Plopp, klonk! Mit vertrautem Klang fliegt der Kronkorken auf die Anrichte. An diesem Sonntagnachmittag haben wir Großes vor und das ertrage ich besser mit einem Kaltgetränk. Es zischt, brutzelt und blubbert auf dem Herd. Wir rühren, pürieren und würzen. Die Fenster unserer kleinen Wohnung sind schwer beschlagen. Ich fühle mich wie in einer dieser Vorabend-Shows. Nur, dass diese nach dreimal Werbung ein Ende haben. Als endlich alle Töpfe abgekühlt sind, bin ich froh um unsere stattliche Tupperdosen-Sammlung, über die ich mich in der Vergangenheit schon oft echauffiert habe. Erschöpft falle ich auf die Couch. Ganze 2:45 Stunden standen wir am Herd – brutto, inklusive Abwasch und Entkorkung eines zweiten Alkoholfreien.
Montag bis Freitag werde ich nun das essen, was ich am Wochenende vorgekocht habe, um anschließend hoffentlich gesünder, fitter und trotzdem entspannter zu sein. Dass man zusätzliche Zeit auf dem Rad nicht einfach geschenkt bekommt, merkte ich bereits einen Tag zuvor. Fast drei Stunden war ich mit Rezepte-Wälzen und Großeinkauf beschäftigt. Meal Prep ist eine Wissenschaft für sich. Für meine Selbsterfahrung habe ich mir Regeln gesetzt: Erstens werde ich nur eine Mahlzeit pro Tag vorkochen.
Müsli und Käsebrot erscheinen mir wenig optimierungsbedürftig. Zweitens will ich jeden Tag etwas anderes essen. Meal Prep lässt grundsätzlich verschiedene Herangehensweisen zu. Natürlich könnte ich sonntags in Omas altem Emaille-Topf Gulasch für eine ganze Legion schmoren und freitags immer noch davon essen. Ein Prepping-Plan für Sportler sollte jedoch ausgewogen und vielfältig sein. Außerdem sind nach Regel drei nur vegetarische Gerichte erlaubt. Viertens lebe ich in einer Partnerschaft und will den Esstisch nicht schon verlassen, wenn meine Frau Enni erst den Herd ausschaltet. Nur gut, dass wir nicht auch noch Kinder durchfüttern müssen.
Welcher Radsportler isst nicht gerne Pasta? In Deutschland liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch bei circa zehn Kilogramm. In der Mittagspause mundet das selbst gekochte Pesto dazu hervorragend und schnell bin ich zurück am Rechner. Gegen schwindendes Tageslicht und ein volles E-Mail-Postfach hilft Meal Prep allerdings nicht. Damit vom sonntäglichen Koch-Marathon nicht nur mein Arbeitgeber profitiert, muss ich mich losreißen. Die Trainingseinheit darf heute eine halbe Stunde länger dauern. So schmeckt mir das! Nach der Dusche sind die restlichen Nudeln mit wenigen Handgriffen und dem eingetupperten Dressing zu einem Salat vorbereitet. Vielleicht ließe sich das Prinzip auch auf andere Lebensbereiche münzen? Work-Prep für weniger Arbeitsbelastung unter der Woche oder Partnership-Prep für Gym statt Fernsehabend zum Beispiel? “Du gehörst doch eigentlich gar nicht zur Zielgruppe”, reißt mich Enni aus den Gedanken. Vielleicht hat sie recht. Bislang hatte ich jedenfalls nicht das Bedürfnis, bei der Zubereitung meines Essens Zeit einzusparen. Ich koche gerne. Allerdings nie nach Rezept. Mit einem Stirnrunzeln schließe ich den vollen Kühlschrank.
Wer Meal Prep im Training nutzen will, braucht einen guten Zeitplan. Nur Vorkochen reicht nicht.
Dienstags fahre ich mit dem Rad zur Arbeit – 31 Kilometer einfache Strecke. Erfahrungsgemäß verlangt mein Körper dabei nach viel Treibstoff. Grundumsatz miteingerechnet sind das etwa 5000 Kalorien. Deshalb drücken mir im Rucksack zwei Tupperdosen in den Rücken. Selbst die größte unseres Haushalts war nicht genug für 1,2 Kilogramm Nudelsalat. Als die Kollegen nach der Vormittagskonferenz ihre Mäntel anziehen, winke ich ab. Wenn ich ehrlich bin, wäre ich gerne mit ihnen essen gegangen. Diese Woche hat das Training jedoch Priorität und ich will die Pause kurz halten, um auf dem Rückweg eine Extraschleife einzubauen. Blöderweise habe ich es mit dem Essig etwas zu gut gemeint, kann jetzt aber nicht mehr gegensteuern. Als dann auch noch die Kollegen plaudernd zurück ins Büro tröpfeln und ich immer noch am Essen bin, beschleichen mich Zweifel. Wer als 1,90 Meter großer Sportler nicht auf ein Defizit aus ist, braucht beim Meal-Prep Masse. Als die Zeit gekommen ist, steige ich mit leichtem Hungergefühl aufs Rad. Die Motivation ist futsch. Heute keine Extrameilen für mich.
Pünktlich um zwölf Uhr sitze ich tags darauf im Sattel. 50 Minuten Intervalltraining kann ich mir heute erlauben. Zurück in der Einfahrt zum Büro, zwicken nicht nur die Waden, sondern auch der Magen. Mein Biorhythmus beschert mir einen Bärenhunger. Ich schiebe das Ofengemüse aus der Kühlung auf ein Blech und anschließend in den Ofen. Als ich umgezogen bin, ist es knusprig und warm. Dem achtsamen Genuss steht trotzdem die Uhr im Weg. So verspeise ich das mit viel Liebe gekochte Gemüse nicht am Ess-,sondern am Schreibtisch vor dem Bildschirm. Vielleicht ist Meal Prep am Ende nur ein modischer Anglizismus für etwas, das viele Radsportler mit großem Trainingsumfang ohnehin intuitiv tun? Auf jeden Fall braucht es nicht nur einen Plan, was gegessen wird, sondern auch wann.
Inzwischen verstehe ich, warum es online richtige Meal-Prep-Planungssoftware gibt.
Donnerstag ist für mich Pausentag. Vom Meal Prep profitiere ich trotzdem, denn nach der Arbeit brauche ich mir keine Gedanken ums Abendessen zu machen, sondern gönne meinem Rad im Keller etwas Liebe. Als die Schrauber-Session beendet ist, setze ich Reis auf und wärme das vorgekochte Chili in der Mikrowelle auf. Aus dem Kühlschrank zaubere ich eine Dose mit vorbereitetem Kräuter-Quark. Keine zehn Minuten später sitzen wir kauend am Tisch und genießen völlig stressfrei das proteinreiche Essen. Zugespitzt ließe sich der Meal-Prep-Plan auch nach Nährstoffen optimieren.
Es ist Freitag und der Schweiß trieft mir aus allen Poren. Unter mir spiegeln sich meine rhythmisch kurbelnden Schuhe in einer Lache aus Körpersaft. Ich habe mich entschieden, an den abendlichen Durchlauf im Fitnessstudio noch eine Spinning-Einheit dranzuhängen. Bis ich die Schweinerei beseitigt habe und zu Hause bin, knurrt der Magen wie ein wütender Grizzly. Heute kann ich nicht auf ein fertiges Gericht zurückgreifen, bin aber trotzdem unbekümmert. Auf ein Bett aus Salatblättern schaufle ich mehrere Häufchen des übrig gebliebenen Essens der Woche inklusive Dips und Reis von gestern. Jetzt zeigt sich auch, dass ich mit der Mengenkalkulation gar nicht so verkehrt lag. Wohlgemerkt: Vorgekocht hatten wir für vier anstatt zwei Personen – 6,9 Kilo insgesamt. “Zieh doch mal ein Fazit”, drängt Enni und blickt von ihrer Bowl auf. Ich druckse herum, weil ich ihr nicht gesagt habe, dass Experten für gegarte Lebensmittel eine Aufbewahrung von höchstens vier Tagen empfehlen.
Das Timing von Einfrieren und Auftauen erschien mir jedoch wie ein weiteres unnötiges Teil im komplexen Puzzle aus Training und Nahrungsaufnahme nach System. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Speiseplan hat uns täglich leckeres, halbwegs frisches Essen beschert. Zwecks Abwechslung und Kalorien-Kalkulation müssen Radsportler aber erst einmal viel investieren. Als Vollprofi oder für eine Woche Trainingslager zu Hause erscheint mir das Prinzip Vorkochen gut geeignet. Im Arbeitsalltag bleibe ich lieber bei meiner bewährten Strategie, kaufe groß ein, koche frisch und flexibel. Selbstoptimierung hat viele Spielfelder und muss nicht in der Küche beginnen.