sehr” ist: sehr robust gebaut, sehr einfach zu handhaben, sehr schlicht gestaltet, aber sehr funktional. Das ist auch in etwas der Anspruch der beiden Gründer. Alle Teile sind mit jeweils 4 Inbus-Schrauben (5 mm) fixiert, das heißt, man braucht einzig einen 5er-Inbus-Schlüssel, um alles anzubauen.
Die Montage der Halterungen geht zügig und ohne Frickelei durch einen einfachen Mechanismus, der die Gewebebänder mittels einer Schraube strafft. Die Spider und der Puck sind schnell angeschraubt und können nach Bedarf schnell in der Position verschoben werden.
Auch die Packsäcke und Taschen sind hochwertigst verarbeitet, sauber verklebt und durchgehend wasserdicht nach IP65-Standard (geschützt gegen Staubeintritt (staubdicht); geschützt gegen Strahlwasser (Düse) aus beliebigem Winkel), halten also sogar den Gartenschlauch aus. Die Metallrahmen der Träger sind aus Pulver-beschichtetem Alu, die Kunststoff-Teile aus Glasfaser-verstärktem Nylon. Das dürfte alles ziemlich lange halten.
Einziger Kritikpunkt hier: Die Gepäckträger sind zwar für MTBs bis 3,8 Zoll Reifen gedacht (für Fatbikes gibt es eigene), aber auch an schmalen, älteren Federgabeln, wie der Fox 32, passen die Halter nicht. Sie erfordern, dass die Gabelbeine bzw. Gabelrohre etwa 14,5 cm weit auseinander stehen. Bei der Fox 32 sind es gerade 12,5 cm - bei ungefederten Gravelgabeln nur 10,5 cm.
An unserem Bike war das mit der Rockshox ZEB aber kein Problem. Der hintere Aeroe-Gepäckträger sollte an die meisten MTB- und auch Gravel-Sitzstreben passen, zumal man die Füße der Halterung durch Lösen der Schrauben drehen kann, um sie an die aufeinander zulaufenden Streben anzupassen. Auch in der Breite kann man mit etwas Druck die nötige Anpassung erreichen.
Leider scheint das ganze Ensemble zwar äußerste Haltbarkeit ausgelegt zu sein, aber schon beim Schrauben entsteht der Eindruck: Das ist alles recht schwer. Die Spider, die Packsäcke, alles kein Leichtbau. Wir werden am Ende zusammenrechnen, was eine typische Ausstattung wiegen würde - ohne Gepäck, versteht sich. Aber nun zu den einzelnen Bauteilen. Alle Gewichtsangaben sind BIKE-Messungen, außer die mit * markierten Herstellerangaben.
Hinweis: Unser Testbike hat einen Alurahmen, sodass die Montage mit den Gewebebändern und einem maximalen Anzug der Verstellschrauben mit 4 Nm wohl kein Problem darstellt. Bei langfristiger Montage (Normalfall) ist es sinnvoll an den Kontaktpunkten 1-2 Lagen Rahmenschutzfolie oder Isolierband zu kleben. Die Aeroe Träger sind auch für Carbonrahmen geeignet. Man sollte aber genau die Gewichtsgrenzen und Anzugsdrehmomente in der Aeroe Anleitung beachten!
Der Front Rack von Aeroe ist der kleinere von beiden. Setzt man ihn tief genug an der Gabel an, sodass der Reifen oben noch genug Platz hat, entsteht fast dasselbe Gefühl wie bei sogenannten Lowrider-Taschen, die direkt an die Gabel geschraubt werden. Der Schwerpunkt liegt tief, das Gewicht gibt dem Reifen noch eine Portion mehr Grip. Nur das Lenkverhalten wird eventuell weniger spritzig, in jedem Fall deutlich verändert. Die ungefederte Masse - also das Gewicht, das physikalisch vor der Federung liegt - erhöht sich durch die Gepäckträger. Die Federung spricht entsprechend nicht mehr feinfühlig an.
Wir hatten den Pannier Rack - die Halterung für klassische Fahrradtaschen vorn montiert, weil dort beispielsweise leichte Gepäckstücke wie Schlafsäcke einen guten Platz finden. Oder im Alltag dort kleine Taschen mit Spanngurten transportiert werden können. Bei einer Tragfähigkeit laut Hersteller von 16 kg, kann man schon eine ganze Menge dort festmachen. Man kann aber alle Aeroe-Elemente untereinander kombinieren und sich das Set-up individuell zusammenbauen.
Der große Gepäckträger - der Aeroe Spider Rear Rack - ist genauso breit, hat aber ein ganzes Stück längere Bügel, damit er auch auf sehr tief angesetzten Sitzstreben montiert werden kann, und das Hinterrad (mit Schutzblechen) dennoch genug Platz hat.
Genau wie beim Front Rack sitzt der Träger super stabil und die beladenen Taschen wackeln oder klappern nicht. Auch auf rauem Untergrund macht das System einen sicheren Eindruck - ob es möglich wäre, damit auch wirkliche Trails zu fahren, hängt wohl von Zuladung, Bike und Fahrkünsten ab. Wir haben es zumindest nicht ausprobiert.
Das ist das Rear Rack, das aber mit dem “Teller” (Pannier Receiver) zusammen verkauft wird.
Das Herzstück des Aeroe-Systems sind die Cradles genannten Halterungen für Packsäcke und Taschen mittels zwei Spanngurten. Bei den Drybags von Aero führt man dazu den Spanngurt durch Schlaufen - das hält die Taschen absolut stabil in Position, egal ob waagerecht oder senkrecht montiert. Bei Packsäcken anderer Hersteller ohne diese Schlaufen muss man dann schon recht festzurren.
Erstaunlich war das Wiegen der Halter. Alle hatten ein unterschiedliches Gewicht zwischen 322 und 350 g. Rein äußerlich waren aber keine Unterschiede zu erkennen, was auf das Material selbst hindeutet. Alle Aeroe Produkte werden im Übrigen in Taiwan produziert - designt in Neuseeland.
Kommen wir zu den Taschen im Aeroe-Programm: Der kleine, orange Packsack mit 8 Litern Volumen macht einen derart wertigen Eindruck, dass die knapp 50 Euro fast schon gerechtfertigt erscheinen. Das Teil steckt wohl auch eine komplette Expedition durch das Amazonas-Delta weg, ohne dass man es ihm ansieht. Die hohe Qualität in puncto Material, Verarbeitung, Design verspricht zumindest, dass man sich erst in vielen Jahren Ersatz besorgen muss.
Der Punkt der hohen Qualität gilt genauso für die großen Dry Bags von Aeroe, die allerdings aus einem anderen, leicht dünneren Material bestehen. Das macht tatsächlich aber einen noch edleren und nur etwas weniger robusten Eindruck. Dafür ist der Rolltop-Verschluss etwas leichter zu rollen. Die reflektierenden Logos sehen auf dem schwarzen Kunststoff nicht nur chic aus, sondern haben auch ihren Sinn bei der Sichtbarkeit im Dunkeln.
Der Aeroe Adventure Pod erinnert mich sehr an eine Motorrad Seitentasche, nur dass diese Hartschalen haben, der Pod aus einem TPU-Material ist, das an wiederum an sehr dicke Fahrradschläuche erinnert. Der Boden ist tatsächlich aus glasfaserverstärktem Kunststoff und nimmt den oben schon beschriebenen Puck für den Quicklock-Mechanismus auf.
Die Tasche ist laut Hersteller 100 % wasserdicht, der Reißverschluss ist daher selbstdichtend. Zumindest an unserem Testmodell war der aber anfangs sehr schwergängig - etwas Babypuder auf der Lauffläche außen konnte aber für Abhilfe sorgen.
Den Aeroe Pod kann man am besten als Zwitter zwischen Packsack und klassischer Fahrradtasche (Pannier Bag) beschreiben. Der Vorteil ist aber der umlaufenden Zipper und die Riemen im Inneren, die alles fixieren. Mit 135 Euro eine echte Anschaffung, aber mit zwei von denen lässt sich schon eine Menge Gepäck transportieren.
Weg vom Abenteuer und hinein in die City und das Berufspendeln: Der Urban Backpack von Aeroe nimmt die Idee auf, dass Rad nur als einen Teil der Reise zu nutzen: Auf dem Weg zur S-Bahn wird der Rucksack ans Bike ge“puck”t, dann klickt man die Schultergurte an und trägt ihn von der S-Bahn als Rucksack zur Arbeit. Vor allem die magnetischen Verschlüsse haben es uns angetan. Die rasten fast von allein ein, zum Öffnen könnte man auch dicke Fäustlinge problemlos tragen! Sehr wertig! Auch die Gurte tragen sich gut.
Leider ist der Rucksack recht schwer; vor allem mit Blick auf sein Volumen von nur 10 Litern. Auch die von uns bereits getesteten, ähnlichen Taschen von Deuter (Xberg) und Forrider (3in1) brachten zwar ziemlich ähnliches Gewicht auf die Waage, hatten aber mindestens 25 Liter Kapazität. Dafür sieht der Aeroe Backpack sehr schnittig, modern-urban aus und weniger wie eine Fahrradtasche.
Die Aeroe Pannier Bag ist die traditionelle Fahrradtasche im Programm. Nicht mehr und nicht weniger. Schlicht, gut verarbeitet, mit stabilem Haltemechanismus. Auch die reflektierenden Details (Logo, Schriftzug) sind zweckmäßig, aber nicht unnötig auffällig.
Leider ist die Tasche laut der Hersteller-Webseite aktuell nicht verfügbar - im Online-Handel sind aber Modelle zu haben. 120 Euro als empfohlener Verkaufspreis - oder nur 90 im Handel - für eine Radtasche sind allerdings viel. Manche solcher Taschen gibt es bereits im 2er-Set für den Preis.
Wer sich bei seinem MTB für Aeroe entscheidet, bleibt gezwungenermaßen dabei, weil das Gepäckträgersystem nur bedingt mit anderen Herstellern kompatibel ist. Zwar kann man andere Panniers einklinken oder Packsäcke festzurren, aber schon da fehlt dann die passende Schlaufe, um die Gurte durchzufädeln.
Da aber alle Produkte einen sehr langlebigen Eindruck machen, ist man wohl damit auch auf Jahre gut versorgt. Das rechtfertigt auch den höheren Anschaffungspreis, der aber durch sie Straßenpreise relativiert wird. Nachteil der robusten und durchgehend wasserfesten Ausführung ist das Gewicht. Wir haben eine zweckmäßige Vollausstattung durchkalkuliert:
Produkt | Preis | Gewicht |
Front Rack | 115 Euro | 590 g |
Back Rack | 135 Euro | 644 g |
Pannier receiver | 80 Euro | 502 g |
Spider Cradle (4x) | 69 Euro (276 Euro) | 345 g (1380 g) |
Dry Bag Orange (2x) | 49 Euro (98 Euro) | 222 g (444 g) |
Dry Back Black (2x) | 59 Euro (118 Euro) | 309 g (618 g) |
Komplett | 822 Euro | 4178 g |
Über 4 Kilo allein für das Transportsystem ist eine Ansage. Baut man sich das ganze Set-up an ein E-MTB, ist das vielleicht weniger entscheidend - zumindest für die Beine. Die Aeroe Produkte sind also aus unserer Sicht für wirklich lange Bikepacking-Touren, Expeditionen und den harten täglichen Einsatz beim Pendeln - also immer, wenn es weniger auf Lightweight, Performance oder Geschwindigkeit ankommt, sondern mehr auf Haltbarkeit, Stabilität und “No worry”. Design und Funktion sind auf jeden Fall bestechend gut. Schade, dass es keine Racks für ältere und schmale Gabeln gibt!
Aeroe designt, verfeinert (und fährt) seine Produkte seit über 12 Jahren - Start war der Schnellmontage-Fahrradträger (ursprünglich The Freeload Rack, jetzt bekannt als Tour Rack, verkauft von Thule). Ziel des neuseeländischen Unternehmens ist es, die weltweit einfachste, funktionalste und - wie sie bei Aeroe sagen - schönste Art zu bieten, Ausrüstung zu transportieren.
Aeroe soll für jedes Fahrrad und jede Person geeignet sein. Deshalb sind die Produkte besonders robust – ein Ergebnis aus Design, Tests und Bewährung in Neuseeland, wo es wohl einige der aufregendsten und anspruchsvollsten Tourenbedingungen selbst für erprobte Radfahrer/innen gibt.