Unbekannt
· 23.04.2021
Intensives Rennradtraining ist gut fürs Herz – manchmal selbst nach einer Herz-Operation. Aber immer nur unter ärztlicher Betreuung, sagt der Kardiologe und Sportmediziner Dr. med. Thomas Kaspar, der in seiner Freiburger Praxis Hobby- und Leistungssportler betreut
TOUR Was macht Ausdauersport mit dem Herzen?
KASPAR Regelmäßiges Ausdauertraining ist immer sinnvoll für das Herz-Kreislauf-System. Es fördert die Durchblutung und stärkt den Herzmuskel. Ist man herzkrank, sollte man aber nur unter ärztlicher Kontrolle trainieren.
Entwickeln Ausdauersportler automatisch ein größeres Herz, das sogenannte Sportlerherz?
Nicht zwingend. Die Kombination aus maximalen Ausdauer- und Kraftbelastungen bewirken Anpassungsvorgänge am Herzen: Die Muskelmasse wächst, die Herzhöhlen vergrößern sich gleichmäßig. Aber dazu müssen Radfahrer zum Beispiel mindestens 150 Kilometer pro Woche über mehrere Jahre trainieren. Und nicht jeder Ausdauersportler entwickelt ein großes, muskelkräftiges Herz, selbst Profis nicht.
Großes Herz gleich starkes Herz?
Leider nicht. Ein Sportherz kann doppelt so groß wie ein normales Herz werden. Dadurch sinkt zum Beispiel der Ruhepuls. Ob solche physiologischen Anpassungsvorgänge unbedenklich sind oder durch eine Herzmuskelerkrankung verursacht sind, kann man letztlich nur durch kardiologische Untersuchungen feststellen: Abhören, EKG und Herzultraschall. Jeder leistungsorientierte Sportler sollte sich einmal pro Jahr vom Kardiologen durchchecken lassen. Ich sehe in meiner Praxis auch Athleten, bei denen wir angeborene Herzfehler feststellen – nach Jahren des Trainings.
Welche Herzprobleme treten bei Rennradfahrern besonders häufig auf?
Die Effekte von Sport sind grundsätzlich positiv. Ein gesundes Herz erträgt auch lange und intensive Belastungen wie beim Rennradtraining meist schadlos. Die häufigsten Herzerkrankungen bei jungen Radsportlern, die zum plötzlichen Herztod führen können, sind ein krankhaft verdickter Herzmuskel, auch hypertrophe Kardiomyopathie genannt, und gefährliche Herzrhythmusstörungen wie bei den angeborenen Ionenkanalerkrankungen. Bei Athleten über 35 sind Durchblutungsstörungen an den Herzkranzgefäßen, die auch einen akuten Herzinfarkt auslösen können, die Hauptursache. Beim Sportherz erweitert sich oft auch der Vorhof. Dabei kann vermehrt ein Umbau von Herzmuskelzellen im Bindegewebe entstehen, der Vorhofflimmern verursacht.
Ist das Vorhofflimmern gefährlich?
Durch die Rhythmusstörung sind die Pumpaktivitäten der Vorhöfe und der Herzkammern nicht mehr aufeinander abgestimmt, das äußert sich oft in Herzrasen, oder die Leistungsfähigkeit nimmt ab. Im schlimmsten Fall bildet sich ein Blutgerinnsel, das einen Schlaganfall verursacht.
Wie bemerkt man eine defekte Herzklappe?
Je nachdem, welche Herzklappe betroffen ist, kann es zu schnellerer Erschöpfung, Atemnot, einem Engegefühl auf der Brust bei Belastung oder Schwindel bis zur Bewusstlosigkeit kommen. Menschen, die wenig Sport machen, bemerken oft selbst eine hochgradige Einengung einer Herzklappe nicht. Versierte Sportler kennen ihren Körper meist sehr genau und bekommen früh mit, wenn etwas nicht stimmt. Den Verdacht auf eine Verengung der Aortenklappe kann man schon durch einfaches Abhören mit einen Stethoskop äußern, mit einer Ultraschalluntersuchung des Herzens wird diese gesichert.
Kann man dann weiter Sport treiben?
Das kommt auf den Schweregrad an. Wenn die Verengung erworben wurde, sind andere Trainingsumfänge und -intensitäten möglich als zum Beispiel bei angeborenen Erkrankungen der Aortenklappe. Ich musste neulich einer Athletin ihr intensives Trainingsprogramm komplett untersagen und genau festlegen, bis zu welcher Herzfrequenz und welcher Wattzahl sie sich belasten darf. Die Werte lagen nur im Grundlagenausdauerbereich. Das war für sie eine Katastrophe.
Darf man nach einer Herzklappen-OP wieder unbesorgt trainieren?
Nach einer angemessenen Erholungsphase ist das grundsätzlich möglich. Es hängt vom Einzelfall ab. Radtraining ist nach einer Herz-Operation aber nur unter enger ärztlicher Betreuung zu empfehlen, insbesondere bei intensiven Belastungen.
AortenklappenstenoseEine verkalkte Hauptschlagaderklappe ist die häufigste erworbene Herzklappenerkrankung in den westlichen Ländern – sie führt meist zu Atemnot, Leistungsabfall, später auch Schwindel oder Bewusstlosigkeit, in fortgeschrittenen Stadien oft zu Schwellungen der Knöchel und Unterschenkel.BehandlungEine defekte Aortenklappe kann ersetzt werden. Die Operation dauert gut 110 Minuten. Nach zirka acht Wochen ist das Brustbein, das zum Teil geöffnet werden musste, wieder stabil und der Patient kann sich voll belasten.MitralklappeninsuffizienzDie Mitralklappeninsuffizienz, also die Undichtigkeit der Segelklappe zwischen linker Vorkammer und linker Hauptkammer des Herzens, ist ein weiterer Defekt der Herzklappen, der besonders oft auch Sportler unter 60 Jahren betrifft. Die Mitralklappe wird meist undicht, wenn deren Halteapparat reißt. "Viele Patienten bemerken das so lange nicht, bis die Herzfunktion schlechter wird. Auch hier bekommen Sportler viel früher mit, dass etwas nicht stimmt."BehandlungEine undichte Mitralklappe lässt sich mit einen minimalinvasiven Eingriff meist gut reparieren: "In über 90 Prozent der Fälle können wir die eigene Klappe erhalten", sagt Bauer. Eine Operation sei in jedem Fall empfehlenswert, selbst wenn noch keine Symptome spürbar seien: "Die Herzfunktion wird bei einer defekten Mitralklappe auf jeden Fall schlechter."