Unbekannt
· 10.11.2006
Regenerieren? Ja schon, aber... lautet die zögerliche Antwort der meisten Radsportler auf diese Frage. Dabei ist die richtige Mischung aus Belastung und Erholung ein essenzieller Faktor für alle, die ihre Leistung steigern wollen.
Wer seine Leistungen auf dem Rennrad stetig verbessern will, der muss vor allem eines tun: richtig regenerieren. Leider stellt für viele Radsportler dieser Satz immer noch ein Paradoxon dar. Sie trainieren zu viel, zu schnell und zu intensiv. Und sind frustriert, wenn sich „trotz des Fleißes“ der Erfolg nicht einstellen will. Aber warum fällt es vielen Radsportlern so schwer, Pause zu machen? „Weil sie noch nicht das richtige Bewusstsein haben, wie wichtig das für ihre positive Leistungsentwicklung ist", sagt Christof Weiß, Trainer der European Bike Academy im bayerischen Übersee.
Um dieses Bewusstsein zu stärken, muss man zunächst verstehen, was im Körper während des Regenerationsprozesses passiert: Schon beim Ausrollen werden die ersten regenerativen Prozesse im Körper eingeleitet. Herz- und Atemfrequenz sinken, die Kreatinspeicher werden aufgefüllt. Durch die fortdauernde Durchblutung wird die Muskulatur lockerer, die Muskelspannung lässt nach, Laktat wird abgebaut. Bis etwa sechs Stunden nach der Belastung gleicht sich der Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt aus, Muskel und Leberglykogen wird aufgefüllt. Einige Tage bis mehrere Wochen kann es dauern, bis der Körper durch das Training beschädigte Mitochondrien wieder aufgebaut hat, die für die Energiegewinnung in den Zellen zuständig sind. Auch das Immunsystem und die Psyche brauchen Zeit, um sich komplett zu erholen.
Ausreichend Schlaf, kohlenhydratreiche Ernährung, Massagen, Dehn- und Lockerungsübungen begünstigen die Regeneration. Auch Kompensationstraining kann die Regeneration beschleunigen, es sollte aber maximal 45 Minuten und mit niedriger Intensität (50 bis 60 Prozent der maximalen Herzfrequenz) gefahren werden. Hoch trainierte Radler regenerieren schneller als Hobbyfahrer, da ihr Körper an den ständigen Wechsel von Be- und Entlastung gewöhnt ist. Sie können sich ein deutlich höheres Belastungs-Entlastungsverhältnis zumuten.
SINNVOLLER TRAININGSAUFBAU
Um bei der nächsten Trainingseinheit die geforderten Leistungen besser bewältigen zu können, passt sich der Körper an. Diese Anpassungsprozesse an den Trainingsreiz erfolgen in der Regenerationsphase. Das bedeutet, dass nur derjenige einen stetigen und langfristigen Trainingserfolg erzielen kann, der Trainings- und Regenerationsphasen richtig aufeinander abstimmt. In der Trainingswissenschaft teilt man deshalb die Trainingsabschnitte in Mikro- (eine Woche) Meso- (ein Monat) und Makrozyklen (mehrere Monate) ein. Sinn dieser Zyklisierung ist es, Training und Regeneration perfekt aneinander anzupassen. Die Zyklen bauen aufeinander auf: Innerhalb einer Trainingswoche gibt es Belastungs- und Entlastungstage, innerhalb eines Trainingsmonates Belastungs- und Entlastungswochen.
Je nach Trainingszustand variiert das Verhältnis von Be- zu Entlastung enorm. Bei Anfängern sollte auf jeden Trainingstag ein Tag Pause folgen, nach längeren Einheiten sogar zwei Ruhetage. Bei am bitionierten Radsportlern hat sich ein Belastungsverhältnis von 2:1 oder 3:1 bewährt, das bedeutet, auf zwei bis drei Tage Training folgt ein Regenerationstag. Profis steigern das Belastungsverhältnis auf bis zu 6:1, gönnen sich also nur einen Ruhetag pro Woche. Wichtig ist es, die Belastung an den Trainings tagen zu steigern, sie am Regenerationstag zu verarbeiten und dann den nächsten Belastungsabschnitt auf einem höheren Niveau zu beginnen.
Nach dem Prinzip der richtigen Zusammensetzung von Be- und Entlastung ist auch das Trainingsjahr aufgebaut, in diesem Fall sagt man Periodisierung. Niemand kann das ganze Jahr Topleistungen bringen. Daher wird das Jahrestraining in mehrere Vorbereitungsperioden, eine Wettkampfperiode und eine Übergangsperiode unterteilt. Letztere spielt bei der Regeneration nach einem harten Wettkampfjahr eine entscheidende Rolle. In diesen Wochen – in der Regel sind es vier bis sechs – können Körper und Kopf eine Auszeit vom Radsport nehmen, es wird kaum oder nur spielerisch mit kurzen Belastungszeiten und geringer Intensität trainiert. Danach hat man neue Kraft und Motivation für den Start in die nächste Vorbereitung.
Je nach Belastung variiert die Regeneration: Nach einem Radmarathon muss man sich anders erholen als nach einem Kriteriumsrennen. Bei langen, intensiven Belastungen braucht der Körper länger, um zu regenerieren; hier sind einige Tage trainingsfrei (nur passive Erholung durch Schlaf, Sauna, Massagen etc.) angebracht, danach kann man mit leichtem Regenerationstraining beginnen. Nach harten aber kurzen Wettkämpfen erholt sich der Körper deutlich schneller, die Regeneration kann durch aktive Erholung (Regenerationstraining) unterstützt und vorangetrieben werden. Richtiges Regenerieren ist also ein entscheidender leistungsbestimmender Faktor im Radtraining. Wer sich traut, auch mal einen Gang rauszunehmen und dem Körper Zeit zu geben, die gesetzten Reize zu verkraften wird die positive Rechnung dafür präsentiert bekommen – im nächsten Rennen.
AKKU LEER? SOLANGE DAUERT DIE ERHOLUNG
FÜNF TIPPS FÜR DEN PAUSEN-PLAN
1. Führen Sie ein genaues Trainingstagebuch – dann sehen Sie schwarz auf weiß, was Sie geleistet haben und wann Sie einen Regenerationstag brauchen.
2. Nutzen Sie die Regenerationstage, um Dinge zu tun, für die Sie sonst weniger Zeit haben – zum Beispiel einen Familienspaziergang oder Kinobesuch – das schont den Körper und macht den Kopf frei.
3. Versuchen Sie, Ihre Regenerationstage auch mit Ihrem Arbeitsalltag zu vereinbaren – machen Sie trainingsfrei, wenn Sie viel zu tun haben, so haben Sie weniger das Gefühl, etwas zu verpassen.
4. Gestalten Sie Ihre Regenerationstage abwechslungsreich, nutzen Sie verschiedene Möglichkeiten, sich zu erholen (Massage, Sauna, Entspannungsübungen).
5. Hören Sie auf Ihren Körper. Wenn Sie das Gefühl haben, einen Tag Ruhe zu brauchen, machen Sie frei – halten Sie sich nicht sklavisch an den Trainingsplan, wenn Sie sich müde fühlen.
RICHTIG REGENERIEREN: SO GEHT'S
• Legen Sie intensive Trainingsphasen möglichst so, dass Sie nicht mit Stressphasen im Beruf kollidieren. Zu viel auf einmal verkraftet der gesündeste Körper nicht.
• Wenn Sie Pause machen, dann richtig. Die Regeneration kann bis zu einer ganzen Woche dauern.
• Legen Sie eine solche Regenerationswoche frühzeitig, also möglichst direkt nach intensiver Belastung ein, damit der Körper vor Übertraining bewahrt wird.
• Je nachdem, wie die Trainingswochen vor der Pause waren, kann die Erholung von aktiver Regeneration bis zur vollständigen Pause reichen. Die aktive Erholung richtet sich nach dem Leistungsstand. Mehr als ein bis zwei Stunden im unteren Fettstoffwechselbereich sollte man aber nicht überschreiten.
• Nach harten Trainingseinheiten, -wochen und Wettkämpfen ist aktive Erholung am darauffolgenden Tag empfehlenswert, erst danach sollte man vollständig pausieren. Es gilt: Lieber einen Tag länger nicht trainieren, als zu kurz Pause machen.
• Die Ernährung ist wichtig. Teigwaren sollte man wenig oder gar nicht zu sich nehmen. Sie wandeln sich zu schnell in unnötige Fettreserven um. Besser: Omega-3-Fettsäuren, zum Beispiel in pflanzlichen Ölen, hochwertige Eiweiße in Form von Fisch oder Steak und vitaminreiche Kost, also Obst und Gemüse.
• Schlafen Sie möglichst viel (acht oder neun Stunden). Massagen und Stretching mehrmals pro Woche können die Regeneration unterstützen.
• Beenden Sie die Erholungswoche mit leichtem Training (eine, zwei Stunden). Die neue Trainingsphase startet dann mit längeren Grundlagenausdauer-Einheiten.