Dem Thema Fahrradschuhe bzw. Gravelschuhe widmen wir uns, weil wir auf praktisch allen Radveranstaltungen, die wir dieses Jahr besucht haben, in Gesprächen mit anderen schnell auf das Thema Schuhe - und Fußprobleme kamen. Ohne Fußschmerzen Rad zu fahren, scheint für viele unmöglich zu sein; Taubheitsgefühle, brennende Fußsohlen, unangenehmer Druck oder einschlafende Zehen gehören für viele zur Tagesordnung. Auch für mich, die Autorin dieses Artikels. Ich kenne ebenfalls die Problematik taube Zehen. Nach Ultracycling-Events, bei denen innerhalb weniger Tage und Nächte mit so wenig Pausenzeit wie möglich viele Kilometer und Höhenmeter abgespult werden, dauert es Tage bis Wochen, bis ich alle Zehen wieder richtig spüre.
Schuhe sind, ähnlich wie Sättel, ein sehr individuelles Thema. Und wie bei Sätteln stellt man fest: Der ultimative Tipp des einen muss für die andere noch lange nicht die Lösung der eigenen Probleme bedeuten. Gelegentlich erschwert auch eine gewisse Begriffsverwirrung die Wahl des richtigen Schuhs. Gängige Ausssagen, wonach ein Fahrradschuh eng sitzen muss, vermitteln unter Umständen ein falsches Bild. Damit ist nicht gemeint, dass der Schuh drückt und einengt, sondern dass er dem Fuß beim Treten Halt gibt und ihn mit einer angepasst steifen Sohle stützt, was letztlich dazu beiträgt, Kraft zu sparen.
Alexander Mathe vom Trainings- und Bikefitting-Dienstleister Hycys in München berichtet, dass rund 60 Prozent der Bikefitting-Kunden zu enge Schuhe tragen. Und er bestätigt: „Zu enge Schuhe verursachen vor allem Taubheitsgefühle, brennende Fußsohlen und Kribbeln.“ Fußprobleme können sich außerdem auch an ganz anderer Stelle des Körpers bemerkbar machen, sagt Jörg Schmidt, Vertriebsleiter für die Produkte von gebioMized und Lake-Schuhe in Deutschland, Österreich und der Schweiz: „Auch viele Knieprobleme lassen sich auf den Fuß zurückführen.“ Etwa, wenn ein zu enger Schuh einfach eine oder zwei Nummern größer gekauft wird, in der Hoffnung, dass er dann passt. Die Schuhe sind dann zwar länger, aber kaum breiter. Oft kann die Pedalplatte nicht mehr passend eingestellt werden, was zu Knieproblemen führen kann.
Wie findet man ihn nun aber, den richtigen Gravelschuh für die eigenen Anforderungen? Das soll im Folgenden erläutert werden.
Etwa 60 % unserer Bikefitting-Kunden haben zu enge Schuhe - Alexander Mathe, HYCYS München
Aber wie findet man ihn, den passenden Fahrradschuh? Sicher nicht wie bei Aschenputtel - na ja, im Märchen sucht man auch den passenden Fuß und nicht den passenden Schuh.
Die meisten Radler wählen für ihr Gravelbike Mountainbike-Klickpedale. Die Cleats, also die Verbindungsplatten zwischen Schuh und Pedal, unterscheiden sich je nach Pedalhersteller. Allen gemeinsam ist, dass sie mit zwei Schrauben am Schuh befestigt werden. Natürlich kann man auch mit Gravelschuhen und MTB-Pedalen Rennrad fahren – was den Vorteil hätte, an allen Rädern dasselbe System zu nutzen. Zudem läuft es sich in Gravelschuhen meistens besser und die Cleats halten länger. Ein Nachteil wäre, dass die meisten Offorad-Platten und -Pedale eine kleinere Kontaktfläche zum Schuh herstellen, was die Kraftübertragung verschlechtern und punktuellen Druck auf die Fußsohle verstärken kann.
Wer unsicher bei der Wahl des Pedalsystems ist oder auf Bikepacking-Touren kein zusätzliches Paar Schuhe transportieren möchte, trifft auch mit Plattformpedalen und Schuhen ohne Klick-System eine gute Wahl.
Drehverschlüsse, Klettverschlüsse sowie der gute alte Schnürsenkel – und die Kombination aus allem – sind an Geländeschuhen gebräuchlich. Drehverschlüsse, wie zum Beispiel von Boa, lassen sich schnell öffnen und schließen und gut anpassen – auch während der Fahrt. Mit Schnürsenkeln muss man dazu anhalten, dafür kann man sie wahrscheinlich fast überall auf der Welt schnell ersetzen. Klettverschlüsse sind ebenfalls schnell zu bedienen, und bei guter Qualität halten sie ein Schuhleben lang.
Zusammengefasst heißt das für Verschluss und Pedalsystem:
Haben Sie schon einmal die Innensohle aus Ihrem Schuh genommen und sich darauf gestellt? Probieren Sie’s mal.
Viele Größentabellen für Schuhe fragen lediglich die Länge ab, die Fußbreite bleibt meistens unberücksichtigt. Viele Hersteller entwickeln einen Allround-Leisten, aber „one size fits all” passt auch bei Schuhen nicht immer, weshalb manche Hersteller ihre Schuhe in verschiedenen Breiten anbieten. Dazu zählt auch die US-amerikanische Marke Lake, die ihre Schuhe auf elf unterschiedlichen Leisten baut und so für verschiedene Einsatzzwecke und Fußformen passende Schuhe anbieten kann. Auch für „Problemfüße“. Das macht die Marke besonders bei solchen Bikefittern beliebt, die die Füße ihrer Kunden vermessen können, zum Beispiel mit einem Scanner. Auch die Einlegesohle des aktuell getragenen Radschuhs verrät einiges über die benötigte Passform. Nach der Vermessung gibt eine Tabelle Aufschluss, welcher Leisten und damit welcher Schuh für Fußform und Einsatzzweck passen könnte. Ein Schuh für den intensiven und eher kurzen Renneinsatz muss anders am Fuß sitzen und andere Kriterien erfüllen als einer für entspannte, aber tagelange Bikepacking-Touren, die auch längere Gehstrecken enthalten können.
Wir haben den Prozess durchgespielt und waren dafür im gebioMized Concept Lab bei Hycys München.
Gut zu wissen: Wenn ein Schuhmodell immer gepasst hat, heißt das nicht, dass die neue Version auch passt. Die Passform kann anders sein und auch die Füße können sich im Laufe der Zeit ändern.
Steif, abriebfest, atmungsaktiv, wasserdicht, griffig... das sind nur einige Adjektive, mit denen sich Fahrradschuhe beschreiben lassen. Je nach Einsatzgebiet muss ein Radschuh bestimmte Anforderungen erfüllen. Was müssen Schuhe für schnelle Gravel-Rennen leisten? Welche Anforderungen sollten Schuhe für Bikepacking- und Abenteuertouren erfüllen?
In Rennen geht es um Geschwindigkeit. Und wenn es um Geschwindigkeit geht, spielt auch das Gewicht keine unwichtige Rolle. Für eine effiziente Kraftübertragung bedarf es einer steifen Sohle, häufig wird mit Carbonsohlen gearbeitet. Bei Gravelschuhen wie dem S-Works Recon liegt das Carbon frei.
Das ist wichtig:
Das ist nicht so wichtig:
Offenliegende Carbonsohlen sind nicht unbedingt die beste Idee für abenteuerliche Touren, bei denen das Rad auch mal geschoben oder getragen werden muss. Steine können der Carbonsohle ganz schön zusetzen - und das Material bietet wenig Halt. Quoc kombiniert beim Grand Tourer XC eine steife Carbonsohle mit einem griffigen TPU-Material. So ist der Schuh einerseits steif, andererseits griffig beim Gehen. Beim Recon ADV macht Specialized es ähnlich und überzieht die Carbonsohle teilweise. Für sogenannte Hike-A-Bike-Passagen, also Streckenabschnitte, die zu steil oder zu unwegsam sind, um zu fahren, ist der Recon ADV zusätzlich etwas flexibel im Zehenbereich - für ein besseres Laufgefühl.
Das ist wichtig:
Das ist weniger wichtig:
In unserem Gravelschuh-Test haben wir verschiedene Schuhe mit zwei Paar unterschiedlichen Füßen ausprobiert und haben damit ordentlich Kilometer gesammelt - mit einigen mehr mit anderen weniger, da sie später dazu kamen.
Der Abenteuer-Gravelschuh von Specialized. Einmal richtig geschnürt, sitzt der Schuh auch auf längeren Strecken bequem am Fuß. Im Extremfall waren das 540 Kilometer mit 10.000 Höhenmetern nonstop. Besonders an heißen Tagen staut sich Wärme im Schuh. Für kühle Tage ist das ein Vorteil, im Hochsommer eher unangenehm. Ist der Schuh nass geworden, trocknet er nur langsam und kann bald müffeln. Nach etwa 5.000 Kilometern unter teils extremen Bedingungen löst sich leider die Sohle an einigen Stellen.
Bisher der beste Schuh für lange Distanzen, den ich hatte. Allerdings staut sich die Wärme im Schuh, das wird an heißen Tagen unangenehm. - Sandra Schuberth, Delius Klasing Online-Redakteurin.
Plus: Ein Schuh zum Wohlfühlen
Minus: Wärme staut sich, nicht so gut für den Hochsommer
Der Quoc-Schuh ist gemacht für Offroad-Abenteuer, sei es auf dem Gravel- oder Mountainbike. Zwei Drehverschlüsse geben dem Fuß Halt im Schuh, ohne zu drücken. Die Carbonsohle erlaubt eine gute Kraftübertragung und gibt dank TPU-Beschichtung Halt, wenn das Rad geschoben werden muss. Spikes, ebenfalls aus TPU, unterstützen dabei. Denen sieht man die Belastung aber schnell an. Im Vorfußbereich ist die Passform vergleichbar mit dem Specialized Recon ADV, die Sohle vom Quoc ist noch steifer. Dem Schuh liegen drei Fußgewölbe-Einsätze bei, um den Schuh an den eigenen Fuß anzupassen.
Plus: beschichtete Carbonsohle schützt Carbon und bietet Halt, reflektierende Elemente, belastbar
Minus: kleines Größenspektrum
Den S-Works Recon hat Specialized als Gravelschuh kreiert, der sich fast anfühlt wie ein Rennradschuh – auch beim Gehen. Speziell, und im ersten Moment gewöhnungsbedürftig, ist die ergonomische Anpassung im Fußbett. Ein Keil im Vorfußbereich, der sich unter den Großzehenballen schiebt, soll eine bessere Kraftübertragung aus dem Vorfuß ermöglichen. Unser Eindruck: Nach kurzer Gewöhnungsphase fühlt man sich wohl und hat das Gefühl, mit dem Vorfuß gezielter Druck auf das Pedal ausüben zu können. Die Sohle ist maximal steif – ein Performance-Schuh mit guter, nicht zu schmaler Passform. Die Carbonsohle ist empfindlich und verkratzt schnell, wenn man im Gelände viel läuft oder ungestüm ins Pedal einklickt. Die Schuhe sind luftig, gut für warme Tage, für kühle nicht so und für nasse gar nicht.
Plus: steife Sohle
Minus: Auch beim Gehen fühlt er sich fast wie ein Rennradschuh an, Carbon-Sohle verkratzt schnell
Nicht nur für Menschen mit Ballenzeh (Hallux valgus) oder anderen Fußfehlstellungen ist es oft schwer, passende Schuhe zu finden, geschweige denn passende Radschuhe. Das Schaftmaterial von Radschuhen ist meist wenig flexibel und soll es auch nicht sein. Aber es gibt Lösungen. Das Obermaterial des Lake MX242 ist in sechs Segmente unterteilt, um auch schwer anpassbaren Füßen gerecht zu werden. Auch Menschen mit sehr schmalen oder breiten Füßen, sehr niedrigem oder hohem Rist, können mit diesem Schuh glücklich werden. Durch die Laschenkonstruktion lässt sich die Passform fein abstimmen, empfindliche oder schmerzende Stellen werden entlastet. Zusätzlich kann die Fersenkappe durch Wärme verformt und dem Fuß angepasst werden. Es gibt auch eine Rennrad-Version.
Der Testschuh traf erst kurz vor Redaktionsschluss ein, so war er noch nicht auf intensiver Testfahrt. Erstes Fazit: Die Passform ist dank Laschenkonstruktion sehr gut, Zunge und Schaft schließen nah am Knöchel ab. Das relativ hohe Gewicht spielt in der Praxis keine Rolle.
Plus: Wohlfühlschuh auch für “Problemfüße”
Minus: teuer, schwer, keine Version ohne Leder