Thomas Musch
· 31.03.2023
Squeezy, Hersteller von Sporternährung mit Sitz in Braunschweig, hat sich jüngst eine Nachhaltigkeitsoffensive verordnet, um umweltfreundlicher zu werden. Was bedeutet das für Produkte und Verpackungen?
Kleine Ursache – bisweilen ziemlich große Wirkung: Wer schon einmal am Ende seiner Kräfte über dem Lenker seines Rennrades hing, die Beine ausgewrungen hat bis aufs letzte Körnchen Energie, weiß um das Gefühl und die Bedeutung, wenn man mit zittrigen Fingern eines dieser kleinen Tütchen aufreißt, sich den Inhalt in den Rachen drückt – und wenig später spürt, wie die Lebensgeister zurückkehren. Der kleine Kick zur rechten Zeit hat schon viele Sportler über den nächsten Berg oder bis ins Ziel bugsiert.
Der Vorteil der handlichen Portionen, die man gut in der Trikot- oder Oberrohrtasche transportieren kann, hat allerdings auch einen Nachteil: Der Verpackungsaufwand ist enorm und die Menge an Verpackungsmüll erheblich – was man entlang stark frequentierter Radstrecken und bei Rad-Events leider allzu oft feststellen muss, wenn ungezählte leere Gel- oder Riegel-Folien im Straßengraben liegen.
Gegen diese Unsitte können die Hersteller von Sporternährung relativ wenig tun. Aber ihnen steht der Weg offen, ihre Produkte und Verpackungen und deren Herstellung möglichst umweltfreundlich und nachhaltig zu gestalten. Das beginnt bei den Prozessen im Hintergrund und endet bei der Rezeptur der Inhaltsstoffe und der Konzeption der Verpackungen noch lange nicht. Squeezy-Marketingleiter Ingo Kruck erläutert: “Bei der Auswahl der Rohstofflieferanten für unsere Sporternährung achten wir auf schlanke Prozesse und versuchen, unnötige oder unvorteilhafte Transportwege und Transportmittel zu vermeiden. Das gilt auch für die Transportverpackungen unserer Produkte, das Lagern sowie den Versand in unser Warenlager. Das fällt dem Kunden bei der Verwendung unserer Produkte zwar nicht direkt ins Auge, macht aber in der Menge der benötigten Verpackungen einen Unterschied.”
Sowohl beim Versand an Geschäftskunden wie auch an Endkunden, die im Squeezy-Onlineshop Sporternährung einkaufen, verwendet das Unternehmen bereits fast ausnahmslos Umverpackungen und Füllstoffe zum Auspolstern der Kartons aus Recyclingmaterial. “Die Wiederverwendung von Verpackungsmaterial”, erläutert Kruck, “hat 2022 einen Stand nahe der 100-Prozent-Marke erreicht.”
Die Zutaten für die Energy-Gels bezieht Squeezy überwiegend aus Deutschland, Maltodextrin aus Frankreich. Bei der Folie für die Tütchen räumt Kruck ein, dass es noch nicht ohne Komponenten aus Fernost geht – weist aber darauf hin, dass die Monofolie recyclingfähig ist, im Gegensatz zu den Verpackungen vieler Mitbewerber, die sogenannte Multilayer-Sachets verwenden, die streng genommen nicht über die Gelbe Tonne bzw. den Gelben Sack entsorgt werden können und dürfen, aufgrund der Unwissenheit vieler Verbraucher aber trotzdem darin statt im Restmüll landen. Die Papp-Box als Umverpackung, in der die Squeezy-Tütchen verpackt sind, kann übers Altpapier entsorgt werden; die derzeit noch verwendeten Kunststoffaufkleber werden beim Recyclingprozess entfernt. Squeezy plant aber, künftig auf sortenreine Boxen umzustellen.
Bei anderen Verpackungen, etwa für lösliches Getränkepulver, nutzt Squeezy für den Dosenkorpus sogenannten Bio-Kunststoff. Dieser Kunststoff kann aus biogenen Rohstoffen wie Zuckerrohr hergestellt werden. Squeezy verwendet dafür nach eigener Aussage Zuckerrohr, das nach den Grundsätzen der biologischen Landwirtschaft ohne Zugabe von synthetischen Pestiziden und Düngemitteln hergestellt wird. In einem komplexen Prozess wird aus dem Pflanzenmaterial Zellulose extrahiert und diese in ein Polymer umgewandelt. Das resultierende Material wird als “Bioplastik” bezeichnet und hat ähnliche Eigenschaften wie herkömmliches Plastik, ist aber biologisch abbaubar.
“Biologisch abbaubar” bedeutet in diesem Zusammenhang, dass dieser Kunststoff von Mikroorganismen und Pilzen in natürlichen Umgebungen zersetzt werden kann. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Zersetzungsprozess im heimischen Garten und Kompost funktioniert bisher kaum oder dauert viel zu lange. Professionelle Kompostieranlagen, die solches Material effizient verwerten könnten, sind noch sehr selten. Die Squeezy-Dosen für Getränkepulver können und müssen aktuell über die Gelbe Tonne entsorgt werden.
Biologisch abbaubare Kunststoffe sind übrigens auch nicht als Verpackung für alle Lebensmittel geeignet, denn sie sind leicht durch abbauende Mikroorganismen besiedelbar, die unter Umständen auch das Produkt oder das Lebensmittel verunreinigen könnten.
Ob solche Bio-Kunststoffe tatsächlich umweltfreundlicher sind als konventionelles Plastik, wird unter Fachleuten teils heftig diskutiert. Unstrittig ist, dass bei der Herstellung und der Entsorgung von Bio-Kunststoffen weniger CO2 freigesetzt wird. Andererseits belastet die landwirtschaftliche Erzeugung der Ausgangsstoffe in industriellem Maßstab die Böden und entzieht der Lebensmittelproduktion Ackerflächen. Gelangt Bio-Kunststoff als Abfall in die Umwelt, ist das keinen Deut umweltfreundlicher als konventioneller Kunststoff.
Mit den “Dispenser” und “Refiller” genannten Duo aus Trink- und Nachfüllflasche für die Energie-Gels verfolgt Squeezy bereits seit Längerem einen Ansatz, um den Verpackungsmüll zu reduzieren – an sich schon eine gute Idee, um die Zahl herumfliegender Gel-Tütchen zu reduzieren. Die beiden Flaschen bestehen zwar bereits aus recyclingfähigem PET-Kunststoff – aber eben noch nicht aus recyceltem Kunststoff. Warum das so ist? “Beide Produkte stammen noch aus der Zeit vor dem Start unserer Nachhaltigkeitsoffensive”, erklärt Ingo Kruck. “Es sind problemlos und technisch einfach zu recycelnde Polymere. Hier sehen wir die Nachhaltigkeit in erster Linie durch die Wiederverwendung schon recht gut gesichert. Wenn der aktuelle Bestand abverkauft ist, wollen wir aber auch abbaubares Bio-Material einsetzen.”
Abgesehen von den Verpackungen findet die Produktentwicklung im Squeezy-Team in Braunschweig statt, beteiligt sind in der Regel Geschäftsführung, Produktmanagement sowie ausgewählte Handelspartner und Athleten. Entwickelt wird im Squeezy-Hauslabor. Basis ist stets die ursprüngliche Grundrezeptur des Gels von Prof. Timothy Noakes aus Südafrika, bei dem die Magenverträglichkeit immer oberste Prämisse ist. Squeezy-Chef Roger Milenk verfügt ebenfalls über umfassendes Fachwissen zu Sportnahrung, ihren Funktionsprinzipien und der Anwendung, und gibt dieses Wissen seit Jahrzehnten in Seminaren an Hobby-, Amateur- und Profisportler weiter. Eine wichtige Rolle spielt außerdem Dr. André Albrecht vom Institut für Trainingsoptimierung in Wolfsburg. Der Biochemiker und Sportwissenschaftler bildet als Coach und ehemals erfolgreicher Triathlet und Läufer die Schnittstelle zwischen Rezeptur und Sportler.
Fazit: Squeezy hat auf dem Weg zu einem nachhaltigen und nachhaltig agierenden Unternehmen schon einige wichtige Schritte unternommen, wenngleich Ingo Kruck einräumt: “Zum jetzigen Zeitpunkt ist es für uns technisch noch nicht möglich, alle Produkte und Abläufe komplett umweltfreundlich abzubilden. Covid-Pandemie und Ukraine-Krieg waren dabei leider auch für uns hochproblematische Entschleuniger, deren Auswirkungen im Bereich der Rohstoffe für Produkte und Verpackungen noch immer nachklingen. Trotzdem sind die neuen Verpackungen und wiederverwendbaren Produkte ein erster, wichtiger Schritt und auch ein für uns alle persönlich wichtiges Anliegen.”