Unbekannt
· 20.11.2014
Das Bindegewebe spielte lange keine Rolle für die Medizin. Heute weiß man jedoch, wie wichtig die Faszien, die den Körper wie ein Netz umhüllen, für alle Bewegungen sind. Wir zeigen Ihnen, wie Sie sie pfleglich behandeln – und dadurch sogar besser Rad fahren – inklusive Stretching-Übungen.
Hatte man früher mal Rückenschmerzen oder ein Ziehen in den Beinen, dachte man, die Muskeln wären verspannt oder überanstrengt. Oder die Bandscheiben hätten vielleicht den Ischiasnerv eingeklemmt. Heute weiß man, dass Schmerzen nicht nur von Muskeln, Knochen oder Organen ausgehen, sondern weitaus häufiger vom Bindegewebe, den sogenannten Faszien. Zu diesen gehört hauptsächlich ein weißes Netzwerk aus Kollagenfasern, das den ganzen Körper durchzieht. Die eiweißartigen Strukturen umhüllen alle Organe und Muskeln, stützen und verbinden sie miteinander. Erst durch die Faszien können die Muskeln ihre Kraft übertragen. Ohne sie wäre der Körper "ein Klumpen, der platt am Boden liegt", sagt Dr. Christian Merkl, Orthopäde und seit vielen Jahren TOUR-Experte.
Die Erkenntnis, wie wichtig die Faszien für reibungslose Bewegungsabläufe sind, noch gar nicht so alt: "Im Anatomie-Kurs haben wir das Bindegewebe immer möglichst schnell weggeschnitten, um zu den vermeintlich wichtigeren Muskeln vorzudringen", erinnert sich Dr. Merkl an sein Studium. Schließlich treten die Faszien ja auch beim Röntgen, der klassischen Untersuchungsmethode des Orthopäden, gar nicht in Erscheinung. So galten sie lange als reines Verpackungsmaterial ohne nennenswerte Funktion "Den Faszien haben wir gar keine Beachtung geschenkt – was für ein Fehler!", sagt Dr. Merkl.
Das Nervenkostüm der Muskeln
Heute weiß man, dass in den Faszien 80-mal mehr Schmerzrezeptoren sitzen als in den Muskeln – sie sind quasi das Nervenkostüm der Muskeln. Daher vermuten einige Forscher sogar, dass etwa die meisten Rückenschmerzen hier ihre Ursache haben. Vor allem die sogenannte Lumbalfaszie spielt eine – im Wortsinn – tragende Rolle: Sie grenzt als ledrige Schicht die Rückenstreckmuskulatur und Haut voneinander ab und übernimmt einen Teil der Haltearbeit, gerade beim Radfahren.
Der Orthopäde Dr. Merkl hat sich zum diplomierten Osteopathen ausbilden lassen. "Seit ich mich mit dieser Methode beschäftige, wende ich sie bei vielen meiner Schmerzpatienten an", sagt er. Wo er früher vor allem Schmerzmittel und Spritzen verwendet habe, deren Wirkung meist nicht lange anhalte, könne er heute "ertasten, wenn eine Verhärtung, Verklebung oder Verdrehung der Faszien vorliegt." Mit manuellen Griffen könne man diese wieder in die korrekte Lage und Funktion bringen – "dadurch können sich Schmerzen schon nach wenigen Behandlungen verringern", berichtet er.
Lange Bahnen durch den Körper
Warum gängige Dehnübungen nicht ausreichen, sondern am besten mit Drehungen kombiniert werden sollten, begründet er damit, dass "eben nicht nur ein Muskel, sondern zum Beispiel eine ganze myofasziale
Linie gedehnt und bearbeitet wird." Bei diesen Linien handelt es sich um funktionelle Ketten, die sich beim Zusammenspiel von Muskeln und Faszien ergeben. Sie durchlaufen den gesamten Körper in langen Bahnen von oben nach unten. Der amerikanische Faszienforscher Thomas W. Myers beschreibt sie in seinem Standardwerk "Anatomy Trains". Darin vergleicht er sie mit Schienen oder Eisenbahnlinien – daher auch die Bezeichnung als "Trains" (Züge) –, die koordiniert zusammenarbeiten sollten.
Den gesamten Artikel mit effektiven Stretching-Übungen finden Sie unten im PDF-Download - die Übungen können Sie während der Wintermonate hervorragend zuhause machen.
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