Wenn gegen Ende des Ötztaler Radmarathons, im Anstieg zum Timmelsjoch, jede Muskelfaser brennt, werden schon kleinste Störfaktoren in der Radhose zur Folter. Da raspelt eine kratzige Naht auf einmal wie eine Säge am Oberschenkel. Der Sattel drückt wie ein Nadelkissen durch das erschlaffte Sitzpolster, und zu straffe Hosenträger lasten wie zentnerschwere Hantelstangen auf den Schultern.
Die Radhose ist das wichtigste Bindeglied zwischen Fahrer und Fahrrad. Glücklich ist, wer bereits ein perfekt passendes Exemplar gefunden hat. Für alle anderen haben wir 18 kurze Radhosen für Frauen und Männer getestet. Dabei hatten wir die Hersteller eingeladen, uns ihr bestes Marathonmodell zu schicken, das auch nach vielen Stunden im Sattel noch besten Fahrkomfort verspricht.
Pünktlich zum Test hatten wir dann Langstreckenkandidaten von A wie Assos bis V wie Velocio auf dem Tisch liegen, zu Preisen ab 90 Euro (Frauenmodell von Protective) bis 290 Euro (Assos). Dass sich die aktuellen Modelle enorm von den oft labberigen Pellen früherer Tage unterscheiden, wurde bereits bei der ersten Anprobe klar.
Vielleicht erinnern sich manche noch an den Hosenstandard von vor wenigen Jahren: Schmale, klebrige Silikon-Beinabschlüsse drückten unangenehm auf die Muskulatur, reizten die Haut und rutschten dennoch hoch. Dünne Träger mit dicken Nähten rollten sich auf den Schultern zusammen. Und das Material der Hosen hatte schon mal die Spannkraft der Haut eines chinesischen Faltenhundes. Was zur Folge hatte, dass das Sitzpolster zwischen Sattel und Hintern wanderte, statt stützend und rutschfest unter den Sitzknochen zu liegen.
Dagegen sind aktuelle Rennradhosen wahre Luxusartikel. Selbst die günstigeren Modelle von Gonso, Protective oder Sportful sind mit nahtlosen Trägern ausgestattet, die sich bequem auf den Schultern breitmachen und den Druck großflächig verteilen, statt punktuell einzuschneiden. Auch die Spannkraft der Träger hat sich geändert und ist in der Regel ausreichend straff, um den Rest der Hose sauber in Position zu halten. Hier gibt es lediglich zwei Ausreißer: Die Hosenträger bei Gore könnten etwas mehr Spannkraft vertragen, zudem neigt das dünne Material zum Einrollen. Das andere Extrem markieren die Hosen von Sportful: Hier sitzen die Mesh-Träger so stramm, dass sie sich nur mit Nachdruck über die Schultern ziehen lassen.
Besonders gut aufgehoben fühlten sich die Testerinnen übrigens im Mesh-Body von Café du Cycliste. Die Franzosen umhüllen den kompletten Oberkörper mit luftigem Netzgewebe. Das wird dabei weder zu warm noch drückt es an Schultern oder Brust. Lediglich unter den Achseln und im Nacken könnte der Body etwas weiter ausgeschnitten sein. Ähnlich gut sitzen nur noch die Träger der Assos-Frauenhose. Sie laufen bequem seitlich an der Brust vorbei und halten die Hose durch den doppelten Ansatz überm Hintern perfekt in Position.
Die beiden trägerlosen Hosen von Protective und Löffler erleichtern die Pipipause, haben aber prinzipbedingt das Problem, dass der Bund umklappen und auf den Bauch drücken kann. Auch die Schnitte der Hosen haben sich über die Jahre verändert. Es findet sich keine Radhose mehr im Test, von deren Kauf wir tatsächlich abraten würden. Dennoch gibt es klare Unterschiede: Die preiswerteren Modelle wie Protective oder Sportful werden aus zahlreichen Stoffbahnen zusammengefügt und weisen daher viele Nähte auf, die im schlechtesten Fall irgendwann auf der Haut scheuern können. Hochpreisige Shorts wie die von Assos, Castelli oder Velocio bestehen im besten Fall aus gerade mal drei Stoffteilen. Dadurch reduzieren sich Nahtstellen auf ein Minimum. Auch die Abschlüsse werden hier nicht mehr separat an die Hosenbeine angesetzt, sondern sie laufen nahtlos aus – was Unterschiede in der Dehnbarkeit der Materialien und somit Druckstellen auf der Muskulatur effektiv unterbindet.
Beim Hosenpolster – dem eigentlich elementaren Bestandteil der Radhose – findet sich, bildhaft gesprochen, vom Plüschsofa bis zur Bierbank eine immense Bandbreite unterschiedlich dicker und harter Einsätze. Während Gelegenheitsfahrer gerne zum weichen “Sofakissen” greifen, das sich aber auf lange Sicht leicht durchsitzen kann, sollten Langstrecken-Radler lieber die straffere Polsterung wählen. Ihre Sitzknochen sind durch das regelmäßige Training an den Druck des Körpergewichts auf den Sattel in der Regel gut gewöhnt. Zudem birgt ein dünnes, eher festeres Polster weniger die Gefahr, dass Druckstellen im Damm- Bereich entstehen und dort Gefäße abgeschnürt werden. Passt dann auch noch die Polsterbreite zum Sitzknochenabstand, rollt man selbst nach vielen Stunden im Sattel noch ohne Schmerzen über die Ziellinie – zumindest am Po.
TOUR-Bewertung
Fazit: Die Assos sitzt erst im Sattel perfekt, das robuste Material liegt stramm an. Die breiten, straffen Träger laufen seitlich an der Brust vorbei, halten die Hose perfekt in Position, können aber an den Schultern drücken. Beinabschlüsse und der erhöhte Bund sind auf langen Fahrten komfortabel. Das Polster sitzt gut.
TOUR-Bewertung
Fazit: Mathilde überzeugt mit geschmeidigem Tragekomfort; Nähte und silikonlose Abschlüsse der Hosenbeine sind nicht spürbar. Im Mesh-Body fühlten sich alle Testerinnen gut verpackt, das Ausziehen bei der Pipipause ist aber umständlich. An Nacken und Achseln relativ eng. Das Polster ist gut platziert, jedoch zu weich.
TOUR-Bewertung
Fazit: An der trägerlosen Hose reflektieren die geschweißten Nähte und verbessern die Sichtbarkeit. Der Bund sitzt am Bauch schön hoch, neigt jedoch zum Umklappen, der Nierenbereich wird von einer Vliesschicht geschützt. Das etwas dickere Polster ist gut positioniert und druckstabil. Das Silikon an den Beinabschlüssen ziept etwas.
TOUR-Bewertung
Fazit: Auch bei dieser trägerlosen Hose rollt sich der Bund ein und drückt am Bauch. Ansonsten trägt sich die hoch geschnittene Hose angenehm und packt ihre Trägerin gut ein, ihr Material fühlt sich vollgeschwitzt aber etwas billig an. Nähte sind kaum zu spüren. Das Silikon der Abschlüsse drückt etwas, das schmale Polster ist unauffällig.
TOUR-Bewertung
Fazit: Die Hose fällt klein aus und zwingt fast in die Rennradhaltung. Ihre Träger sitzen stramm und rollen sich etwas ein, was Druckstellen verursachen kann. Das feste Material komprimiert ein wenig und fühlt sich leicht kratzig an. Die breiten Beinabschlüsse bieten Halt, das Sitzpolster fällt etwas weich aus und sitzt gut.
TOUR-Bewertung
Fazit: Die Träger laufen über der Brust, drücken aber nicht. Beschwert haben sich Testerinnen über spürbare Nähte, etwa am Bauch, zudem wirft der Stoff Falten in der Hüftbeuge. Der Silikonprint am Hosenbund gibt wenig Halt. Das mitteldicke Polster fühlt sich dünn an und schmiegt sich unauffällig zwischen Po und Sattel.
TOUR-Bewertung
Fazit: Die Hose bietet einen Kompromiss aus Komfort und Kompression, die Bündchen mit Silikonpunkten sind nahtfrei, die am Rücken kreuzenden Träger halten das Polster optimal in Position, wobei es sich im Stand leicht windelig anfühlt. Sehr gut verarbeitet; mit Abstand die teuerste Hose im Test.
TOUR-Bewertung
Fazit: Die Hosenbeine mit nur einer Naht tragen sich sehr komfortabel und werden von Bündchen mit Silikon fest in Position gehalten. Ungewöhnlich schmal ist das Sitzpolster, das in Aktion schon mal verrutschen kann und lediglich bei schmalen Sitzknochen effektiv dämpft. Stören können die Hosenträgernähte.
TOUR-Bewertung
Fazit: Das Material ist dünn, straff und kommt mit wenigen Nähten aus, der Schnitt ist rennmäßig. Gummierte Bündchen und straffe Hosenträger, die sich aber einrollen, halten die Hose mitsamt schmalem und gut platziertem Polster gut in Position. Bei kräftigen Oberschenkeln können Falten in der Hüftbeuge stören.
TOUR-Bewertung
Fazit: Die Hose fällt normal aus, die Bündchen können bei kräftigen Schenkeln etwas kneifen, das Material vorne ist elastisch und trägt sich komfortabel, wobei der Bund so viel Halt bietet, dass die Träger lasch wirken. Das Polster sitzt gut, wirkt insgesamt jedoch etwas unflexibel, und die Nähte tragen etwas auf.
TOUR-Bewertung
Fazit: Made in Germany zum fairen Preis, Polster und Schnitt lassen sich im Konfigurator individuell anpassen, wobei die kleinen Polster kaum Positionswechsel im Sattel erlauben. Die sehr leichte Hose sitzt eng und geschmeidig. Trotz kleiner Silikon-Punkte neigen die Hosenbeine zum Hochrutschen.
TOUR-Bewertung
Fazit: Preis-Leistungs-Tipp. Das dünne, straffe Polster der Hose aus einer Kooperation mit den Spezialisten von SQlab bleibt selbst auf längsten Strecken druckstabil, verlangt jedoch harte Sitzknochen. Der Stoff ist elastisch, kratzt aber ein wenig. Die nahtlosen Träger sind ausreichend straff und halten die Hose sicher.
TOUR-Bewertung
Fazit: Angenehm weiches Material mit wenigen Nähten; die Hosenbeine passen kräftigen Oberschenkeln am besten, die Träger könnten etwas mehr Spannkraft vertragen. Das Polster ist hart und dünn und bleibt auch unter schweren Piloten formstabil. Windstopper im Schritt schützt vor dem Auskühlen.
TOUR-Bewertung
Fazit: Wasserabweisende sowie keramische Beschichtung machen die Hose robust, aber auch sehr straff, weshalb eine Nummer größer die richtige Wahl ist. Beinabschlüsse und Träger sind nahtlos gefertigt und sitzen fest. Das dünne Polster ist nicht besonders druckstabil. Praktische Rückentasche.
TOUR-Bewertung
Fazit: Die Hose fühlt sich bezüglich Materialwahl, Schnitt und Tragekomfort nicht so hochwertig an wie die Konkurrenz. Das Polster fällt extrem schmal aus und passt nur schlanken Typen. Störend auf langen Touren ist der Faltenwurf in der Hüftbeuge. Nur Gonso ist noch günstiger.
TOUR-Bewertung
Fazit: Die Hose schmiegt sich sehr eng an und sollte eine Nummer größer gekauft werden. Die Nähte sind teils spürbar; die Meshbündchen sind luftig und halten die Hosenbeine straff. Die Hosenträger, ebenfalls aus Meshmaterial, rollen sich schnell ein. Das weiche Polster ist nicht besonders formstabil.
TOUR-Bewertung
Fazit: Das Alleinstellungsmerkmal der SQlab ist ihr 4 Millimeter dünnes, straffes Polster, das immer formstabil bleibt und vor allem Piloten mit trainiertem Sitzfleisch taugt. Ansonsten ist die hochwertig gemachte Hose normal geschnitten – mit nahtlosen, breiten Beinabschlüssen und komfortablen Trägern.
TOUR-Bewertung
Fazit: Das Material schmiegt sich weich an, ist jedoch nicht sehr robust. Nähte sind kaum zu spüren, auch die spannkräftigen Träger verlaufen ohne spürbare Druckstellen. Das Polster ist gut platziert, mittelbreit und mittelhart und bietet Platz für Positionswechsel. In mehreren Farben erhältlich.
TOUR: Im Vergleich zur Konkurrenz verwendet SQlab ein extrem dünnes und straffes Polster bei Radhosen. Wo liegt der Vorteil?
Holz: So gut wie alle Hosenpolster sind zwischen 12 und 16 Millimeter dick und lassen sich mit nur zwei Fingern meist schon komplett komprimieren. Unser Hosenpolster behält den Komfort und erhält die Funktion des straffen Sattels. Nachdem wir je nach Modell nur vier bis acht Millimeter Polster verwenden, ist bei uns die Härte so gewählt, dass das Polster den Fahrer trägt und nicht sofort komplett komprimiert wird. Das dünne, straffe Polster saugt sich auch nicht so stark mit Nässe und Schweiß voll, es ist somit hygienischer.
TOUR: Wie wichtig ist das Zusammenspiel aus Radhose und Sattel?
Holz: Der Sattel gibt die Form vor, das Polster passt sich lediglich daran an, ist aber eine sehr wichtige und entscheidende Schnittstelle. Das Hosenpolster kann, im Gegensatz zum Sattel, die durch die Tretbewegung hervorgerufene leichte Bewegung und die daraus resultierenden Scherkräfte aufnehmen.
Dicke Polster drücken am Damm
TOUR: Und wenn das Polster nicht zum Fahrer passt?
Holz: Häufig wandern weiche, dicke Polster durch die Tretbewegung nach innen. Direkt unter dem Dammbereich entsteht dann eine Polsteransammlung, die den Blutfluss stark einschränken kann. Wir haben dazu kürzlich eine Studie durchgeführt, bei der wir die Sauerstoffversorgung des Penis während des Fahrradfahrens gemessen haben. Wie zu erwarten war, dichtet ein weiches Material auch den Blutfluss sehr stark ab. Taubheitsgefühle mit all ihren negativen Begleiterscheinungen sind die Folge.
TOUR: Wie sieht das ideale Sitz-Set-up der Radhose für die Langstrecke, für viele Stunden im Sattel aus?
Holz: Der Sattel muss zum Sitzknochenabstand passen. Der Dammbereich muss nicht bei null Druck, aber ordentlich entlastet sein - und zwar über die gesamte Breite des Sattels. Sitzcreme kann helfen und ist insbesondere bei Marathons sowie Etappen- und 24-Stunden-Rennen unverzichtbar. Wer gut schmiert, der fährt auch gut.