Unbekannt
· 18.03.2010
Schwankt Ihre Gemütslage vor Saisonbeginn zwischen Hoffen und Bangen? Hoffen, dass noch irgendwo ein Krümel Restform in den Beinen steckt? Bangen, dass das Lieblingstrikot nicht zu sehr über der Hüfte spannt? Keine Sorge: Für den gut gelaunten Start ins Rennradjahr ist es nie zu spät. Lesen Sie, wie TOURChefredakteur Thomas Musch den Winterfrust überwunden hat.
Kennen Sie das auch? Wenn Sie im Kollegen- oder Freundes kreis sagen, dass Sie gerne ein paar Kilo abnehmen möchten, ernten Sie einen prüfenden Blick von Kopf bis Fuß und die Antwort: “Wie bitte? Wo willst du denn abnehmen?” Wenn der eigene Blick dann in etwas intimeren Momenten via Spiegel auf die Hüfte fällt, stellt sich die Frage nicht mehr: Über den dünnen und leidlich definierten Beinen ruhen Fettpölsterchen, die gerne als “Hüftgold” oder “Schwimmring” verniedlicht werden, in jedem Fall aber eines sind: lästig.
Okay, mit knapp 80 Kilogramm bei 1,82 Metern Größe bin ich nicht wirklich übergewichtig; ein Body Mass Index von 23,8 und ein Körperfettanteil von 19 Prozent (ermittelt mit einer Waage mit bioelektrischer Widerstandsmessung) werden von sämtlichen Ernährungsratgebern als völlig normal und innerhalb jeglicher Normen bewertet. Und trotzdem sind da diese Beulen auf der Hüfte. Erstens sähe es deutlich besser aus, wenn das Radtrikot an den besagten Stellen nicht solche Wellen schlagen würde, und außerdem treibt mich schon seit Jahren die Frage um, wie es sich wohl anfühlt, die Berge im heimatlichen Hegau fünf Kilo leichter anzugreifen.
Damit formulierte sich das Ziel quasi von selbst: Ich wollte fünf Kilo leichter und deutlich fitter als in den vergangenen Jahren in die Rennrad-Saison 2010 starten. Die wesentlichen Bausteine auf dem Weg zum Ziel: Sport und ein gezieltes Ernährungsprogramm. Das Training tüftelte TOUR-Kollege und Trainingsexperte Robert Kühnen für mich aus, den Diät-Plan der Ernährungswissenschaftler Uwe Schröder, angelegt war das Projekt zunächst auf zehn Wochen; Ende November ging’s los. (Alles dazu finden Sie unten als PDF-Download.)
Erste Woche
Die erste Hürde: Mein elektronischer Trainingsplan – ich hatte ihm das so gesagt – will fünf bis acht Stunden Sport von mir. Pro Woche. Nach dem ersten Wochenende mit zwei Rad-Einheiten liege ich sauber im Plan, aber nach den ersten Tagen im Büro hänge ich schon. Es regnet ohne Unterlass, auf dem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit, an Radfahren ist nicht zu denken. Also Laufen – aber das muss ich in den ersten paar Wochen zur Eingewöhnung gut dosieren, sonst meutern Fuß- und Kniegelenke. Der Ernährungsplan bereitet mir zusätzlich Kopfzerbrechen; das Zählen, Sortieren und korrekte Zusammensetzen der Bausteine ist zumindest gewöhnungsbedürftig. Was habe ich mir da eingebrockt?
Dritte Woche
Es regnet nicht mehr, dafür ist es kalt geworden und hat geschneit. Am Wochenende würge ich mich mit dem Mountainbike durchs Gelände, auf dem vereisten Untergrund ist das ein einziges Gerutsche. Aber meine Motivation ist intakt, ich bin stolz wie Bolle, als einsamer Sportheld der Natur zu trotzen, während alle anderen zu Hause vor dem Kamin hocken. Das mache ich gut gelaunt am Nachmittag, denn: Die veränderte Ernährung schlägt an. Das mit den Bausteinen ist mir immer noch zu kompliziert, aber ein paar Eckpunkte habe ich intus: Der Nüchterntag – erst Training, frühestens zwei Stunden später Frühstück – ist meine leichteste Übung und scheint überproportional an meinen Pfunden zu säbeln. Auch die Verteilung kleinerer Portionen über den Tag gefällt mir. Seit es den Nachtisch nicht mehr als Nachtisch, sondern als Snack am Nachmittag gibt, fühlt sich das viel sportlicher an. Die Waage meldet Mitte der dritten Woche bereits ein Kilo weniger – ich bin begeistert.
Fünfte Woche
Ich fühle mich eindeutig im Sportmodus – auch wenn sich der etwas einseitig gestaltet. Inzwischen laufe ich im Schnitt viermal pro Woche eine knappe Stunde. Radfahren ist nicht, weil Schnee liegt, beim Gedanken an Rollentraining kriege ich Pickel. Trainer Robert lacht und ist verständnisvoll: “Hauptsache, du machst was”, sagt er. Unter der Woche trabe ich früh um halb sieben los und geistere durch Parks und Straßen der erwachenden Stadt, am Wochenende laufe ich nachmittags in die Dämmerung hinein und sage Fuchs und Hase Gute Nacht. Die mitleidigen Blicke der Kollegen beim Abschied in die Weihnachtsferien waren überflüssig, ich habe nicht das Gefühl, auf etwas verzichten zu müssen. Das Raclette an Heiligabend wird von mehr Gemüse begleitet als sonst, ist aber genauso lecker; Kekse gibt’s auch – aber nicht vom allzeit bereit herum stehenden Teller, sondern abgezählt zum Kaffee. Inzwischen habe ich aus dem Baustein-Kasten auch die wichtigen Prinzipien für mich herausgeangelt, ohne deswegen ständig zählen und Listen abgleichen zu müssen. In der ersten Arbeitswoche nach dem Jahreswechel zeigt die Waage zwar nur rund 300 Gramm weniger als vor Weihnachten, aber das verbuche ich als Erfolg.
Siebente Woche
Körpergefühl: super. Motivation: ungebrochen. Euphorie: beträchtlich. Beim Laufen habe ich den Bogen raus, bei der Ernährung auch. In die Baustein-Listen schaue ich kaum noch, auf dem Tisch landen Salat, Obst, mageres Fleisch, Fisch, klare Suppen und viel Gemüse. Alles Dinge, die mir schmecken. Das gelegentliche Glas Rotwein am Abend habe ich im Ernährungsplan auch entdeckt, was will man mehr. Und weil’s mit der Form aufwärts geht und mit dem Gewicht runter, bleibt das Gewissen ruhig, wenn ich auf die Kleinigkeiten wie meine geliebten Brezeln zum Frühstück nicht verzichten will. Kurz vor unserem jährlichen Skiurlaub hole ich mir bei Ernährungsexperte Schröder noch mal ein paar Tipps – und bin erstaunt. “In der Höhe ausreichend Kohlenhydrate”, rät er, “die vermehrten Unfälle am dritten Urlaubstag haben auch damit zu tun, dass dann bei vielen Skifahrern die Glykogenspeicher restlos leer und sie nicht mehr leistungsfähig sind.” Deshalb: “Mittags Kohlenhydrate, am Nachmittag auch mal ein Stück Kuchen, das wäre gut.” Finde ich allerdings auch.
Achte Woche
Erzählt habe ich’s niemandem, aber vorgenommen habe ich mir seit Wochen, den Skiurlaub als kleines Trainingslager zu gestalten. Die Voraussetzungen sind optimal. Im Hotelpool ziehe ich jeden Morgen eine knappe halbe Stunde meine Bahnen – Brust und Kraul. Nach dem Skitag geht’s weiter: Ein Stündchen die Beine hochlegen, dann schläft der innere Schweinehund tief und fest, und ich bringe tatsächlich die Motivation auf, mich auf den Ergometer zu setzen – drei Mal in dieser Woche je eine Stunde mit Intervallen. Die anderen Hotelgäste, die badebemäntelt zur Sauna schlurfen, werfen mir entgeisterte Blicke zu. Das gleiche Phänomen erlebe ich, wenn ich Laufen gehe, nur sind es da die im “Heuboda” gestrandeten Après-Skifahrer, die sich an ihrem Hefeweizen festhalten. Ich dagegen verschwinde ins tief verschneite Tal zwischen Gaschurn und Partenen im österreichischen Montafon. Der Himmel ist glasklar, der aufgehende Mond so hell, dass er Schatten wirft, auf den Bergspitzen verlöscht das letzte Sonnenlicht. So könnte das jeden Tag sein. Kleinigkeit am Rande: Mir wird bewusst, dass man sich kaum gesünder, ausgewogener und schmackhafter ernähren kann als in einem anständigen Hotel. Mein Beweis: Trotz üppigem Frühstücksbüffet, Nachmittagsjause und abendlichem Fünf-Gänge-Menü komme ich mit 75,3 Kilogramm aus dem Skiurlaub.
Zehnte Woche
Da ist er, der Rückschlag. Vielleicht habe ich in meinem Ski-Trainingslager doch etwas übertrieben? Jedenfalls: Eine veritable Erkältung reißt in mein Trainingsprogramm ein ordentliches Loch – eine Woche Nixtun steht zu Buche. Dafür drängt ein längst verloren geglaubtes Gefühl zurück ins Bewusstsein: Ich bin genervt, dass ich nicht trainieren kann. Nicht, weil mein Trainingsplan oder mein Ernährungsprogramm durcheinandergeraten – ich vermisse das angenehme Gefühl, mich zu bewegen und anzustrengen. Während ich diese Zeilen schreibe, freue ich mich auf mehrere Dinge: Zum einen ist mein Gewicht trotz der Krankheitswoche weiter gesunken, die “75 glatt” sind in Sicht. Zum anderen kann ich wieder trainieren und freue mich auf die elfte, zwölfte und alle folgenden Wochen. Mein Fazit dieser zehn Wochen mit Trainings- und Ernährungsplan: Besser und fitter bin ich noch selten durch den Winter gekommen. Und ich hätte nicht gedacht, dass Abnehmen so lecker sein kann. Mein Rat: Probieren Sie’s aus!
Im PDF-Download unten finden Sie die wichtigsten Tipps dazu.
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