Radsport-FitnessSo gesund ist Radfahren für Männer!

Carola Felchner

 · 16.09.2024

Radsport-Fitness: So gesund ist Radfahren für Männer!
Foto: Wolfgang Papp
“Männerhobby Rennrad” titelt eine Umfrage in Deutschland, denn 73 Prozent der rund sechs Millionen Rennradfahrenden hierzulande sind Männer. Und die haben eine gute Wahl getroffen. Denn Radsport und Männergesundheit ergänzen sich hervorragend. So positiv wirkt sich die Radsport-Fitness auf die Gesundheit aus.

Mit Anfang 20 war Bert Nickl passionierter Fußballer. Passen, flanken, kurze Sprints... das war sein Ding. Und laufen. Schließlich sollte ihm auf dem Platz die Puste nicht gleich ausgehen. Irgendwann bekam er aber Schmerzen: ein kleines Ziepen im Knie, das sich zu einem protestierenden Stechen auswuchs, sobald er ins Traben verfiel. Fußball oder Laufen war nur noch eingeschränkt möglich. Regelmäßig bewegen wollte sich der damalige BWL-Student aber trotzdem. Also schaute er sich nach Alternativen um. “Ein paar Leute aus meinem Freundeskreis sind damals schon Rad gefahren. Da habe ich mal geschaut, wie die das so machen, und mir Tipps geben lassen”, erinnert sich der heute 52-Jährige.

Bald schon stand Bert Nickl in einem Fahrradfachgeschäft, ließ sich Rennräder zeigen und verließ den Laden als stolzer Besitzer eines Alu-Renners. Der Beginn einer langen Liebe, obwohl für ihn anfangs nur wichtig war, dass “das Radfahren gut für die Ausdauer und gelenkschonend ist”.

Radsport-Fitness: Positive Effekte für die Gesundheit

Tatsächlich belastet Rennradfahren die Gelenke von Knöchel über Knie bis Hüfte wenig im Vergleich zu Sportarten mit hohen Aufprallkräften wie Laufen, Fuß- oder Basketball. Mehr noch: Die umliegende Muskulatur lässt sich durch Radfahren schonend stärken und die Gelenkbeweglichkeit verbessern. Eine Studie, die Anfang 2024 im Fachmagazin Medicine & Science in Sports & Exercise erschien, bescheinigte Probanden, die Rad fahren oder fuhren, ein geringeres Risiko für Knieschmerzen und Kniegelenksarthrose. Letztere ist die weltweit häufigste Gelenkerkrankung erwachsener Menschen, hierzulande sind etwa 15 Prozent der Männer betroffen; vor allem ab dem 50. Lebensjahr nimmt der Gelenkverschleiß stark zu.

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Radfahren ist aber nicht nur gut für die Gelenke. Wer als Mann regelmäßig in die Rennradpedale tritt, kann damit auch die Wahrscheinlichkeit verringern, es mit den häufigsten “Männerleiden” zu tun zu bekommen, die da sind: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Darm- und Prostatakrebs, Diabetes und Erektionsstörungen sowie zwei der gängigsten Ursachen für eine Krankschreibung unter Männern, nämlich Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und psychische Erkrankungen. Die meisten dieser Effekte seien wissenschaftlich belegt, bestätigt Christian Manunzio, Diplom-Sportwissenschaftler und selbst aktiver Rennfahrer und Triathlet.

Radsport-Fitness: Schon viele ehemalige Fußballer sind durch Radsport gesund und leistungsfähig geblieben.Foto: Wolfgang PappRadsport-Fitness: Schon viele ehemalige Fußballer sind durch Radsport gesund und leistungsfähig geblieben.

Radsport-Fitness: Die positiven Effekte für die Gesundheit im Detail

Radfahren für Herz und Gefäße

Es sei zum Beispiel erwiesen, führt der Experte aus, dass “Radfahren die Herz-Kreislauf-Funktion und die Blutfettwerte verbessert, den Blutdruck senkt und so das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie einen Herzinfarkt vermindert”. Von Letzterem sind laut Deutscher Gesellschaft für Kardiologie Männer rund doppelt so häufig betroffen wie Frauen.

Eine 2022 in der Fachpublikation Sport and Fitness Journal veröffentlichte Studie führt dies darauf zurück, dass sich durch aerobe Ausdauerbelastungen wie beim Radfahren die Struktur der innersten Zellschicht der Blutgefäße verändert, da sich Stickstoffmonoxid bildet. Das ist wichtig für die Blutdruckregulierung und die Gefäßerweiterung, damit mehr Blut strömen und mehr Sauerstoff zirkulieren kann. Zudem bildet der Körper bei aerober Belastung wohl außerdem ein Enzym namens Superoxiddismutase, das oxidativen Stress mindert, der sich seinerseits unter anderem negativ auf die Produktion von Stickstoffmonoxid auswirkt.

Radsport-Fitness: Gegen Krebszellen

Diverse wissenschaftliche Untersuchungen deuten außerdem darauf hin, dass Radfahren das Risiko für verschiedene Krebsarten senken könnte, darunter Prostata- und Darmkrebs. Vermutlich deshalb, weil Radfahren den Spiegel von bestimmten Hormonen wie Insulin und Östrogen senkt, die beide in Verbindung mit der Entwicklung von Krebszellen gebracht werden. Außerdem stärkt regelmäßiges Radfahren das Immunsystem und damit dessen Fähigkeit, Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Es reduziert ein Übermaß freier Radikale im Körper sowie Entzündungen – beides kann dazu beitragen, dass Krebszellen entstehen und sich verbreiten.

Für Stoffwechsel und Gewicht

Radfahren bringt auch den Stoffwechsel in Schwung. Er wird also besser darin, die Bestandteile der zugeführten Nährstoffe in den Zellen ab- oder zu neuen Produkten umzubauen. Bei körperlicher Aktivität wie dem Rennradfahren arbeitet außerdem die Muskulatur, wodurch sich die Aufnahme von Glukose verbessert. “Das wirkt sich langfristig positiv auf den Blutzuckerspiegel beziehungsweise dessen Regulation aus”, erklärt Christian Manunzio; dies verringere damit die Wahrscheinlichkeit einer Diabetes-Erkrankung. Die häufigste Variante, Diabetes Typ 2, entsteht nämlich, weil der körpereigene Prozess, mittels dessen der Zucker vom Blut in die Zellen transportiert wird, nicht mehr richtig funktioniert.

Darüber hinaus hilft Rennradfahren dabei, einen weiteren Risikofaktor für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch für Verletzungen des Bewegungsapparats zu kontrollieren: das Körpergewicht. Denn wer (viel) zu viel Gewicht mit sich herumschleppt, der wird weniger mobil, stolpert oder stürzt leichter – und belastet Knochen, Sehnen, Bänder und Muskulatur durch das Mehrgewicht von vornherein stärker, was sie ebenfalls anfälliger für Verletzungen und Überlastungen werden lässt. Neben dem erhöhten Energieverbrauch, der die Pfunde schmelzen lässt “stärkt Radfahren vor allem die Bein- und Rumpfmuskulatur und verbessert die Knochendichte”, weiß Christian Manunzio. Dadurch wird die gesamte Körperstatik stabiler Stürze werden seltener.

Radsport-Fitness: Für Kopf und Seele

Gar nicht so selten sind außerdem psychische Erkrankungen unter Männern. Zwar werden nach wie vor noch sehr viel häufiger Frauen deshalb krankgeschrieben, bei Männern gibt es aber einen stärkeren Anstieg, vor allem bei Angst- und somatoformen Störungen, bei denen körperliche Beschwerden auftreten, für die es keine organische Ursache gibt. Verschiedene Studien führen körperliche Betätigung und Draußensein als gute Kombination für mentale Gesundheit an.

Einige nennen explizit regelmäßiges Radfahren als Mittel, um Depressionen, Unruhezustände und Stress zu bekämpfen. Das liegt unter anderem an unterschiedlichen physiologischen, psychosozialen und neuromolekularen Prozessen, die die körperliche Aktivität anstößt. So erhöht sich zum Beispiel die Verfügbarkeit des “Glückshormons” Serotonin. Auch die Aktivität der HPA-Achse, die Reaktionen auf Stress kontrolliert, wird reguliert. Sich draußen in der Natur aufzuhalten könnte außerdem die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Körper senken.



Radsport ist gesund, aber...

Als “ein bisschen Psychohygiene” bezeichnet auch Bert Nickl seine Radausfahrten, die nun, da er zweifacher Vater ist, etwas kürzer und sporadischer ausfallen als früher. Damals durfte es auch einmal der Radmarathon in seiner damaligen Heimatstadt Rosenheim sein, mit satten 255 Kilometern. “Ich habe mich da aber langsam rangetastet”, erinnert sich Bert Nickl. “Erst mit 40 Kilometern nach Feierabend, dann mit 100 und 150 am Wochenende. Man muss ja auch ausprobieren, ob das Sitzfleisch das mitmacht.” Das tut es nämlich recht oft nicht: Je nach Umfrage geben 45 bis 60 Prozent der Teilnehmenden an, Sitzbeschwerden auf dem Rad zu haben.

Und bei Männern stellt sich oft eher früher als später die Frage: Macht Radfahren möglicherweise impotent? Bezogen auf die medizinische Definition “Zeugungsunfähigkeit”, lautet die Antwort klar: Nein. Sehr wohl ist es aber so, dass beim Radfahren, speziell auch in der vorgebeugten Haltung auf dem Rennrad, viel Druck auf einer kleinen Fläche lastet, vor allem auf dem Perineum, auch Damm genannt. Das ist der Gewebebereich zwischen Anus und äußeren Geschlechtsorganen – dort, wo Nerven, Blutgefäße und Muskeln verlaufen, die für die Sexualfunktion benötigt werden. Eine erektile Dysfunktion, also das Problem, einen steifen Penis zu bekommen, kann deshalb bei zu großem oder langem Satteldruck durchaus auftreten.

Reales Risiko vor allem Stürze

Deswegen panisch das Rennrad in der Garage einzumotten, ist trotzdem nicht notwendig. Wissenschaftlern der Sporthochschule Köln zufolge sei selbst eine um 30 bis 40 Prozent reduzierte Durchblutung infolge des Drucks zwar unangenehm, aber nicht gefährlich. Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2017 bescheinigte Radfahrern ein Risiko für Erektionsstörungen, das “nicht höher sei als das von Schwimmern oder Läufern”, und eine britische Arbeit von 2014 fand “keinen Zusammenhang zwischen der Zeit im Sattel und erektiler Dysfunktion”.

Christian Manunzio empfiehlt dennoch, Sattel und Sitzposition professionell einstellen zu lassen, damit Taubheitsgefühle gar nicht erst auftreten. Ein reales Risiko des Rennradfahrens, das sich nur begrenzt kontrollieren lässt, sind hingegen Unfälle und Stürze. “Umsichtiges Verhalten auf dem Rad ist immer notwendig”, mahnt der Diplom-Sportwissenschaftler. “Rennradfahren ist und bleibt ein Sport in der Öffentlichkeit, mit entsprechendem Kontakt mit anderen Verkehrsteilnehmern; ein Restrisiko wird leider immer bestehen, wenn man sein Training nicht komplett indoor absolvieren möchte.”

Radsport-Fitness: Sinnvolles Training, genügend Pausen und ausgewogene Ernährung machen aus Rennradfahren Gesundheitssport.Foto: Wolfgang PappRadsport-Fitness: Sinnvolles Training, genügend Pausen und ausgewogene Ernährung machen aus Rennradfahren Gesundheitssport.

Radsport-Fitness: Beweg dich, Mann!

Bert Nickl würde Rollefahren jedoch niemals in den Sinn kommen. Die Natur ist nicht nur sein Mentaltrainer, sondern auch sein Coach: “Ich fahre gerade ohne Trainingsplan und lasse das Gelände Intensität und Geschwindigkeit bestimmen”, sagt er. Das funktioniert für ihn, weil er aktuell keine Wettkämpfe geplant hat und mit zwei kleinen und einer großen Runde pro Woche zufrieden ist.

Ihm geht es um Fitness, Gemeinschaft und Verletzungsprophylaxe. Deshalb würde er, sollte er wieder Rennambitionen spüren, auch nach Plan trainieren, um sich nicht zu überlasten. Das ist ganz im Sinne von Christian Manunzio. Er ist überzeugt, dass sich durch sinnvoll strukturiertes Training mit genügend Pausen, ausgewogener Ernährung und etwas Umsicht unterwegs die positiven Effekte des Rennradfahrens maximieren und die Risiken minimieren lassen, denn: “In Summe ist nichts schädlicher und gefährlicher als Inaktivität.”

Radfahren verbessert die Herz-Kreislauf-Funktion und Blutfettwerte, senkt den Blutdruck und so das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. - Christian Manunzio, Dipl.-Sportwissenschaftler

Radsport-Fitness: Altersoptimiert trainieren

“Die gesundheitlichen Vorteile des Rennradfahrens können sich mit dem Alter verändern”, weiß Sportwissenschaftler Christian Manunzio. So sei in den 30ern, mit Kindern und Karriere, oft der mentale Aspekt am wichtigsten, in den 50ern eher der kardiovaskuläre. Eine Übersicht, was in den verschiedenen Lebensjahrzehnten besonders trainiert werden kann und sollte.

Radfahren in den 20ern

Junge Männer haben oft eine hohe Grundgeschwindigkeit. Und es macht Laune, die auszuspielen. Um als Radsportler besser zu werden, bieten sich hier aber regelmäßig ruhige, längere Ausdauereinheiten an. Langsam steigern, um keine Überlastung zu riskieren!

Training in den 30ern

Wenn Berufs- und Privatleben Fahrt aufnehmen, muss in puncto Radsport oft die Bremse gezogen werden. Um die Fitness zu erhalten, sind kürzere, spezifische Einheiten ideal, die auch mal intensiver werden können.

Radfahren in den 40ern

Meist haben Ü40-Radsportler schon einiges an Erfahrung in den Beinen. Das heißt, es darf (weiterhin) punktuell intensiver werden. Da mit zunehmendem Alter der Muskelabbau fortschreitet, ist spätestens jetzt regelmäßiges Kraft- und Flexibilitätstraining angesagt.

Radsport in den 50ern

Auch jetzt sind noch Top-Leistungen drin. Wenn es die Zeit zulässt, sollten längere Einheiten im Vordergrund stehen, durchsetzt von intensiven, damit der “Motor auf Touren bleibt”. Kraft und Flexibilität zu trainieren ist essenziell, um Überlastungen und Verletzungen vorzubeugen.

Training in den 60ern

Lebenserfahrung lässt Ü60-Radler oft mental recht gelassen bleiben. Muskeln und Sehnen werden aber zunehmend unflexibel, was schnelle, hochintensive Belastungen erschwert. Sie können weiter stattfinden, sollten aber sorgfältig innerhalb des Trainingsplans gesetzt werden. Extreme meiden! Und: das Kraft- und Flexibilitätstraining nicht schwänzen!

Fitnesserhalt in den 70ern

Ab diesem Alter hilft Radfahren, die körperliche und geistige Fitness zu erhalten, altersbedingte Abbauprozesse zu verzögern und die Lebensqualität zu verbessern. Besonders wichtig ist dabei der Erhalt der Muskelkraft, die Stärkung des Immunsystems und die Förderung sozialer Kontakte. Ideal ist moderates Ausdauertraining bei geringer bis mittlerer Intensität. Wer eher neu im Radsport ist, fährt drei- bis viermal pro Woche 30 bis 45 Minuten, Erfahrene gern länger. Wichtig: zusätzliche Kraft-, Gleichgewichts- und Koordinationsübungen, lange Erholungszeiten und auf ausreichende Protein-, Kalzium- und Vitamin-D-Zufuhr achten.

Ähnliches Radtraining in den 80ern

Im Grunde gelten die Empfehlungen für die Ü70-Fahrer – beziehungsweise in verstärktem Maße. Eine individuellere Anpassung des Trainings, möglicherweise der Übergang zu sanfteren Formen des Radfahrens und eine engere Abstimmung mit medizinischen Fachkräften sind ratsam. Und: Sicherheit hat oberste Priorität. Regelmäßige ärztliche Check-ups, Herzfrequenzüberwachung während des Trainings und eine angepasste Fahrradgeometrie sind unerlässlich.

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