Jens Klötzer
· 29.08.2024
Carbon ist ein wunderbarer Werkstoff, vor allem für die Sport- und Fahrradindustrie. Es ist leicht, stabil und gemessen an den Leistungen mit den richtigen Fertigungsverfahren auch verhältnismäßig preiswert. Wenn da nicht das Problem mit der Umwelt wäre. Die Verbindung aus Kohlenstofffasern und Epoxidharz lässt sich nach Ende seiner Lebensdauer kaum wieder lösen, zumindest nicht sinnvoll und wirtschaftlich. Alle Carbon-Produkte werden demnach meist zu nicht recyclebarem Müll. Maximal lassen sie sich geschreddert noch als Füllstoff in Spritzkunststoffteilen oder im Straßenbau verwenden, was aber kaum wirtschaftlich ist und deshalb nur selten geschieht.
Einen wichtigen Schritt in Richtung Recycle-Fähigkeit will nun der britische Laufradhersteller Hunt erreicht haben. Für die Carbonfelgen des neuen Laufradsatzes “40 Carbon Gravel” soll ein Fertigungs- und Recycling-Verfahren für Carbonprodukte zum Einsatz kommen, welches eine Wiederverwendung der Rohstoffe erlaubt. Ursprünglich sei das Verfahren entwickelt worden, um die Glasfaser- und Epoxidanteile großformatiger Windturbinenflügel wieder voneinander zu lösen.
Die von Hunt “H_Cyclo” genannte Technologie setzt auf ein besonderes Harz, das mit Hilfe einer chemischen Lösung, die “CleaVER” genannt wird, sowie Hitze und mechanischer Einwirkung – sprich “rühren” – wieder voneinander lösen lassen. Dabei verspricht Hunt, dass das Harz in seinen Eigenschaften mit einem üblichen Duroplast-Harz vergleichbar ist und es keine Einschränkungen hinsichtlich Stabilitäts-Gewichts-Verhältnis oder der strukturellen Integrität der Produkte gibt.
Ob es hinsichtlich der Wiederverwendbarkeit der recycelten Stoffe Einschränkungen gibt, geht aus der Mitteilung nicht hervor. Auch Bilder vom Verfahren selbst veröffentlichte das Unternehmen nicht. Mindestens die Carbonfasern sind jedoch schon bei der Produktion der Felgen zu passenden Stücken geschnitten und können daher nicht beliebig wiederverwendet werden.
Hunt ist nach eigener Aussage dabei, insgesamt drei Recycling-Anlagen aufzubauen, davon zwei in Asien und eine in Europa. Bis die Anlagen stehen, will Hunt die retournierten Produkte zunächst einlagern. Einen Zeitrahmen dafür nannte die Firma nicht. Der Hersteller bietet an, alle H_Cyclo-Laufräder am Ende ihrer Lebensdauer, also auch nach einem Defekt oder Crash, kostenlos zurückzunehmen. Zudem soll es im Zuge der Rückgabe bis zu 200 Euro Rabatt auf einen neuen Hunt-Laufradsatz geben.
Die neue Technologie kommt zunächst in einem Gravel-Laufradsatz zum Einsatz, der mit 25 Millimetern Innenweite für 40 Millimeter breite Reifen optimiert ist. Die Felge soll für ein sehr breites Spektrum von 29 bis 60 Millimeter Reifenbreite geeignet sein. Wahlweise gibt es das Vorderrad auch eingespeicht mit einem hochwertigen Nabendynamo von SON. Die Preise liegen bei 1399 Euro für den Hunt 40 Carbon Gravel Race beziehungsweise 1899 Euro für den Hunt 40 Carbon Gravel Dynamo.
Für die Laufradmarke ist das Carbon-Recycling nur ein Teil einer umfassenden Nachhaltigkeits-Strategie. So verpflichtet sich das Unternehmen selbst dazu, seine CO2-Emissionen im Einklang mit dem Pariser Abkommen zum Klimawandel von 2015 herunterzufahren und unabhängig messen zu lassen. In der Produktion anderer Laufräder werden bereits recyceltes Aluminium und Carbonfasern verwendet. Auch die Verpflichtung, für alle Laufräder ab 2015 Service und Ersatzteile bereitzuhalten, gehört dazu. Auch für Laufräder von vor 2015 hält die Marke ein Ersatzteillager vor, eine Reparatur wird aber nicht garantiert. Seit 2022 bringt Hunt auch gebrauchte und runderneuerte Laufräder wieder in Umlauf.