Anja Reiter
· 01.08.2022
Covid-19 trifft auch Radsportlerinnen und Radsportler. Wie lange sollte man mit Sport nach einer Corona-Infektion warten - und was tun bei Long-Covid-Symptomen?
Atemschwierigkeiten, Brustschmerzen, Unwohlsein: Vier Wochen hatte Lizzy Banks, Profirennfahrerin beim World-Tour-Team EF Education-Tibco-SVB, aufgrund ihrer Corona-Infektion pausiert. Eine Magnetresonanztomografie (MRT) nach dem Eintagesrennen “Quer durch Flandern” zeigte schließlich, dass sich in ihrem Herzbeutel immer noch Flüssigkeit befand, genauso wie in ihrer Lunge.
Die Diagnose: Perikarditis - eine Herzbeutelentzündung. Je mehr Menschen sich mit Covid-19 anstecken, desto mehr lernen Forscher auch über die Auswirkungen des Virus auf Leistungssportler. Was sollten leistungsorientierte Hobbyradler nach einer Corona-Infektion beachten? Welche Rolle spielt der Impfstatus? Und wie lassen sich tückische Spätfolgen vermeiden?
Probleme nach einer Covid-Infektion tauchen meist nicht direkt nach dem Training auf, sondern mit ein bis zwei Tagen Verzögerung
Laut der Studie “Covid-19 im Spitzensport”, die vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft finanziert wurde, zählen Wettkampfsportler nicht zu den Risikogruppen, die bei einer Corona-Infektion häufiger mit einem schweren Verlauf rechnen müssen.
Dennoch ist Vorsicht angebracht, denn unterschätzte Folgeschäden können langfristige negative Effekte auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Sportlern haben. Prof. Dr. Martin Halle ist ärztlicher Direktor der Ambulanz für präventive Sportmedizin und Sportkardiologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Er empfiehlt allen Radsportlern nach einem positiven Corona-Test eine Trainingspause, selbst wenn sie symptomfrei sind.
Positiv getestet heißt, dass das Virus im Körper zirkuliert, nicht nur in der Schleimhaut, sondern auch im Gehirn, im Herzen und in der Muskulatur. Überall dort könne es zu einer Entzündungsreaktion kommen.
Wer asymptomatisch an Covid-19 erkrankt und weiter intensiv trainiert, setze sich nicht nur der Gefahr aus, den akuten Krankheitsverlauf negativ zu beeinflussen, sondern riskiere auch nachhaltige Schäden an den Organen. Über eine Entzündung der Mikrogefäße könne es zu Funktionseinschränkungen und Schäden unter anderem am Herzen, den Nieren, der Leber und dem Gehirn kommen. Eine Herzmuskelentzündung oder Infiltrationen der Lunge können die Folge sein.
Insbesondere für ungeimpfte Sportler gelte deshalb bei einem positiven Test ein Sportverbot.
“Wer geimpft ist und keine Symptome hat, darf ein wenig Stabilisations- und Krafttraining machen“, so Halle. Von Ausdauertraining, selbst im Grundlagenbereich, rate er bei einem positiven Test ab, auch bei asymptomatischem Verlauf.
Auch nach der Quarantäne müssen Sportler achtsam bleiben. Bei manchen Patienten verläuft die akute Corona-Infektion zwar vergleichsweise mild, dafür treten Wochen nach der Genesung neue Symptome auf. Plötzlich fällt das Atmen schwer, die Muskeln schmerzen, die Konzentration schwindet.
Dr. Jördis Frommhold kennt solche Geschichten. Sie ist Chefärztin der Abteilung für Atemwegserkrankungen an der Median-Klinik in Heiligendamm, einer der führenden Reha-Einrichtungen für Long-Covid-Patienten, und Autorin des Buchs “LongCovid. Die neue Volkskrankheit”. “Das Paradoxe an Long-Covid ist, dass es insbesondere auch sportliche Leistungsträger betreffen kann”, erklärt Frommhold.
Der Grund: Profis und auch ambitionierte Hobbysportler seien oft großem Druck ausgesetzt - von Trainern, Trainingspartnern oder Mannschaftskollegen - und würden sich deshalb zu wenig auskurieren.
Außerdem würden sich manche Sportler während der akuten Corona-Krankheitsphase eine falsche Atemtechnik antrainieren. Unbewusst ziehen sie beim Einatmen die Schultern hoch und wölben den Bauch nicht nach außen.
Ich empfehle allen Sportlern Atemübungen während der Akutphase, aber auch begleitend zum Trainingseinstieg.
Bei welchen Long-Covid-Warnsignalen sollten betroffene Rennradfahrer zum Arzt gehen? Weil die Beschwerden von Long-Covid so unterschiedlich sind - von Wortfindungsstörungen über Gelenkschmerzen bis zu Reizdarmsymptomatik -, sei die Krankheit schwer zu fassen. “Wenn sich die Symptome trotz Auskurieren nicht bessern, sollte man einen Arzt konsultieren”, so Frommhold.
Bleiben die Befunde von Herz-, Blut- und Lungenuntersuchung unauffällig, deutet dies auf Long-Covid hin. Gezieltes Atemtraining und Physiotherapie können die Lösung sein. “Wer gar nicht mehr an sein früheres Leistungsniveau herankommt, kann einen Antrag auf stationäre Unterbringung stellen.”
Selbst Ausdauertraining im Grundlagenbereich ist nach einem positiven Test wenig sinnvoll.
Martin Halle empfiehlt leistungsorientierten Rennradfahrern nach jeder Corona-Infektion einen Mini-Gesundheitscheck beim Arzt: Im Labor kann dieser die Entzündungswerte im Blut bestimmen und mittels eines Ruhe-EKG die elektrische Spannung des Herzens messen. “Wer besonders ambitioniert fährt, kann zusätzlich ein Herz-Ultraschall und einen Belastungstest machen.”
In jedem Fall solle man sich sachte an sein altes Trainingspensum und -niveau herantasten: “Bei 50 Prozent starten und langsam steigern”, sagt Frommhold. “Die Probleme tauchen meist nicht direkt nach dem Training auf, sondern mit ein bis zwei Tagen Verzögerung.”
Das gilt für Profis wie für Amateure. Lizzy Banks hat ihren vorschnellen Wiedereinstieg mit einem erneuten Rückschlag bezahlt: Um zwei bis vier Wochen müsse sie ihre Trainingspause verlängern, verkündete sie jüngst auf Instagram.