Marathon SpezialRichtig Trinken

Unbekannt

 · 08.08.2007

Marathon Spezial: Richtig TrinkenFoto: Günter Standl

Mal richtig einen über den Durst trinken – beim Radfahren ist das nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Wir sagen Ihnen, was in die Flasche soll und wie man seinen Trinkrhythmus findet.

Die gefüllte Trinkflasche gehört zum Radfahren wie die Luft in den Reifen. Jeder weiß: Trinken ist wichtig. Doch auch nach langen Etappen ist mancher Radeltank noch gut gefüllt – offenbar hat die Zeit zum Trinken gefehlt. Mancher findet es aber auch cool, den ganzen Tag mit einer Flasche auszukommen. „Trinken ist Schwäche“, heißt der passende Nonsens-Satz dazu...

Dabei ist Nicht-Trinken eher dumm: Denn schon wenn dem Körper nur rund zwei Prozent seines Gewichts an Flüssigkeit fehlen – bei 70 Kilo sind das 1,4 Liter – kann sich die Leistung deutlich verringern. Diese Menge geht bei mittlerer bis starker Anstrengung in einer bis zwei Stunden mit dem Schweiß verloren. Als Folge wird zuerst das Blut dick, die Muskulatur wird nicht mehr so gut versorgt, und das Herz muss härter arbeiten. Nicht zuletzt beeinträchtigt ein Flüssigkeitsdefizit – medizinisch als Dehydratation bezeichnet – den Geist: Konzentration und Wahrnehmung leiden, Stürze sind die Folge.

VOR DER BELASTUNG

Damit es erst gar nicht so weit kommt, raten Experten wie der Ernährungswissenschaftler Günter Wagner vom Institut für Sporternährung in Bad Nauheim dazu, mit dem richtigen Trinken schon im Alltag und beim Frühstück zu beginnen. Bereits ohne Sport beträgt der tägliche Flüssigkeitsbedarf etwa 2,5 Liter. Dabei darf Wasser, das im Stoffwechsel entsteht (zirka 0,3 Liter) oder in festen Lebensmitteln steckt (zirka 0,7 Liter), eingerechnet werden. „Im Ruhezu stand sollte man etwa 1,5 Liter am Tag trinken, möglichst gleichmäßig über den Tag verteilt“, sagt Wagner. Ein guter Indikator für den „Wasserstand“ ist die Farbe des Urins: Nur wenn er eine helle Farbe ähnlich wie Zitronensaft hat, liegt kein Flüssigkeitsdefizit vor. Um mit gut gefüllten Speichern ins Rennen zu gehen, empfiehlt der Ernährungsexperte, in der letzten Viertelstunde vor dem Start etwa 0,3 bis 0,6 Liter Mineralwasser, mineral- und kohlenhydrathaltiges Sportgetränk oder Fruchtsaftschorle zu trinken.

WÄHREND DES RENNENS

Auch während der Belastung sollte man nicht erst dann zur Flasche greifen, wenn die Zunge schon am Gaumen klebt. Defizite lassen sich während des Radfahrens nämlich kaum mehr aus gleichen: Rinnt der Schweiß in Strömen, kommt das Verdauungssystem mit dem Nachschub nicht mehr hinterher. Erst verweilt das Getränk im Magen – ein Liter Flüssigkeit braucht üblicherweise etwa eine Stunde, bis sie in den Darm gelangt. Und auch dort nimmt es einige Zeit in Anspruch, bis Wasser und darin gelöste Stoffe die Darmwand passieren.

Wie macht man es also richtig? „Vor allem mit Disziplin und Übung“, sagt der Sport- und Ernährungsmediziner Dr. Kurt A. Moosburger aus dem österreichischen Hall in Tirol. Er betreute unter anderem den Extremradsportler Herbert Meneweger beim Race Across America. „Man muss schon beim Training verinnerlichen, regelmäßig und in kurzen Abständen einige Schlucke zu trinken, pro Stunde sollte zumindest eine Dreiviertelliter-Flasche leer sein“, erklärt Moosburger. Notfalls solle man fürs Trinktraining die Stoppuhr stellen.

Isotonische Getränke nimmt der Körper am schnellsten auf. Geht es vor allem um Flüssigkeitsersatz, darf das Getränk auch leicht hypotonisch sein (siehe Glossar). Es sollte aber auch verbrauchte Kohlenhydrate ersetzen: 60 bis 80 Gramm pro Liter sind ideal, da sie der effektivste Kompromiss zwischen Flüssigkeits- und Energiezufuhr sind und schneller als reines Wasser durch Magen und Darm wandern. „Dabei sind längerkettige Kohlenhydrate wie Maltodextrin zu bevorzugen“, sagt Moosburger. „Viele von mir betreute Ausdauerathleten kommen mit einer Lösung, die lediglich aus Maltodextrin, Wasser und einer Messerspitze Kochsalz besteht, am besten zurecht, gerade auf langen Distanzen. Da gibt es wenig Stoffe, die den Magen reizen können, wie Säuerungs mittel, Aromastoffe oder auch Vitamine und Mineralstoffe, die man lieber mit dem Essen statt im Rennen beim Trinken aufnehmen sollte.“

Nur Kochsalz, so Moosburger, sei unverzichtbar, weil einer seiner Bestandteile, Natrium, bei längeren Belastungen lebenswichtig sein könne. Im Wasserhaushalt hat Natrium die Funktion, Wasser in den Zellen und im Blut zu halten. Tränke man über lange Zeit und bei großer Anstrengung, also etwa bei einem Radmarathon, nur viel reines Wasser, ginge ein großer Teil wieder über die Nieren verloren. Sie schwemmen dabei zusätzlich Salze aus, wodurch es zu Muskelkrämpfen kommen kann, die – anders als oft angenommen – meist auf Wasser- und Natrium mangel in den Muskelzellen zurückgehen. Fällt der Natriumspiegel unter eine kritische Marke, kann ein lebensbedrohlicher Mangelzustand entstehen.

NACH DER BELASTUNG

Wer andere Mineralien, die mit dem Schweiß ausgeschwemmt werden, ersetzen will, – um bestehenden Mangel zu reduzieren oder drohendem Mangel vorzu beugen – der sollte sich an der Zusammensetzung des Schweißes orientieren. Bei kurzen und moderaten Be lastungen bis zu einer Stunde muss kein ausgeklügeltes Sportgetränk in die Flasche. Dann genügt Wasser – normal gefüllte Energiespeicher vorausgesetzt – oder Apfelschorle, je nach Schweißverlust und Energiebedarf gemischt. Für Rennen oder intensives Training ist Fruchtschorle nach Ansicht Moosburgers nicht optimal, da Salz fehlt und Fruchtsäuren die Aufnahme in Magen und Darm beeinträchtigen können.

Auch bei noch so großer Trinkdisziplin: Im Ziel haben die meisten Sportler einen gewissen Wassermangel, der beseitigt werden muss. Wer genau wissen möchte, wie groß das Defizit ist, sollte sich vor und nach dem Training oder Rennen wiegen. Ernährungsexperte Wagner hat eine Formel entwickelt, um aus der Gewichtsdifferenz die nötige Trinkmenge zu ermitteln (siehe Grafik). Häufiger angewandt, zum Beispiel auf der Hausstrecke, bekommt man mit der Zeit selbst ein Gefühl dafür, wie viel Flüssigkeit man auf der Tour trinken sollte.

Um die Kohlenhydratspeicher der beanspruchten Muskeln zu regenerieren, bieten sich nun wieder Fruchtsäfte an, jetzt auch dicker gemischt oder pur. Zum Durstlöschen gar nicht mal so schlecht ist alkoholfreies Bier, das je nach Sorte in etwa isotonische Werte aufweisen kann. Leistungssportlern können außerdem Proteindrinks helfen, angegriffene Muskeleiweiße wieder aufzubauen. „Es ist allerdings auch möglich, den Proteinbedarf über die normale Nahrung zu decken“, erklärt Dr. Moosburger, „sofern sie ausgewogen ist: Empfehlenswert sind zum Beispiel kalzium- und magnesiumreiche Mineralwässer, Milchprodukte, Obst, Gemüse und rotes Fleisch.“

Auch beim Trinken gilt also: Nur wer stets auf einen guten Wasserstand achtet, kann gewinnen. Dabei muss nicht unbedingt ein teures Spezialgetränk in die Flasche – eine einfache Mixtur aus Kohlenhydraten und einer Prise Salz tut’s auch.

TRINK-TIPPS

• Immer trinken, bevor der Durst kommt – Faustregel: pro Viertelstunde einen Viertelliter
• Unterwegs die Flasche auffüllen, auch wenn kein Supermarkt in der Nähe ist: zum Beispiel aus dem Wasserhahn auf dem Friedhof
• Die Trinkflasche muss sauber sein. Ab und zu gründlich mit der Spül- oder Flaschenbürste reinigen, sonst schimmelt’s. Auch zur Pflege geeignet: Reinigungs-Tabs für Zahnersatz
• Der Flüssigkeitsverlust hängt auch von der Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit und vom Trainingszustand ab: Je heißer und feuchter die Luft und je trainierter der Sportler, desto größer der Schweißverlust Alkohol und Kaffee... Ein Bierchen ist auch für Radsportler erlaubt – wenn sie die Spielregeln einhalten: Alkoholisches erst, wenn die Flüssigkeitsspeicher aufgefüllt sind – also nicht direkt nach Training oder Wettkampf. Auch dann sollten Männer täglich nicht mehr als einen halben Liter Bier und einen Viertelliter Wein trinken, Frauen die Hälfte. Auch Kaffee müssen Radsportler nicht meiden. Ebenso wie alkoholische Getränke darf er in die Flüssigkeitsbilanz eingerechnet werden, das heißt, er zählt als Getränk – wenn auch nur etwa zur Hälfte und nur, sofern man an Koffein gewöhnt ist. Generell gilt: nicht mehr als drei bis vier Tassen pro Tag und immer ein Glas Wasser dazu!