Unbekannt
· 10.10.2016
Radfahren kann fast jede – aber ein paar Tricks vom Profi können helfen, damit auch Sie sicherer und sportlicher unterwegs sind. Marianne Vos zeigt die wichtigsten Manöver fürs Rennradfahren.
Marianne Vos ist eine der erfolgreichsten Athletinnen in der Geschichte des Frauenradsports: Die Niederländerin gewann 2006 als 19-Jährige ihren ersten WM-Titel bei den Profis. Sie ist Olympiasiegerin im Straßenrennen und auf der Bahn sowie 13-malige Weltmeisterin auf Bahn, Straße und Querfeldein. Und sie ist eine der besten Steuerkünstlerinnen im Peloton der Frauen - wie ihre sieben Weltmeistertitel im Cyclocross eindrucksvoll beweisen.
So kommen Sie mit dem Tipps von Marianne Vos sicher um die Kurve und meistern auch andere Manöver mit Bravour:
RICHTIG KURVEN FAHREN
Eigentlich ganz einfach: Kurven fahren. Marianne Vos zeigt die ideale Linie – die "Trainingslinie", die anders als die "Rennlinie" Rücksicht auf den öffentlichen Straßenverkehr nimmt. Im Rennen würde sie bis zum inneren Rand der Kurve ziehen. Doch Vorsicht vor Gegenverkehr!
Gebremst wird nur vor der Kurve. Das Tempo sollte bei der Einfahrt in die Kurve so sein, dass man während der gesamten Kurvendurchfahrt nicht mehr bremsen muss.
Dabei ins Kurveninnere blicken – und zwar nicht nach unten, sondern so weit voraus wie möglich! Man steuert weniger mit dem Lenker, sondern durch Verlagerung des Körpergewichts. Das kurveninnere Pedal ist oben, das kurvenäußere Bein durchgestreckt; Bein und Kurbel bilden eine Linie – so wird die Kraft über das Pedal auf den Boden gebracht. Man sollte neutral und mittig auf dem Sattel sitzen und dabei genug Druck aufs Vorderrad bringen. Eine Kehre wird in weitem Bogen von möglichst weit außen nach innen durchfahren. Man wählt die Linie so, dass man kurz nach dem Scheitelpunkt der Kurve den kurveninnersten Punkt durchfährt (bei uns die Mittellinie.
Achtung: Es gilt meist Rechtsfahrgebot!). Danach lässt man sich von der Fliehkraft wieder zum kurvenäußeren Rand tragen. In der Kurve nicht bremsen. Als Grundregel gilt: Man fährt langsamer in die Kurve hinein als heraus. Vor der Kurve sollte man den richtigen Gang gewählt haben, um aus der Kehre heraus antreten zu können.
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WENDEN AUF ENGEM RAUM
Für viele Fahranfänger schwierig: Wenden auf engem Raum. Marianne Vos zeigt, dass man auf glattem, festen Untergrund nicht einmal eine Fahrradlänge Wegbreite braucht.
Angefahren wird sehr langsam – in der Position, die auch den Stehversuch (siehe unten) einleitet. Man steht in den Pedalen und schlägt den Lenker stark in die Richtung ein, in die man wenden will. Den Kopf dreht man über die Schulter und blickt in die Richtung, in die man weiterfahren will.
Das kurveninnere Pedal steht vorne und leicht nach oben gerichtet, um das Einlenken und Anfahren zu unterstützen. Das Hinterrad bleibt während des gesamten Manövers fast an der gleichen Stelle.
Über ein Balancespiel aus Druck auf das kurveninnere Pedal und Entlastung, sowie leichtes Rücktreten durch Druck auf das hintere Pedal stabilisiert man die Position und bewegt sich zugleich langsam vorwärts, ohne die Pedalstellung stark zu verändern.
Ist man in der gewünschten Fahrtrichtung angelangt, nimmt man wieder Fahrt auf – und es kann weitergehen. Klappt noch nicht so? Übungen wie beim Stehversuch (siehe unten) helfen, ein Gefühl für die Balance bei sehr langsamer Fahrt zu bekommen.
Tipp für Anfänger: Man kann das auch mit Turnschuhen statt mit Radschuhen und Klickpedalen üben.
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DER WIEGETRITT – die Basis fürs Sprinten und dynamische Bergauffahren
Der Wiegetritt ist eine wichtige Basis-Fahrtechnik: Das dynamische Fahren im Stehen braucht man fürs Bergauffahren ebenso wie für den Sprint. Durch das Aufstehen wird das Körpergewicht als zusätzliche Kraftquelle genutzt. Vor dem Wechsel in den Wiegetritt schaltet man deshalb einen Gang hoch, die Hände greifen zu den Bremsgriffen, um den Lenker sicher zu packen.
Den Oberkörper hält man möglichst ruhig, Rad und Körper bewegen sich in einem harmonisch fließenden Zusammenspiel: Mit dem Druck auf das rechte Pedal und Zug des linken Arms wird das Rad auf die linke Seite gelegt. Arm und Bein bauen kurzzeitig einen Spannungsbogen auf, die Armkraft wirkt der Beinkraft entgegen.
Dann wird der Druck auf das linke Pedal verlagert, der rechte Arm zieht, das Rad wird nach rechts gekippt. Das Wechselspiel von links nach rechts sollte harmonisch und spielerisch erfolgen, die Bewegungen sollten nicht übertrieben groß sein. Die ideale Fahrlinie ist möglichst gerade, um keine Meter zu verlieren.
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ACHTUNG, VOLLBREMSUNG!
Eine der wichtigsten Übungen, vor allem am Anfang: richtig und kraftvoll bremsen lernen! Rennradbremsen bieten die beste Performance, wenn man im unteren Lenkerbogen greift – das ist der sicherste Griff! Man hat dann einen langen Hebelweg zur Verfügung und kann die Bremse mit wenig Kraft fein dosieren. Je zwei Finger am Bremshebel genügen für die Kraftübertragung. Mit dem Rest der Hand umfasst man den Lenker.
Grundregel: Vorder- und Hinterradbremse benutzt man gleichmäßig! Wer nur hinten bremst, bekommt kaum Bremswirkung auf die Straße. Wer vorne zu stark bremst, steigt über den Lenker ab! Das Blockieren der Räder sollten Sie vermeiden. Man leitet den Bremsvorgang in neutraler Sitzposition ein. Bei einer harten Bremsung schiebt man den Lenker mit den Armen nach vorne und verlagert so das Gewicht nach hinten. So bekommt man mehr Gewicht und Traktion aufs Hinterrad.
Wichtig: Man sollte niemals in einer Kurve bremsen! Bei Nässe muss man den Bremsvorgang früher einleiten als bei trockenen Bedingungen. Das gilt besonders für Felgen mit Carbonflanken, die bei Nässe schlechter bremsen als solche mit Alu-Flanken.
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STEHVERSUCH
Eine Übung für Fortgeschrittene: der Stehversuch. Je besser man ihn beherrscht, desto sicherer fühlt man sich beim langsam Fahren. Ausklicken an der Ampel? Für Könner nicht mehr nötig! Am besten man sucht sich für den Anfang eine ganz leicht ansteigende Fahrbahn. Die Kurbeln stehen waagerecht, der Körperschwerpunkt liegt über den Pedalen. Man wählt einen leichten Gang. Dann schlägt man den Lenker stehend in Bremsgriffhaltung in eine beliebige Richtung ein. Das kurveninnere Pedal steht vorne und leicht nach oben gerichtet – man spielt mit dem Pedaldruck. Knie und Rumpf balancieren und stabilisieren. Tipp: Auch diese Übung ist anfangs mit Turnschuhen sicherer.
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FÜR ÜBERFLIEGER: BUNNY-HOP – Springen über Hindernisse
Ein sauber gesprungener Bunny-Hop (Springen wie ein Hase) ist eine Übung für Könner. Anfänger sollten sich zum Üben eine kleine leere Pappschachtel oder einen Schaumstoffblock in den Weg legen. Marianne Vos zeigt die Übung an einem Hindernis, das keinen Fehler verzeiht. Voraussetzung fürs Gelingen: eine hohe Anfahrtsgeschwindigkeit. Die Kurbeln stehen vor dem Absprung waagerecht zum Boden. Man drückt das Körpergewicht in Bremsgriffhaltung in den Lenker, Ellbogen und Knie sind angewinkelt ...
... dann schnellt man nach oben, indem man Arme und Beine streckt und am Lenker zieht. Anfänger ziehen oft über die Pedale das Hinterrad nach, das ist bei einem richtigen Bunny-Hop aber gar nicht notwendig. Könner beherrschen das Manöver auch ohne Klickpedale.
Das dynamische Moment kommt aus dem Oberkörper. In der Luft werden Arme und Beine wieder angewinkelt, das zieht das Rad noch weiter nach oben. Über die Griffhaltung dreht man das Rad dann quasi am Lenker um die Tretlagerachse wieder nach unten.
Das richtige Timing ist entscheidend! Vor der Landung sollte das Rad waagerecht in der Luft stehen, damit Vorder- und Hinterrad den Boden gleichzeitig wieder berühren.
Über die Beugung von Ellbogen und Knie wird die Landung abgefedert, geben Sie beim Aufkommen leicht in den Knien nach.
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