Jens Klötzer
· 22.01.2018
Mit der Shimano Ultegra R8000 kommt die populärste und meistverkaufte Rennrad-Schaltgruppe in neuer Version: Wir haben die Schaltung von Shimanos 11fach-Ultegra ausführlich getestet.
Vielseitigkeit soll ihre große Stärke sein: Mit einem nie dagewesenen Variantenreichtum soll Shimanos jüngste Generation der Shimano Ultegra die Anforderungen aller Rennrad-Kategorien erfüllen. Von der Schaltgruppe gibt es allein vier Grundversionen: neben der mechanischen Schaltung auch eine elektronische Di2, und beide sowohl für Felgen- wie für hydraulische Scheibenbremsen. Dazu kommen spezielle Teile für Zeitfahrräder und ein erweitertes Spektrum an Übersetzungen, vor allem mit mehr leichteren Gängen. Vom klassischen Straßenrenner über Cross- und Zeitfahrräder bis zum Gravelbike mit dicken Reifen und Scheibenbremsen lässt sich mit der Ultegra künftig fast alles bestücken, was einen Rennlenker trägt. Welche technischen Vorteile für die neue Generation sprechen, zeigt unser Test der mechanischen Gruppe. Außerdem haben wir die neue Scheibenbremse untersucht.
Dass sich die Ultegra, traditionell die Nummer zwei in Shimanos Produkt-Hierarchie, technisch wie optisch stark an der aktuellen Top-Gruppe Dura-Ace orientiert, überrascht nicht. Sie übernimmt wesentliche Merkmale von der Nummer eins, etwa das Schaltwerks-Design, die Gestaltung der Kurbel und den kompakten Umwerfer. Optische Unterschiede zur Top-Gruppe beschränken sich auf einfachere Oberflächen: Die graphitgraue Ultegra schimmert matt, wo die tiefschwarze Dura-Ace mit polierten Flächen glänzt. Die Bremshebel ziert Klarlack statt aufwendigem Spiegellack, auch die Oberflächen des Schaltwerks erscheinen etwas rauer. Verarbeitet sind die Komponenten indes auf höchstem Niveau, wie man es von Shimano gewohnt ist.
Die erste echte Überraschung teilt das Display der Feinwaage mit: Kein Gramm leichter ist die neue Ultegra geworden. Die meisten Teile wiegen nur wenige Gramm mehr oder weniger als die alten. Zwar hat der japanische Hersteller niedriges Gewicht nie zum Hauptziel seiner technischen Entwicklungen erklärt, dennoch war jede neue Generation der Ultegra in der Vergangenheit auch stets leichter geworden. Die Argumente für die neue Gruppe müssen also anderer Art sein.
Beim ersten Griff an die Schaltbremshebel fällt deren leicht geänderte Form auf. Die Griffkörper sind schlanker, die Oberseite ist etwas flacher, sodass die Hände bequem aufliegen. Die Überzüge haben wie bei der Dura-Ace ein eingearbeitetes Profil, das den Gummi rutschfester machen soll. Ob das nötig ist, sei dahingestellt, aber es stört nicht, auch wenn man keine Handschuhe trägt. Dass die Bremshebel weiter nach außen geschwungen sind und der kleine Schalthebel leicht vergrößert ist, spürt man hingegen. Alle Hebel sind dadurch leichter zu erreichen. Geblieben ist, dass man den Abstand des Bremshebels zum Lenker mit einer Schraube unter dem Griffgummi einstellen kann.
Wirklich frappierend ist, um wie viel besser die neue Gruppe schaltet. Mit der aktuellen Generation wird Shimanos Vorsprung gegenüber der Konkurrenz deutlich (unabhängig vom Funktionsprinzip), einen spürbaren Unterschied zwischen Ultegra und der viel teureren Dura-Ace hingegen gibt es nicht. Hier macht sich vor allem die veränderte Schaltwerksgeometrie bezahlt: Die von den Mountainbike-Gruppen übernommene Shadow-Technik verringert mit einem besser geführten Schaltzug die Reibung deutlich, die ohnehin schon leichtgängigen, teflonbeschichteten Shimano-Züge sind auch bei der neuen Ultegra Standard. Obwohl die Federspannung des Schaltwerks etwas erhöht wurde, sind die Bedienkräfte und Hebelwege bei den neuen Shimano-Gruppen geringer als je zuvor. Dabei wirkt das System keinesfalls teigig, der Hebel meldet mit einem hör- und spürbaren „Klick“ den vollzogenen Schaltschritt.
Auch der neue vordere Umwerfer überzeugt. Shimano ist vom vorherigen Design mit dem langen Arm an der Zugklemmung wieder abgerückt, der Umwerfer ist deutlich kompakter. Das schafft Platz, an Adventure- und Gravelbikes kann der Umwerfer dicken Reifen nicht mehr im Wege stehen. Viele Nutzer hatten die komplizierte Einstellung des bisherigen Systems kritisiert: Die verschiedenen Möglichkeiten, den Schaltzug zu klemmen, waren nicht selbsterklärend, und die Schaltqualität litt bei falscher Einstellung deutlich. Das ist nun wieder einfacher geworden, zudem hat der neue Umwerfer auch eine Schraube, mit der man die Zugspannung verändern kann, ohne den Zug lösen zu müssen – ein Novum bei mechanischen Schaltungen. Beim Wechsel der Kette von Blatt zu Blatt sind Kräfte und Wege ebenfalls geringer, aber auch die Charakteristik des Umwerfers hat Shimano verändert: Während man bei den bisherigen Gruppen gleichmäßig Kraft aufbringen musste, um die Kette vom kleinen auf das große Blatt zu bewegen, ist der Widerstand beim neuen Umwerfer am Anfang höher, verringert sich aber gegen Ende des Hebelwegs deutlich. Das fühlt sich direkter an und die Gefahr, dass die Kette wieder herunterfällt, weil man den Hebel nicht komplett durchgedrückt hat, wird kleiner.
Die Kurbel als Herzstück des Antriebs ist an das aktuelle Design angepasst, technisch hält sie das hohe Niveau der Vorgängerin. Shimano bleibt bei der bewährten Aluminium-Bauweise und dem Hollowtech-II-Standard mit Stahlwelle für das Tretlager. Das zweiteilige große Kettenblatt besteht auf der Innenseite aus Kunststoff und ist extrem steif, was eines der Geheimnisse der guten Schalteigenschaften ist. Die eingearbeiteten Steighilfen führen die Kette sauber und ohne große Geräusche zwischen den Kettenblättern. Die Kurbel wird es in den gängigen Varianten 50/34, 52/36 und 53/39 sowie als Cross-Variante mit 46/36 geben.
Auch die Felgenbremse hat Shimano ein weiteres Mal verbessert, obwohl mancher die im Vergleich zur Scheibenbremse vermeintlich antiquierte Technik schon auf dem Abstellgleis sieht. Ein zusätzliches Blech zwischen den Bremsarmen macht die Zange noch steifer, was sich vor allem bei hohen Kräften bemerkbar macht: Aus hohem Tempo lässt sich die Bremse so besser dosieren. Auch die maximale Bremskraft erhöht sich leicht – wobei das in der Praxis kaum eine Rolle spielt.
Bremse vorne 181 Gramm
Bremse hinten 179 Gramm
Brems-/Schalthebel 419 Gramm
Schaltwerk 197 Gramm
Umwerfer 90 Gramm
Kurbelsatz 690 Gramm
Innenlager 76 Gramm
Zahnkranzkassette 239 Gramm
Kette 241 Gramm
Gesamt 2.313 Gramm
Den gesamten Testbericht aus TOUR 11/2017 finden Sie unten im Download-Bereich.
Downloads:
Test Shimano Ultegra R8000 / 1,49 Euro