Matthias Borchers
· 29.10.2022
Wer in der Übergangszeit auch mal intensiv trainieren möchte, für den sind Allwetter-Rennrad-Trikots erste Wahl. Acht Modelle für Männer und Frauen im TOUR-Test.
Das Angebot an flexiblen, wärmeren Rennrad-Trikots ohne Membran wächst stetig, die Auswahl für Frauen und Männer ist groß. Positiv: Die Schnitte sind durchweg rennradtauglich. Unterschiede und Kritik gibt’s jedoch bei Preis, Wetterschutz oder der Ausstattung. Das Isadore-Trikot beispielsweise saugt sich zu schnell mit Wasser voll, das grelle POC-Trikot verliert bei der Ausstattung an Glanz. Bestnoten erzielen Castelli und Maap; Bioracer hat das günstigste Allwettertrikot im Programm. Beste Ausstattung: Alé K-Idro Jersey, Isadore Echelon LS Jersey, Q36,5 Jersey Long Sleeve WoolF.
Der herbstliche November kann ähnlich launisch sein wie der April im Frühjahr: Regen folgt auf Sonne, Sonne auf Regen; kräftige Böen pfeifen ums Eck, und gelegentlich fällt gar Graupel oder Schnee aus dunklen Wolken. Entsprechend stellt einen der November vor die gleiche Aufgabe wie der April: Die Klamottenwahl für die Rennradrunde - also ein Outfit, in dem man nicht friert, nicht schwitzt und bei einem kleinen Schauer nicht gleich durchnässt - bleibt eine Wette aufs Wetter.
Seit einiger Zeit rücken Allwettertrikots als vielseitige Alleskönner in den Blick. Sie sind geschnitten wie Rennrad-Trikots (nicht wie die Jacken), außen wasserabweisend imprägniert, und sie verzichten auf eine Membran, was sie dampfdurchlässiger macht als mehrlagige Produkte. Mit Ausstattungsdetails wie Spritzschutz an den richtigen Stellen, weichem Kragen oder sinnvoll und ausreichend platziertem Reflexmaterial, können sie ein komfortabler Kompromiss sein zwischen mehrlagigen Membran-Klamotten und dem zwar wirksamen, aber aufwendigen Zwiebelprinzip, bei dem man mehrere Schichten übereinander trägt.
Radprofis haben die Vorzüge der Allwetter-Rennrad-Trikots für ihre Ansprüche schnell erkannt und sich die Sachen sogar an ihren angestammten Bekleidungssponsoren vorbei beschafft. Weil die Trikots so flexibel sind, ist die Bewegungsfreiheit kaum eingeschränkt, der Wetterschutz reicht in den meisten Situationen aus, und sie müssen nicht wie klassische Regenjacken nach einem Guss sofort wieder ausgezogen werden, da das Material relativ schnell trocknet und man darunter nicht sofort schwitzt.
Aktuell gibt es ein gutes Dutzend Hersteller dieser Rennrad-Trikots für jedes Wetter, fast alle Modelle werden für Männer und Frauen angeboten, nur wenige in Unisex-Schnitt in sehr kleinen bis sehr großen Größen. Bei den Preisen pendelt sich der Durchschnitt bei etwa 150 Euro ein. Das Trikot WoolF von Q36,5 liegt regulär bei 194 Euro und soll ab 2023 aufgrund stark steigender Produktionskosten regulär etwa 210 Euro kosten. Dagegen sind die Trikots von Bioracer für 110 Euro vergleichsweise günstig.
Damit der Trikotstoff wasserabweisend wird, möglichst lange trocken und dampfdurchlässig bleibt, muss er mit Imprägniermittel chemisch ausgerüstet werden. Dabei kommen unterschiedliche Verfahren und Produkte zum Einsatz, die sich in zwei Klassen einteilen lassen: polyfluorierte Chemikalien (PFC) und PFC-freie Mittel, wie beispielsweise Elastomere. PFC sind jedoch umstritten, sie gelten als umweltschädlich.
Nur wenige Hersteller informieren umfassend darüber, welche Imprägnier-Methode genau sie verwenden. Ausnahmen im Test sind die Allwettertrikots von Isadore und POC, die ausdrücklich auf PFC verzichten. Da die chemische Ausrüstung lediglich drei bis vier Wäschen hält und der Abperleffekt nach und nach verschwindet, muss man die Ausrüstung mit geeigneten Imprägniermitteln regelmäßig auffrischen. PFC-frei, also umweltschonend, sind beispielsweise die Imprägniermittel von Fibertec, Nikwax oder Toco.
Bioracer zum Beispiel verwendet statt einer chemischen Imprägnierung ein Textilmaterial, das aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften Wassertropfen abperlen lassen soll. Das Verfahren der belgischen Marke ist zwar nachhaltiger, da es nicht aufgefrischt werden muss, es funktioniert jedoch nicht so gut wie beispielsweise die PFC-freie Imprägnierung der POC-Trikots, von denen fast jeder Wassertropfen wegkullert, sobald er mit dem Material in Berührung kommt.
Die gute Nachricht: Alle Allwettertrikots für Rennradfahrer im Test überzeugen mit gutem bis sehr gutem Schnitt für die Rennradhaltung, insbesondere Alé, Maap und Q36,5, sowohl für Männer als auch für Frauen. Differenzen bemerkten unsere Tester und Testerinnen bei den Größen: Die Isadore-Trikots fallen in den Testgrößen relativ klein aus, die von POC eher größer.
Deutlichere Unterschiede zwischen den acht Allwettertrikots-Kandidaten im Test finden sich bei Wetterschutz und Ausstattung. Bei der Ausstattung sind Alé, Isadore und Q36,5 die Einser-Kandidaten: Beispiele für durchdachte Details sind die mit einem Spritzwasserschutz versehene mittlere Tasche beim Alé-Trikot, der besonders flauschige Kragen bei Isadore und das am Q36,5-Trikot großzügig platzierte Reflexmaterial, mit dem man im Straßenverkehr sicherer unterwegs ist - egal ob im November oder im April.
Die Gesamtnote der Allwetter-Rennrad-Trikots setzt sich zusammen aus vier Kriterien, die je nach Relevanz gewichtet werden. Alle Messergebnisse haben wir selbst ermittelt.
Wetterschutz (30 %)
Mit dem Spray-Test (DIN-EN-ISO 4920) wird ermittelt, wie Wassertropfen vom Außenmaterial der Allwettertrikots abperlen. Vor dem Test wurden die Rennrad-Trikots einmal gewaschen. Optimal ist, wenn die Tropfen vom gespannten Stoff rückstandlos abperlen; schlecht ist, wenn sich der Stoff schnell vollsaugt.
Tragekomfort (25 %)
Tester und Testerinnen bewerten das Stoffgefühl auf der Haut. In der Praxis kommt es vor, dass Frauen aufgrund empfindlicherer Haut ein Modell strenger bewerten als Männer und ein identisches Modell unterschiedliche Noten erhält. Das Feuchtigkeits- und Wärmeempfinden fließt ebenfalls ein ins Testurteil.
Handling (25 %)
Beim Handling zählt, wie sich die Reißverschlüsse bedienen lassen. Lassen sich diese während der Fahrt einhändig in beide Richtungen leicht bewegen, ist das optimal. Gleiches gilt für die Handhabung der Trikottaschen, die während der Fahrt leichten Zugriff erlauben müssen, auch mit Handschuhen.
Ausstattung (20 %)
Bewertet werden Details wie die Größe und Form von Trikottaschen, Taschen mit Reißverschluss, Zippergarage, Abdeckung der Reißverschlüsse, die Ausführung vom Trikotbund, dem Kragen und der Ärmelbündchen. Weil die Rennrad-Trikots bei Schlechtwetter eingesetzt werden, ist viel Reflexmaterial besonders wichtig.
Das Rennrad-Trikot überzeugt mit kompletter Ausstattung; der integrierte Spritzschutz an der mittleren Tasche hält den Po trocken; top Rennradschnitt, guter Sitz auch mit vollen Taschen; Wasser perlt nicht komplett ab, sehr viele Größen.
Vergleichsweise komfortabel geschnitten, aber etwas wenig flauschig. Das Material ist ohne chemische Behandlung wasserabweisend, der Effekt in der Praxis jedoch schwächer als bei chemisch imprägnierten Allwettertrikots.
Zusammen mit Maap die Doppelspitze im Test der Rennrad-Trikots für jedes Wetter; sehr guter Wetterschutz, bleibt lange trocken; angenehm fester Stoff, tolles Tragegefühl auf der Haut; der Reißverschluss läuft einhändig leicht, auch mit vollen Taschen guter Sitz.
Sehr eng geschnitten, fällt klein aus; die PFC-freie Imprägnierung ist nicht so effektiv wie bei POC, Regen perlt schlecht ab; Reißverschlüsse und Taschen sind tadellos, sehr hochwertige Ausstattung.
Guter Schnitt für lange Oberkörper; angenehm fester Stoff, Reißverschlüsse und Taschen sind top, clever ist der integrierte Spritzschutz in den Taschen; Wassertropfen perlen nicht restlos ab.
Gemeinsamer Testsieger bei den Allwetter-Rennrad-Trikots mit Castelli. Für lange Oberkörper etwas kurz geschnitten, Anprobe ist ratsam; Funktion und Ausstattung sind tadellos, sehr gute Reißverschlüsse; etwas hoch sitzende Rückentaschen.
Fällt lang und relativ groß aus, eventuell eine Nummer kleiner probieren; PFC-freie Imprägnierung; nur in der einen leuchtenden Farbe erhältlich; relativ kurzer Kragen, mager ausgestattet.
Das sehr dicht gewebte Material schützt ordentlich vor Fahrtwind, fühlt sich jedoch trotz Merinoanteil weniger flauschig an; sehr leicht, viel Reflexmaterial.
Als Nachteil könnte man den Allzweck-Rennrad-Trikots ihren fehlenden Windschutz in Form einer Membran auslegen. Selbst wenn Hersteller dies durch besonders dicht gewebtes Material auszugleichen versuchen, wie beispielsweise Q36,5, pfeift kräftiger Fahrtwind früher oder später durchs Gewebe. Eine Alternative sind Rennrad-Trikots wie das Fiandre Light no rain von Sportful* mit clever platzierter, winddichter Membran. Brustpartie und Armvorderseiten sind windgeschützt, der Rest besteht aus dünnem, dampfdurchlässigem Material. Mit 155 Gramm ist es leicht und wärmt nicht besonders, was man wiederum durch entsprechende Unterwäsche ausgleichen kann.
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