Unbekannt
· 03.12.2018
Viele Rennradfahrer klagen über taube schmerzende Füße. Wir zeigen Ihnen die besten Experten-Tipps gegen Fußschmerzen.
Füße sind beim Radfahren ebenso wichtig wie beim Laufen. Denn sie bilden die entscheidende der drei Kontaktstellen vom Fahrer zum Rennrad – über diese Verbindung wird der Vortrieb erzeugt. Das Problem: Der Fuß ist nicht dazu gemacht, Rad zu fahren.
Fußgewölbe: Stabilität trainieren
Der Fuß ist vielmehr aufs Gehen und Laufen ausgerichtet, kann sich mit seinen 26 Knochen und dem robusten Bindegewebe an der Sohle „ideal den Unebenheiten des Bodens anpassen“, sagt Dr. Christian Merkl, Orthopäde und TOUR-Experte. Das flexible Fußgewölbe dämpft den Aufprall beim Gehen und wirkt, wenn sich der Fuß vom Boden abstößt, wie eine Feder zum Beschleunigen. „Und diese beim Laufen wünschenswerte Eigenschaft stört beim Radfahren“, so Dr. Merkl. „Der Fuß ist fest mit dem Pedal verbunden, muss keinen Aufprall abfedern, sondern konstanten Druck aushalten.“ Das Fußgewölbe kann nicht wie gewohnt arbeiten, es sackt im Radschuh zusammen, die Füße reiben an der Sohle und beginnen zu brennen. Helfen kann es schon, die Wadenmuskeln regelmäßig zu dehnen und die vordere Schienbeinmuskulatur zu kräftigen. Diese ist dafür verantwortlich, dass das Fußgewölbe stabil bleibt. Mit gut gedehnten und gekräftigten Muskeln arbeitet das Fußgelenk besser, der Tritt wird effizienter.
Spielraum im Schuh und bei der Pedaleinstellung
Wichtig ist auch, den Füßen mehr Bewegungsfreiheit zu lassen: Manche Pedale, beispielsweise von Speedplay, bieten mehr Spielraum zur Variierung der Fußstellung als andere Modelle. Auch im Schuh sollte etwas mehr Platz sein. Klar, Rennradschuhe müssen eng genug sitzen, damit man die Kraft optimal aufs Pedal bringen kann. „Doch sie dürfen nicht so eng sein, dass die Zehen gequetscht werden“, so Merkl. Daher sollte man dünne Socken tragen, um den Raum im Radschuh nicht noch mehr zu verknappen.
Taube, eingeschlafene Füße sind ebenfalls häufig eine Folge zu enger Radschuhe. Da lohnt es sich durchaus, es mit einem anderen Modell zu versuchen: etwas weiter geschnitten, mit weniger steifer Sohle. Denn so sinnvoll ultraleichte, schmale Profischuhe mit steifer Carbonsohle für die maximale Kraftübertragung sind – sie nützen nichts, wenn kein Blut mehr in die Füße dringt und man vor Schmerzen nicht mehr fahren kann.
Dass diese Erkenntnis allerdings noch nicht zu allen Radfahrern durchgedrungen ist, weiß Sebastian Maag von Specialized – er schult Radhändler nach dem „Body Geometry“-Konzept, das der amerikanische Arzt Dr. Andrew Pruitt entwickelt hat. Die Idee: Das Rad soll an den Menschen angepasst werden und nicht anders herum. Der Fuß spielt dabei eine zentrale Rolle. „Das Thema ‚Komfort am Fuß‘ ist für viele Fahrer negativ besetzt“, erzählt Maag. „Sie können Komfort nicht mit hoher Effizienz und guter Kraftübertragung in Einklang bringen, haben lieber Schmerzen als vermeintlich langsamer zu werden.“
Richtig eingestellt?
Manche Schmerzen lassen sich auch dadurch vermeiden, dass Sitzposition und Schuhplatten richtig eingestellt sind. Ist das nicht der Fall, kann die Fehlbelastung durch Tretbewegungen chronische Schmerzen verur sachen, die vom Fuß über das Knie bis in den Rücken wandern können. Am stärksten ist in der Regel der Fußballen belastet, also die Haupt-Kontaktstelle zum Pedal. „Daher muss der Fußballen genau über der Pedalachse stehen“, sagt Dr. Merkl. Sind die Schuhplatten richtig eingestellt, sollte die Achse Pedal-Knie- Hüftgelenk (von vorne oder hinten betrachtet) eine Linie bilden – also keiner der drei Punkte sollte nach innen oder außen abweichen.
Besonders problematisch wird es, wenn zu der ungeeigneten Belastung des Fußes im Rennradschuh orthopädische Fehlstellungen hinzukommen. Eine schiefe Hüfte, unterschiedlich lange Beine, Varus- oder Valgus-Stellung der Beine (also O-oder X-Beine) vergrößern oft Probleme und Schmerzen. „Bei diesen Fehlstellungen ist der Druck im Radschuh ungleichmäßig verteilt – das kann schmerzhaft werden“, so Merkl. „Hohlfüße müssen dem gleichen Druck auf bis zu 50 Prozent weniger Fläche standhalten – das führt zwangsläufig zu Überbelastungen.“
Einlagen helfen
Wer schon vieles ausprobiert und dennoch Schmerzen hat, dem können spezielle Schuheinlagen helfen. Vier Hersteller versuchen sich bisher an diesem neuen Markt. Sie verfolgen dabei unterschiedliche Konzepte: Während Specialized und SQ-lab vorgefertigte Einlagen für drei verschiedenen Fußkategorien anbieten, lassen sich die Einlagen von Conform’able im Nachhinein anpassen. Die individuellste, aber teuerste Lösung hat GebioMized: Der Münsteraner Hersteller fertigt maßgeschneiderte Sohlen, für die er den Druck an den Füßen während des Fahrens auf der Rolle misst. Vorteil der vorgefertigten Sohlen ist der geringere Preis. Allerdings sind die teureren Sohlen passgenauer, Fahrer mit ernsthaften Fußproblemen dürften damit besser klarkommen.
Einig sind sich alle Hersteller darin, was die Sohlen bewirken sollen: mehr Komfort. Das unterstützt auch Dr. Merkl: „Rennradschuhe sind so minimalistisch aufgebaut, da sind spezielle Schuheinlagen durchaus sinnvoll.“ Eine bessere Kraftübertragung und damit verbundene Leistungssteigerungen sind wohl marginal – Studien dazu gibt es nicht. Wenn Einlegesohlen Radlern mit Fußbeschwerden aber dabei helfen, länger beschwerdefrei Rennrad zu fahren, lohnt sich die Investition mit Sicherheit.