Unbekannt
· 29.04.2016
Kann man eine Bergbefahrung mit dem Rennrad auch im Flachland trainieren, wenn die Zeit für eine Trainingslager fehlt? Trainingsexperte Robert Kühnen gibt Tipps.
Frage von TOUR-Leser Thomas F.: Im Juli 2016 möchte ich mit zwei Kollegen das Stilfser Joch hochradeln. Wir sind alle Hobbyfahrer mit vernünftigem Material, aber da wir alle mehr oder weniger im Flachland wohnen, stellt sich uns die Frage: Wie bereitet man sich seriös auf so einen Anstieg vor, welche Traningsmöglichkeiten gibt es für uns? Keiner ist zuvor einen Anstieg dieser Länge gefahren. Für ein längeres Trainingslager fehlt aufgrund der Familie erstens Zeit und zweitens auch Geld. Wir wären sehr dankbar für Tipps jeglicher Art, weil wir natürlich so gut wie möglich trainiert an diese Sache herangehen wollen.
Antwort von Robert Kühnen: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich auch im Flachland beziehungsweise hügeligen Gelände auf lange Anstiege vorzubereiten. Zentral dafür sind lange, etwas kraftbetonte Tempo-Intervalle im oberen Grundlagenausdauer-Bereich (GA2) an der Grenze zum Entwicklungsbereich. Lang heißt: 20 Minuten bis gut zwei Stunden am Stück, wobei man die Belastungsdauer nach und nach steigern sollte. Die Belastungsdauer kann sich auch aus vielen Wiederholungen an einer kurzen Steigung zusammensetzen – zur Not fährt man eben 30-mal rauf und runter – oder aus einer langen Tempofahrt im Flachen. Vorteil Bergfahrt: Die typische Sitzhaltung wird trainiert und der Berg gibt ein klares Ziel vor.
Um Intervalle im Flachen etwas bergspezifischer zu gestalten, fährt man einen etwas schwereren Gang als normal und eine entsprechend niedrigere Trittfrequenz, etwa mit 80 Umdrehungen pro Minute im großen Gang. Ziel ist eine gleichmäßige hohe Dauerleistung unterhalb der aerob-anaeroben Schwelle. Wie fühlt sich das an? Sie haben ausreichend Luft zum Atmen, aber die muskuläre Anstrengung wird mit der Zeit immer größer, sodass es schwer ist, das Niveau bis zum Ende zu halten. Ohne Watt-Leistungsmessung ist das im Flachen nicht leicht umzusetzen, da ohne Berg kein Zwang vorhanden ist, die Leistung entsprechend hoch anzusetzen, aber der Puls kann als Orientierung dienen.
Zweites Element sind härtere Intervalle im Entwicklungsbereich – die tiefe Atmung ist gerade noch im Gleichgewicht oder leicht darüber, sodass mit der Zeit auch das Atmen schwierig wird. Wahlweise wieder am Berg (einfacher) oder im Flachen trainieren. Empfehlenswert sind 3 bis 5 Intervalle à 10 Minuten. Mit je einem Tempotraining und einem Training im Entwicklungsbereich pro Woche über drei Monate (außer in Regenerationswochen), wird das Stilfser Joch zwar nicht niedriger, aber sicher mit Spaß bezwingbar.