Praxisbericht SRAM Red

Unbekannt

 · 31.07.2008

Praxisbericht SRAM RedFoto: Dirk Zedler

Im großen Labor-Test von TOUR im Februar schnitt SRAMs neue Top-Gruppe Red auf Anhieb sehr gut ab – inzwischen haben wir mit zwei Dauertest- und 18 Lesertest-Rädern über mehr als 30.000 Kilometer Praxis-Erfahrungen gesammelt.

Zwei Dinge machen SRAMs teuerste und technisch aufwendigste Komponenten- Gruppe auf den ersten Blick interessant: zum einen ihr geringes Gewicht. Sie wiegt 275 Gramm weniger als Shimanos Dura-Ace und immerhin noch 50 Gramm weniger als Campagnolos Record. Leichter ist keine Komponentengruppe aus der Großserie – von den damit erreichbaren geringen Komplettrad-Gewichten waren die Tester im TOUR-Camp im spanischen Cambrils beeindruckt. Zum anderen kommt das Aussehen gut an, besonders die Double-Tap-Hebel gefallen. Mit dem anderen Schaltprinzip hatten die an Shimano und Campa gewohnten Tester weniger Schwierigkeiten als erwartet. Dass der eine Schalthebel die Kette in beide Richtungen wechseln lässt – ein kurzer Schwenk zum kleineren Ritzel, ein langer zum größeren – prägt sich schnell ein, die Hebel ernteten insgesamt Lob.

Während der Fahrt macht die Red mehr auf sich aufmerksam als die Top- Teile der Konkurrenz. Die Kette läuft etwas lauter über die Ritzel, das Geräusch der Gangwechsel ist einem Knall nicht unähnlich. Hochprofilfelgen und Carbonrahmen mit dünnen, großvolumigen Rohren verstärken diese Geräuschkulisse. Das Laufgeräusch der Kette schwächt sich nach einigen Hundert Kilometern ab, was bleibt, sind die lauten Schaltgeräusche; bei manchen Rahmen klingelte die Kette in einzelnen Gängen.

Wesentlichen Anteil an den Geräuschen hat der aufwendige, hohle Zahnkranz- Körper der Red, der wie ein Resonanzboden wirkt. Gegen das Klingeln der Kette helfen optimal verlegte und gewartete Züge und eine penible Einstellung. Unsere Erkenntnis: Bei jedem Laufradwechsel sollte die Schaltung und der Abstand der Führungsrolle zum Ritzelpaket geprüft werden, die Red reagiert auf andere Abmessungen sensibler als von Campa und Shimano gewohnt. Um einen direkten Vergleich zu haben, statteten wir nach der Hälfte der bisherigen Kilometer eines der beiden Dauertesträder mit Shimanos Dura- Ace-Kette und -Zahnkranz aus. Die Schaltung harmonierte gut mit den Fremdprodukten, sie wurde geschmeidiger und leiser – ein echter Tuning-Tipp. Die rund 45 Gramm Mehrgewicht bei gleicher Übersetzung dürften in Anbetracht der Vor züge zweitrangig sein.

Bei dem komplett mit SRAM ausgestatteten Dauertestrad mussten relativ bald die Ketten gewechselt werden: Kette Nummer eins brachte es auf knapp 2.800 Kilometer, Nummer zwei auf nur 1.300 Kilometer – dabei mussten beide nicht mehr als 100 Kilometer im Regen erdulden. Auf dem zweiten Dauertestrad, das fast exakt die gleichen Strecken zurücklegte, hielt die Dura-Ace-Kette 4.500 Kilometer.

Was man in puncto Ergonomie vereinzelt bei Shimano und Campa beob achten kann, widerfährt auch der Red: Da moderne Rennlenker immer individueller und ausgefallener geformt sind, häufen sich Fälle, in denen der Schaltbremsgriff nicht mit der Lenkerform harmoniert. Der SRAM-Hebel zeigt in solchen Fällen eine drückende Kante. Abhilfe ist nicht schwierig: Wir zeigen auf Seite 48, wie man’s macht, die Griff-Handhabung wird damit deutlich angenehmer.

Die Wege des Schalthebels fanden die TOUR-Leser in Ordnung, die knackigen Druckpunkte wurden gelobt. Was – anders als bei Shimano und Campa – nicht geht, ist, mit einem kurzen Antippen des Schalthebels zu prüfen, ob die Kette schon auf dem größten (oder kleinsten) Ritzel liegt oder noch ein Gang zur Verfügung steht. Macht man das wie gewohnt, wechselt die Red aufgrund ihres Double-Tap-Prinzips in den nächstschweren Gang – was man

vor allem am Berg überhaupt nicht möchte. Man muss also entweder hinsehen oder sich angewöhnen, diesen Kontrollschwenk lang und druckvoll auszuführen – dann klappt’s. Vermisst haben durchweg alle Tester die Trimmfunktion des Umwerfers fürs kleine Kettenblatt (das große besitzt sie), mittels derer man die Umwerferposition in Mikro-Schritten so variieren kann, dass die Kette nicht schleift. Wenn Rahmengeometrie und Zahnkranz in ungüns tiger Konstellation aufeinandertreffen, kann die Kette ab dem sechsten Ritzel am Umwerfer schleifen; man kann dann zwar aufs große Blatt schalten, nicht immer jedoch ergibt das den passenden Anschlussgang.

Dosierbarkeit und Bremskraft der Bremsen ernteten Lob, das den Labortest vom Februar bestätigt. Hier ist SRAM aus dem Stand ebenbürtig mit den Mitbewerbern. Das leichte Quietschen der Beläge auf manchen Felgen beim Bremsen aus hohen Geschwindigkeiten legte sich, wenn sich Beläge und Felgenoberfläche aneinander gewöhnt hatten.

Insgesamt ist SRAM eine echte Alternative zu den beiden arrivierten Anbietern gelungen. Die Umgewöhnung aufs Schaltprinzip gelingt schnell, die sensiblere Montage und Einstellung bedarf aber erfahrener Hände und regelmäßiger Kontrolle, insbesondere, wenn häufiger Laufräder getauscht werden. Wenn SRAM künftig noch eine Trimmfunktion für den Umwerfer auf dem kleinen – und von den meisten Hobbysportlern mehrheitlich genutzten – Kettenblatt integriert, bleiben kaum noch Wünsche offen.

  Allseits gelobt: der handliche und präzise Red-Hebel
Allseits gelobt: der handliche und präzise Red-Hebel
  Tuning-Tipp: Mit Shimanos Dura-Ace-Zahnkranz und -Kette wird die Schaltung deutlich leiser
Tuning-Tipp: Mit Shimanos Dura-Ace-Zahnkranz und -Kette wird die Schaltung deutlich leiser
  Die Original-Züge dürfen nur mit Endkappen ohne Dichtung verbaut werden, sonst verhindert zu viel Reibung saubere Gangwechsel
Die Original-Züge dürfen nur mit Endkappen ohne Dichtung verbaut werden, sonst verhindert zu viel Reibung saubere Gangwechsel