Konstantin Rohé
· 23.07.2021
Dr. Achim Schmidt beschäftigt sich seit Jahren mit der Ergonomie des Radfahrens. Der aktive Rennradfahrer lehrt und forscht an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS). Wir haben den Sportwissenschaftler zu Schmerzen in den Füßen befragt. Außerdem finden Sie hier Tipps und Übungen für schmerzfreie Füße!
TOUR Rennradschuhe zwängen den Fuß oft relativ eng ein. Sind damit Schmerzen schon programmiert?
Schmidt Grundsätzlich sind die menschlichen Füße fürs Laufen gemacht. Sie sind es gewohnt, den Bodenkontakt zu dämpfen und wie eine Feder zu beschleunigen. Eine Belastung im engen Rennradschuh mit dauerhaftem Druck ist der Fuß nicht gewohnt. Bei Läufern ist der Druck zwar wesentlich höher, aber er wird über die gesamte Fußsohle verteilt. Bei Radsportlern ist die Konzentration auf die Ballen ein Problem. Selbst wenn das Großzehengrundgelenk in der Zugphase des Tritts kurz entlastet wird, ist durch die Beanspruchung der Fußoberseite ein gewisser Druck da.
Sind komfortablere Schuhe der beste Weg, um Schmerzen zu vermeiden?
Der Schuhkomfort ist einer der wichtigsten Punkte. Aber auch da geht es um die richtige Einstellung – im Kopf. Die meisten Hobbyfahrer suchen sich einen möglichst rennmäßigen Schuh mit möglichst steifer Sohle, so wie ihn auch die Profis haben, weil sie denken, auf diese Weise schneller fahren zu können. Sie stecken dann in Performance-Radschuhen wie eine Geisha, die ihre Füße abgeschnürt bekommt. Aber beim Inline-Skaten zieht auch kein Hobbysportler einen Speedskating-Schuh an. Er benötigt viel mehr Polsterung und Komfort!
Was sollte man hinsichtlich Schnitt und Passform beim Schuhkauf beachten?
Wenn man erstmals Rennradschuhe kauft oder das Modell wechselt, sollte man die Schuhe unbedingt anprobieren. Allein die Schuhe richtig festzuziehen und etwa zehn Minuten anzulassen, hilft schon dabei zu erkennen, ob Passform, Härte und Schnürung passen. Da sich das Fußvolumen im Laufe des Tages verändert, sollte man die Schuhe nicht abends und nicht morgens kurz nach dem Aufstehen anprobieren.
Und was hilft bei individuellen Problemen und Schmerzen, die erst nach mehreren Stunden Fahrt auftreten?
Der erste Schritt ist, sich dessen bewusst zu sein. Zu viele Rennradler akzeptieren Schmerzen. ‚Gehört ja irgendwie dazu, sieht man an den Profis‘, reden sich viele ein. Doch wenn jeder Kontaktpunkt Schmerzen bereitet, kann man nicht mehr schnell fahren, geschweige denn Spaß haben. Lösungsansätze sind vielfältig und immer miteinander kombinierbar: neue Schuhe, dynamisches Bikefitting, Einlagen, Veränderung der Cleat-Position oder der Wechsel auf ein neues Pedalsystem mit mehr Bewegungsfreiheit. Wichtig bei allem: Man sollte den Körper nicht in Bewegungsmuster pressen, sondern Asymmetrien zulassen und diese mit unterschiedlicher Cleateinstellung, einseitigen Einlagen oder Unterlegkeilen abfangen.
Sollte man auch die Fußmuskulatur stärken?
Übungen zur Stärkung der Fußmuskulatur können dazu beitragen, Schmerzen zu ver-meiden. Wenn man die natürliche Fußbewegung auf ein Minimum reduziert, sind Probleme wie Taubheit programmiert. Das passiert bei Rennradschuhen per se, je nach Form und Schnürung mehr oder weniger. Haut, Unterhautfettgewebe und Nerven werden zu stark beansprucht, die Blutgefäße dauerhaft zusammengedrückt. Schon einfache Aktivierungsübungen können hier entgegenwirken. Auch das gelegentliche Fahren mit lockerer Schnürung auf einer Tour entspannt.
Sind Maßeinlagen die ultimativen Schmerzlöser?
Maßeinlagen sind dann notwendig, wenn man die Probleme anders nicht in den Griff bekommt. Wer sich monatelang mit Entzündungen herumquält, wird allerdings auch mit perfekt passenden Einlagen keine unmittelbare Verbesserung spüren. Das Gewebe an den Druckstellen braucht Zeit, um sich entsprechend zu erholen.
Spielt die Wahl der Socken eine Rolle? Was halten Sie von Modellen, die Dämpfung oder verbesserte Blutzirkulation versprechen?
Ich persönlich fühle mich mit dickeren Socken, die an Sohle und Rücken gepolstert sind, sehr wohl in meinen Radschuhen. Das Prinzip ist so simpel wie einleuchtend: An engen Stellen im Schuh wird das Polster zusammengedrückt, an weiteren Stellen füllt es den Platz aus. Aber auch hier zeigt sich die Rennradbranche wenig offen für Neues, die Hersteller fokussieren sich auf sehr dünne Modelle. Entsprechend können Rennradsocken keine Druckstellen kompensieren, anders als zum Beispiel Langlaufsocken. Mein Tipp: Kaufen Sie sich einen Schuh, in den Sie mit komfortablen Socken reinpassen. Das kann helfen, auch steife Top-Modelle bequemer zu machen!
Fußwippe
Die Füße stehen parallel und hüftbreit, Knie und Hüften sind nur minimal gebeugt. Gehen Sie in einer fließenden Bewegung abwechselnd in den Zehen- und Fersenstand. Wer gut Balance hält, kann den Schwung mit den Armen unterstützen. 25–30 Abrollbewegungen, 2-3 Durchgänge.
Die Fußwippe kräftigt die vorderen Schienbeinmuskeln und die Waden. Die Übung verbessert zudem die Beweglichkeit der beim Radfahren wenig beanspruchten Fußmuskulatur und die Flexibilität der Achillessehne.
Sohlenlockerer
Den Fuß langsam mit sanftem Druck über eine kleine Faszienrolle oder einen Tennisball rollen. Je mehr Gewicht auf dem Fuß lastet, desto intensiver ist es. An schmerzhaften Punkten ruhig etwas länger verweilen und vorsichtig den Druck erhöhen. Perforierte Rollen oder Golfbälle sind nur Fortgeschrittenen zu empfehlen.
Der Druck hilft, die Plantarfaszie zu lockern, die als größte Sehnenplatte im Fuß oft Auslöser für brennenden Fußschmerz ist.