Die Wintermonate sind für Radsportlerinnen und Radsportler häufig eine Zeit, in der bewusst weniger trainiert und die Ernährung auch mal etwas lockerer genommen wird. Wer nun wieder ins (strukturierte) Training einsteigt, sich über die Wochen aber ein paar Wohlfühlkilos zugelegt hat, denkt vielleicht schon darüber nach, ob Intervallfasten eine gangbare Methode wäre, um Gewicht zu reduzieren. Keine schlechte Idee. Denn auch wenn die Studienlage noch dünn ist, gibt es Hinweise darauf, dass das zeitlich begrenzte Fasten nicht nur gut in den Alltag integrierbar ist, sondern auch verschiedene Prozesse im Körper anstößt, die sich unter anderem positiv auf die sportliche Leistung auswirken können. Allerdings nur, wenn das Fastenkonzept entsprechend umgesetzt wird.
Intermittierendes Fasten, oder auch Intervallfasten, bedeutet, dass sich Phasen des Nahrungsverzichts und der Nahrungsaufnahme abwechseln – und zwar in einem vergleichsweise kurzen Abstand. Anders als beispielsweise religiöses oder Heilfasten, dauert es nicht mehrere Tage oder Wochen, bis es wieder etwas zu essen gibt, sondern je nach Methode nur einige Stunden. Zwar ist auch beim Intervallfasten das Ziel eine langfristige Gewichtsreduktion. Anders als klassische Diäten oder Fastenformen ist es aber als sogenannte Dauerkostform gedacht. Das heißt, intermittierendes Fasten kann theoretisch ein ganzes Leben lang als Grundprinzip der Ernährung praktiziert werden.
“Je länger die Fastenphasen sind, desto eher tritt die Autophagie in Gang”, erklärt die Ernährungs- und Sportwissenschaftlerin Dr. Katrin Stücher. Autophagie beschreibt, einfach ausgedrückt, einen Erneuerungsprozess der Körperzellen, eine Art körpereigene Müllabfuhr. Dieser Prozess läuft auf basalem Niveau (auch als Grundumsatz bekannt) immer ab. In Stresssituationen – wie etwa nach mindestens zwölf Stunden ohne Energie- und Nährstoffzufuhr – fährt er jedoch hoch. Der Körper schaltet also in eine Art Reparaturmodus, im Zuge dessen sich, so der aktuelle Stand der Wissenschaft, Fettstoffwechsel und die Empfindlichkeit für das zuckerkontrollierende Hormon Insulin verbessern. “Vor allem bei Prädiabetes und Diabetes Typ 2 konnten tierexperimentelle und Humanstudien deutliche Verbesserungen zeigen”, bestätigt Katrin Stücher. Langfristige Studien an Menschen gebe es derzeit dazu allerdings noch nicht, schränkt die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V. ein. Und: Ausdauersport an sich hat ohnehin bereits eine ähnliche Wirkung auf Stoffwechsel und Insulin-Sensitivität wie Intervallfasten.
Trotzdem kann intermittierendes Fasten interessant für Rennradfahrer und andere Ausdauersportler sein. Eine 2011 im Fachblatt “Obesity Reviews” veröffentlichte Studie sowie eine in der Publikation “Nutrients” 2024 erschienene Meta-Studie, die verschiedene Untersuchungen zum Thema Intervallfasten vergleicht, stellten beispielsweise fest, dass der Anteil fettfreier Masse im Körper trotz verringerter Kalorienzufuhr besser erhalten bleibt als bei herkömmlichen Diäten. Soll heißen: Das Verhältnis von Fett- und Muskelmasse ist günstiger – und je mehr von letzterer vorhanden ist, desto aktiver arbeitet der Stoffwechsel, da Muskeln auch in Ruhe mehr Kalorien verbrennen als Fett. Eine kleine Studie mit 16 Radsportlern der Kategorien U23 und Elite kam im Jahr 2020 zu ähnlichen Ergebnissen. Zudem wies die Probandengruppe nach vier Wochen, in der sie nach der 16:8-Methode intermittierend gefastet hatte, aufgrund des Gewichtsverlustes ein besseres Verhältnis von Spitzenleistung zu Körpergewicht auf als die Kontrollgruppe, die nicht fastete, und das Verhältnis von Neutrophilen zu Lymphozyten hatte sich verändert; dies deutet darauf hin, dass es weniger Entzündungen im Körper gibt, dessen Infektabwehr also besser funktioniert. Allerdings wiesen die fastenden Probanden auch geringere Werte freien Testosterons auf. Dieses Hormon spielt eine Rolle bei Muskelaufbau und Kraftentwicklung, Energie und Belastbarkeit, der Verletzungsanfälligkeit und Regenerationsfähigkeit. Auch Ernährungswissenschaftlerin Katrin Stücher, die selbst Profiausdauersportler in verschiedenen Disziplinen berät, sieht beim Intervallfasten gerade auf hormoneller Ebene Risiken: “Wenn viele Trainingseinheiten im nüchternen Zustand durchgeführt werden, kann dies den Hormonhaushalt negativ beeinflussen. Der Körper schüttet mehr Stresshormone aus und besonders bei Frauen kann es zu hormonellen Störungen kommen, die sich zusätzlich in gesteigertem Knochenabbau und langfristig einem höheren Risiko für Osteoporose niederschlagen.”
Nüchterntraining kann den Körper stressen und unter anderem das Immunsystem schwächen. - Dr. Katrin Stücher, Ernährungswissenschaftlerin
Ihrer Erfahrung nach sind Ausdauersport und Intervallfasten schwer vereinbar, es ist aber nicht unmöglich. Katrin Stücher empfiehlt, möglichst gar nicht, maximal aber ein- bis zweimal pro Woche nüchtern aufs Rad zu steigen, “am besten für eine lockere Ausfahrt, bei etwa 55 bis 65 Prozent der maximalen Herzfrequenz, die nicht länger als 60 Minuten dauert”. Von intensiven Einheiten ohne vorherige Energieaufnahme rät sie ab, zum einen “weil der angestrebte Trainingseffekt nüchtern geringer ist” und der Körper nach 16 Stunden oder mehr seine Energie im schlechtesten Fall nicht nur aus den Fettreserven, sondern auch der Muskulatur ziehen könnte. Zum anderen, “da Nüchterneinheiten den Körper enorm stressen, was unter anderem das Immunsystem schwächen kann”. In genannter Studie mit den U23-Radsportlern ging es nicht um Gewichtsverlust. Sie nahmen innerhalb der acht Essensstunden 100 Prozent ihrer normalen Kalorienmenge auf und verzehrten entweder direkt vor oder nach der Belastung einen Snack. Aber, so gibt Katrin Stücher zu bedenken, “selbst, wer innerhalb des Zeitfensters für Nahrungsaufnahme in den Sattel steigt, ist nicht unbedingt in der Lage, intensive Einheiten zu absolvieren”. Fast zwangsläufig wird dann nämlich entweder mit vollem Bauch trainiert oder es landen aufgrund des Zeitmangels insgesamt zu wenig Tageskalorien im Körper, um den Trainingsreiz optimal zu verarbeiten. Idealerweise praktizieren Radsportler, besonders wenn sie noch keine Erfahrung mit Nüchterntraining haben, das Intervallfasten an Ruhetagen und nehmen, sollten sie doch (locker) trainieren, einen Unterzucker-Notfallsnack mit. Krafttraining mindestens einmal pro Woche in den Trainingsplan einzubauen, verhindert ungewollten Muskelabbau und steigert die Produktion von Wachstumshormonen, die muskelaufbauend (anabol) wirken.
Intervallfasten ist nicht für jeden geeignet. Wer regelmäßig lang und intensiv trainiert oder einen sehr hohen Kalorienbedarf hat, könnte Schwierigkeiten bekommen, die nötige Energie und Nährstoffe in einem eingeschränkten Essensfenster aufzunehmen. Auch Menschen mit einem hohen Risiko für Hormonstörungen oder einem geschwächten Immunsystem sollten vorsichtig sein. Langfristig kann ein zu rigoroses Fasten zu Mangelerscheinungen führen, insbesondere wenn essenzielle Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und Proteine nicht ausreichend aufgenommen werden. Daher ist es wichtig, die Ernährung während der Essensphasen bewusst zu gestalten und nährstoff- und kohlenhydratreiche Lebensmittel, darunter reichlich Vollkornprodukte und Gemüse, zu bevorzugen. Um sich als Rennradsportler zum Ende der Off-Season und sanften Trainingsbeginn einen kleinen Schub im Hinblick auf Körpergewicht und Stoffwechsel zu geben, kann vernünftig umgesetztes Intervallfasten eine Option sein. Ernährungsexpertin Katrin Stücher empfiehlt, wer Intervallfasten ausprobieren möchte, könnte das in dieser trainingsarmen Phase testen, zum Beispiel nach der 5:2-Methode, also mit langen Fastenphasen.
An fünf Tagen der Woche wird normal gegessen, während an zwei nicht aufeinanderfolgenden Tagen die Kalorienzufuhr auf maximal 650 Kilokalorien reduziert wird.
Hier beschränkt sich das Zeitfenster fürs Essen auf acht Stunden pro Tag, beispielsweise von 12 bis 20 Uhr. Die restlichen 16 Stunden wird gefastet. Diese Variante gilt als gut umsetzbar, da die Schlafenszeit in der Nacht auf die 16 Fastenstunden angerechnet wird. Weitere ähnliche Formen sind die 18/6-, 12/12- oder 20/4- Methode, wobei die vordere Zahl immer die Fastenphase bezeichnet.
Bei dieser Methode, auf Deutsch alternierendes Fasten genannt, wechseln sich normales Essen ohne Beschränkung der Energiezufuhr und Fasten tageweise ab, wobei an Fastentagen nur etwa 25 Prozent des Energiebedarfs aufgenommen werden.
Wer diese Variante praktiziert, lässt idealerweise zwei- bis dreimal wöchentlich das Abendessen aus. Dadurch sollte sich bis zum Frühstück eine Fastenphase von mindestens 14 Stunden ergeben.
Auch wenn sich stundenweises Fasten leichter durchhalten lässt als dauerhafte Kalorienrestriktion: Wunder wirken kann intermittierendes Fasten nicht. So zeigte beispielsweise eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Uniklinikums in Heidelberg mit 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass es keinen größeren Effekt in Sachen Stoffwechsel und Gewichtsabnahme hatte als eine normale Reduktionsdiät. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bemängelt außerdem, dass es keine oder nur vage Empfehlungen zur Lebensmittelauswahl gebe und damit durch “das intermittierende Fasten in der Regel keine Ernährungsumstellung hin zu einer ernährungsphysiologisch günstigen Lebensmittelauswahl” stattfinde. Katrin Stücher ist jedenfalls überzeugt: “Für eine gesunde, ausgewogene sowie an den Sport angepasste Ernährung ist Intervallfasten nicht zu empfehlen.” Zumindest nicht als Dauerlösung.