Marc Strucken
· 16.12.2023
An einigen Tagen im Dezember lag im Süden Bayerns so viel Schnee, dass man lange kaum mit dem Fahrrad raus konnte. Besonders Mountainbiken war auf dem tauenden und wieder gefrierenden Schnee schwierig bis gefährlich. Und genau in einer solchen Situation kommt der Smarttrainer für die eigenen vier Wände ins Spiel. Also wurden zuletzt fleißig Kilometer mit Blick auf den Garten gesammelt: Auf dem Truetrainer 6.2 - dem teureren der beiden neuen Modelle von Truekinetix.
Das ist die Ausstattung des Smarttrainers:
Was den Truetrainer von anderen Smarttrainern unterscheidet, ist das Fehlen eines großen Schwungrads. Daher beträgt sein Gewicht nur 15 Kilogramm, im Vergleich zu den 20 bis fast 30 Kilogramm anderer Indoor-Trainer. Truekinetix hat das fehlende Eisenschwungrad, das durch Bremsen einen Widerstand erzeugt, durch einen Motor und eigene Robotik ersetzt. Ein erster Vorteil davon ist, dass der Widerstand sehr schnell variiert werden kann - im Gegensatz zu einem schnell drehenden Schwungrad, das nicht so schnell abgebremst werden kann. Wer sich an Spinning-Räder erinnern kann, kennt die Anstrengung, die erforderlich ist, um schnell anzuhalten. Der Fahrerlebnis auf dem Truetrainer soll so realistisch wie möglich sein, ähnlich der schnellen Abfolge unterschiedlicher Belastungen auf der Strecke in der Realität.
Mein Eindruck bestätigt das. Ändert man die Steigung oder Wattzahl in der Truekinetix App (dazu später mehr), greift dies sofort - in beide Richtungen. Der Truetrainer startet zu Beginn ohne motorischen Widerstand. Das Gefühl auf unserem Test-Trainer ist lediglich etwas rau, eine Kollegin zog den Vergleich mit einer Nabe mit leichtem Lagerschaden. Wenn man jedoch in normale Trittfrequenzen übergeht, bewegt sich der Motor leise und ruhig.
Truekinetix kombiniert in seinem Smarttrainer eine physische Kassette mit einer umfangreichen Auswahl an virtuellen Möglichkeiten, um das eingespannte Rad schaltungsmäßig auszustatten. Dies bietet den Vorteil, dass man wie gewohnt mechanisch schalten kann – keine elektronischen Tasten, keine neue Schaltlogik und Ergonomie. Gleichzeitig stellt die App der Niederländer eine endlose Auswahl an Gangkombinationen bereit. Es ist also problemlos möglich, meine physische 11-fach MTB-Kassette mit beispielsweise 11-42 Zähnen virtuell gegen eine Rennrad-Kassette mit 11-28 Zähnen zu tauschen.
In der Praxis wird die Arbeit des elektronischen Motors bzw. des Prozessors für die virtuellen Gänge durch eine sehr kurze Verzögerung bemerkbar, bevor sich der virtuelle Gang nach dem physischen Gangwechsel vollzieht. Auf diese Weise kann man beispielsweise Schwelle-Trainings mit "dicken" Gängen absolvieren, die das eigene (im Trainer eingespannte) Rad nicht bietet. Oder umgekehrt Bergstrecken bewältigen, die mit der physischen Rennradübersetzung am Rad sehr mühsam wären.
Obwohl wir im Rahmen dieses Tests nur den Truetrainer ausprobiert und getestet haben, sollte auch die Möglichkeit des Geräts erwähnt werden, sich mit allen gängigen Plattformen wie Zwift oder Rouvy über Wifi, Bluetooth und ANT+ zu verbinden. Dadurch können die virtuellen Welten der Plattformen mit dem Truetrainer genutzt werden.
Die Ergebnisse der Indoor-Rides können ebenfalls mit Strava, Garmin Connect, TrainingPeaks und anderen Plattformen geteilt werden. Das Zusammenführen der Daten des Powermeters im Truetrainer mit dem Tracking meiner Garmin Fenix Sportuhr verlief reibungslos und äußerst zügig. Der Truetrainer meldete sich automatisch, und ich musste lediglich die Verbindung bestätigen.
Das niederländische Unternehmen Truekinetix wurde im Jahr 2018 von Bas van Rens gegründet. In einem BIKE-Interview erklärt van Rens, dass seine Motivation aus persönlicher Frustration resultierte. Nach einem Winter mit Indoor-Trainings zur Vorbereitung auf den Ironman auf Hawaii verfehlte er die Qualifikation um 8 Minuten. Diese Erfahrung führte ihn zu dem Schluss, dass er die falschen Muskeln auf einem Indoor-Fahrrad trainiert hatte.
Bas war der Ansicht, dass herkömmliche Indoor-Cycles nicht das Fahrverhalten und die Kraftverteilung des Fahrens im Freien authentisch widerspiegeln. Daher begann er, sein eigenes Indoor-Rennrad mit den neuesten Technologien zu entwickeln. Robotik und ein leistungsstarker Motor sollten das Schwungrad ersetzen, um das Fahren auf einem echten Rad genauer und realistischer zu simulieren. Die Technologie wurde in den Niederlanden in Zusammenarbeit mit den Technischen Universitäten Delft und Eindhoven entwickelt. Das System im Truetrainer misst laut Hersteller 10.000 Mal pro Sekunde die Bewegung und simuliert so die Kräfte und Widerstände, die bei einem Fahrrad auf der Straße entstehen.
Bas van Rens, Gründer von Truekinetix, ist medizinisch-technischer Ingenieur und arbeitet seit jeher gerne an der Schnittstelle zwischen Technologie und Geschäft. Er begann früh mit dem BMX-Fahren, wechselte zum MTB („Dafür bin ich jetzt zu alt.“) und schließlich zum Rennrad, mit dem er auch Triathlons absolviert.
Den Trutrainer 6.2 von Kinetix haben wir wie jeder Kunde per Lieferdienst erhalten. Infolgedessen haben wir den Aufbau genauer unter die Lupe genommen. Dann haben wir uns damit auseinandergesetzt, welche Einrichtungsschritte erforderlich sind (App, Trainer) und wie die App mit dem Tracking der Trainingsdaten funktioniert. Die Funktion des Truetrainers haben wir im Verlauf mehrerer unterschiedlich langer Trainingseinheiten getestet.
Positiv: Truekinetix bietet eine breite Palette von Möglichkeiten, welche Räder in den Truetrainer eingespannt werden können. Sowohl moderne Steckachsen (142 mm und 148 mm) als auch Schnellspanner (130 mm und 135 mm) sind möglich. Diese Vielseitigkeit wird durch verschiedene im Paket enthaltene Adapter realisiert. Die Montage gestaltet sich unkompliziert. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, aus der beigefügten Anleitung zu verstehen, dass der montierte Schnellspanner-Adapter einfach per Inbus gelöst werden kann.
Beim Kauf der Kassette (8, 9, 10, 11 oder 12-fach) muss eine Entscheidung getroffen werden. Ein zusätzlicher Freilaufkörper ist bei Truekinetix für 79 Euro erhältlich. Nachdem die Kette einmal um die Kassette am Trainer gelegt wurde, lässt sich das Rad einfach mit der Steckachse bzw. dem Schnellspanner fixieren.
Die Standbeine sind klappbar und werden mit Schrauben gesichert. Die weichen Füße können bei unebenem Untergrund justiert werden. Keine Bedenken sind erforderlich, wenn man ein ovales Kettenblatt verwendet, da auch diese mit dem Truetrainer kompatibel sind - virtuelle Oval-Chainrings sind bereits für das kostspieligere Truebike von Truekinetix verfügbar.
Die Einrichtung des Trainers mit der App gestaltete sich bei unserem Testgerät etwas aufwendiger. Nach Rücksprache mit dem Hersteller scheinen diese Schwierigkeiten jedoch nur beim von uns getesteten Prototypen aufzutreten. Im Gegensatz zur Serienversion benötigte dieser Prototyp zusätzlich einen Stromanschluss für den Start oder nach längerer Standzeit. Dennoch sei hier erwähnt, dass die notwendige WLAN-Verbindung nur in direktem Umfeld des Routers (max. 4 m mit freier Sicht) funktionierte.
Wenn der Truetrainer nicht online ist, die App jedoch schon, und eine Bluetooth-Verbindung zwischen beiden besteht, funktioniert das Training zwar, es werden jedoch keine Leistungsdaten angezeigt (Watt, Geschwindigkeit, Trittfrequenz). Dennoch zeichnet der Truetrainer diese Daten auf und überträgt sie, sobald er wieder online geht.
Wenn die Internetverbindung des Truekinetix Trainers über WLAN hergestellt ist, läuft alles reibungslos. Zu Beginn sollte man ein "Bike" erstellen und die physische Gang-Bestückung sowie die gewünschte virtuelle Schaltung auswählen. Anfangs sind nur wenige virtuelle Gänge in der App verfügbar. Weitere virtuelle Schaltstufen können im "Shop" gefunden werden, der jedoch kostenlos ist - obwohl der Name an dieser Stelle möglicherweise etwas irreführend ist. Auf diese Weise können auch mehrere Bikes angelegt werden, falls man beispielsweise ein Rennrad und ein MTB für das Training auf dem Smarttrainer nutzen möchte. Die Truekinetix-App ist insgesamt nicht so intuitiv wie von anderen gewohnt. Dennoch sind die angebotenen Seiten übersichtlich, und ich konnte mich schnell damit vertraut machen.
Die beiden LEDs am Smarttrainer sind in der Praxis eigentlich nur verwirrend. Theoretisch zeigen sie mit unterschiedlichen Farben an, was gerade vor sich geht. Die Kombinationen sind jedoch schwer zu merken, und man kann sagen: Man sollte erst losfahren, wenn beide LEDs stabil eine Farbe angenommen haben. Andernfalls haben sie wenig Nutzen.
Als erstes hat mir gefallen, dass ich mein Rad ohne großen Umbau nutzen konnte. Die Tatsache, dass das Serienmodell des Truetrainers autark, also ohne Stromanschluss, funktioniert, ermöglicht eine flexible Platzwahl. Auch die Maße des Truetrainers inklusive MTB sind wenig raumgreifend. So konnte das Gespann zunächst auf dem Balkon stehen und später auch im Wohnzimmer platziert werden. Eine Abstützung des Vorderrads war bei 29 Zoll/2,3 Zoll nicht erforderlich. Vielmehr erwies sich die größere Bewegungsfreiheit des Vorderrads in Kombination mit den flexiblen Füßen des Smarttrainers als sehr positiv, besonders wenn es mal intensiver wurde.
Apropos Intensität: Wenn man im Training viel mit der Einstellung der Wattzahl bzw. der Steigung spielt, etwa weil vorgegebene Trainings mit Zwift etc. nicht genutzt werden können oder sollen, gestaltet sich die Bedienung der Truekinetix App als weniger benutzerfreundlich. Beide Werte werden mit sehr kleinen Schiebereglern eingestellt, die genau über den großen Buttons für "Add lap" und - noch unpraktischer - "Finish" liegen. Eine falsche Berührung während des Tretens kann dazu führen, dass man vor eine Wand fährt, weil der Regler auf 900 Watt springt. Die Umstellung am Motor des Trainers erfolgt zwar graduell, ist aber dennoch schnell. Man beendet kurzzeitig das Training, wenn man versehentlich den Finish-Button trifft. Auch ist die Watt-Abstufung in 10er-Schritten recht groß. Bei der Neigung sind es klassisch 0,5-Prozent-Schritte.
Das Fahrerlebnis auf dem Truetrainer ist insgesamt ziemlich ausgewogen und sehr realistisch. Die bereits erwähnte geringe Verzögerung zwischen physischem und virtuellem Gangwechsel erfordert anfangs eine gewisse Eingewöhnung. Gleiches gilt für das etwas raue Losfahren. Obwohl der Motor nicht sofort mit voller Belastung einsteigt, gibt es ein leichtes Rumpeln. Das übliche schwere Antreten, das bei Trainern mit großem Schwungrad erforderlich ist, um die Masse in Bewegung zu setzen, entfällt vollständig. Der Truetrainer erleichtert sich auch sofort, wenn von hoher Belastung auf wenig Widerstand gewechselt wird, ähnlich wie es auf einer Straße der Fall ist, wenn die Steigung in eine Ebene übergeht.
Da ich mein MTB auch auf dem Smarttrainer gefahren bin und meine Übersetzungen bei Geländefahrten kenne, konnte ich den Vergleich zu den entsprechenden virtuellen Übersetzungen und den angezeigten Watt- und Geschwindigkeitswerten ziehen. Ergebnis: Es passt auf jeden Fall!
Die maximale Belastung von laut Hersteller 2600 Watt konnte ich aufgrund meiner eigenen Leistungsfähigkeit nicht testen. Aber auch 1200 Watt im Stand-Climb machen auf dem Truetrainer Spaß, und ich hatte nicht das Gefühl, das Gerät samt Fahrrad an seine Grenzen zu bringen. Die leichte Instabilität, also die Auslenkung des Rads nach rechts und links beim Treten, entlastet sowohl den Sitzbereich als auch die gesamte Haltemuskulatur bei längeren Trainingseinheiten und vermittelt tatsächlich einen recht realistischen Fahreindruck.
Praktisch ist zudem, dass der Truetrainer nur 15 Kilo wiegt und einen kleinen Eingriff oben hat, mit dem das Gerät sogar mit eingespanntem Rad recht gut verschoben oder umgestellt werden kann. Der Griff könnte allerdings noch etwas mehr Platz für die Finger bieten und etwas griffiger sein.
Der niederländische Smarttrainer erweist sich nach unserer Testerfahrung als eine gute Alternative zu den bekannten großen Marken. Der getestete Truetrainer 6.2 macht einen robusten, stabilen und hochwertigen Eindruck. Die Kombination aus physischen und virtuellen Schaltgängen bietet den Vorteil, wie gewohnt zu schalten und gleichzeitig die Schaltungs-Specs je nach Training auszuwählen.
Die Truekinetix-App hat noch Potenzial in Bezug auf die Benutzerfreundlichkeit. Auch erscheinen die LEDs meiner Meinung nach mit nur wenigen Variationen: AN, HOCHFAHREN, BEREIT, FEHLER.
Mit einem Preis von 1299 Euro für den 6.2 und 949 Euro für den Truetrainer 4.2 ist der Smarttrainer absolut wettbewerbsfähig. Allerdings müsste noch etwa ein Zwift-Abo hinzukommen, was andere Anbieter bereits im Bundle anbieten. Der neue Indoortrainer überzeugt daher nicht in erster Linie durch den Preis, sondern durch seine Funktion. Aber auch ohne Gamification des Trainings macht der "rollende Holländer" Spaß. Für ältere Biker wie mich reicht es vielleicht auch aus, beim Treten vom Balkon aus die Landschaft zu betrachten.
(Truetrainer 4.2. und Truebike nutzen gleiche Technik)