Tipps für die Verpflegung bei Radmarathons & langen Ausfahrten

Carola Felchner

 · 23.07.2024

Man kann im Training mit der Verpflegung abwechseln und schauen, was man mag und verträgt.- Christian Kramer, Ernährungscoach
Foto: Markus Greber
Fragt man die Teilnehmer eines Radmarathons, wie sie sich unterwegs verpflegen, bekommt man vermutlich von jedem eine andere Antwort: Gels, Riegel, Banane, Käsebrot, alles zusammen. Was aber funktioniert auf langen Fahrten am besten?

Bei lockeren Touren, die zwischen einer und eineinhalb Stunden dauern, müssen sich Radsportler keine großen Gedanken um die Ernährung machen. Wenn es aber eine Ausfahrt oder ein Radmarathon über viele Stunden werden sollen, ist es sinnvoll, ja notwendig, sich mit dem Thema Essen und Trinken unterwegs zu befassen. Denn ohne die richtige „Versorgung to ride“ lässt die Leistung mit der Zeit nach, die Energie geht immer mehr zur Neige.

Der menschliche Körper kann nämlich nur eine begrenzte Menge an Kohlenhydraten – seinen bevorzugten Treibstoff – in Form von Glykogen in Muskulatur und Leber speichern. Ein Untrainierter kommt auf 300 bis 400 Gramm, ein sehr gut trainierter Ausdauersportler auf rund 600 Gramm, Hobbysportler liegen irgendwo dazwischen. Nicht sonderlich üppig, bedenkt man, dass ein Rennradfahrer auch bei moderatem Tempo durchaus rund 100 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde verbrennt. Zwar erhöht sich bei moderater Belastung der Anteil von Fetten an der Energiebereitstellung – und die können wir quasi unbegrenzt speichern –, doch der Körper greift immer auch zu einem gewissen Maß auf Kohlenhydrate als Energiequelle zurück. Denn die lassen sich leichter aufspalten und deshalb schneller in Energie umwandeln. Auf langen, eher langsamen Touren reichen jedoch selbst beim beschriebenen „Treibstoff-Mix“ die Glykogenreserven nicht, um uns über die gesamte Zeit zu versorgen. Wir müssen also nachtanken, wenn uns der Hungerast nicht erwischen soll. Und auf den können Radsportler schon mit der letzten Mahlzeit vor dem Losfahren einen guten Vorsprung herausessen.

Vorher: Kohlenhydrate und Koffein

„Wenn die Fahrt wirklich ruhig abläuft, braucht man vorher keine superschnell verfügbaren Kohlenhydrate in Form von Weißbrot oder Ähnlichem zu essen“, weiß Christian Kramer. Der ehemalige Profitriathlet, der Sportler in Sachen Training und Ernährung coacht, empfiehlt stattdessen Vollkornbrot mit Honig oder Porridge mit Früchten, Zimt und Ingwer als letzte größere Mahlzeit vor der Abfahrt. Diese darf kohlenhydratreich sein, aber die Kohlenhydrate sollten langsam im System ankommen, damit sie erst dann Energie liefern, wenn der Sportler tatsächlich in Aktion ist. Diese Mahlzeit sollten Rennradler spätestens eine Stunde vor der geplanten Abfahrt zu sich nehmen, damit noch etwas Zeit zum Verdauen bleibt. „Wer will, trinkt kurz vorher noch mal einen Espresso und los geht’s“, sagt der Ernährungsexperte. Denn das in diesem Kaffee-Shot enthaltene Koffein stimuliert das zentrale Nervensystem, erhöht Schlagzahl und Kontraktionskraft des Herzens und lässt die Nebennieren Adrenalin freisetzen. Aber Vorsicht: Wer sonst nie Kaffee trinkt, sollte sich erst langsam an Koffein gewöhnen, sonst kann es sein, dass das Herz zu rasen beginnt und man sich generell etwas zittrig fühlt.

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Unterwegs: Von Fest zu Flüssig

Fährt man rund eine Stunde nach dem Frühstück los, sind die Speicher für gewöhnlich gut gefüllt, sodass Radsportler erst nach rund einer bis eineinhalb Stunden anfangen müssen, Energie aufzunehmen. Da aber auch dieser Zeitpunkt individuell unterschiedlich ist, rät Christian Kramer, dass man „beginnen sollte, Energie aufzunehmen, sobald man anfängt, übers Essen nachzudenken. Das ist ein Zeichen dafür, dass Energie fehlt“. Da bei langen, eher lockeren Einheiten oder sehr moderat in Angriff genommenen Radmarathons die Verdauung nicht so stark belastet ist, darf es unterwegs am Anfang ruhig noch etwas Festes sein, eine Banane oder ein Riegel zum Beispiel. „Man kann im Training mit der Verpflegung abwechseln und schauen, was man mag und verträgt“, schlägt Christian Kramer vor und ergänzt, dass das auf einer lockeren Wochenendtour auch das Stück Kuchen bei der Kaffeepause nicht ausschließt.

Ein Hobbyradsportler sollte ungefähr so viel Gramm Kohlenhydrate pro Stunde aufnehmen, wie er in Kilogramm wiegt. Im Durchschnitt dürfte das plus/minus 60 bis 80 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde entsprechen. Zur Orientierung: Ein Gel mit etwa 30 bis 35 Gramm Inhalt liefert im Schnitt um die 20 Gramm Kohlenhydrate, ein Riegel mit 40 bis 45 Gramm Gewicht etwas mehr. Dessen Kohlenhydrate kommen aber tendenziell etwas später im Blut an, da Riegel oft einen gewissen Anteil an Fett (z. B. durch Schoko- oder Joghurtglasur), Protein und Ballaststoffen (z. B. bei Haferflocken als Basis) haben. Generell empfiehlt es sich, zu Beginn der Fahrt eher Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, die den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen lassen – von fest zu flüssig und aus verschiedenen Quellen.

Unterschiedliche Zuckerarten transportiert der Körper nämlich über verschiedene Transportsysteme in den Darm. Am schnellsten ist der Transporter für Maltose, Maltodextrin, Glukose und Sukrose, sie haben die höchste Aufnahmerate, belasten in größeren Mengen den Verdauungstrakt aber auch stärker. Etwas langsamer landen Fruktose, Galaktose und Isomaltulose im Darm. Sinnvoll ist eine Mischung aus verschieden „schnellen“ Kohlenhydraten, als ideal gilt ein Glukose-Fruktose-Mix von 2:1.

Porridge mit Früchten und Nüssen ist vor der Belastung ein idealer KraftstoffspenderFoto: Adobe Stock; Alfazet ChroniclesPorridge mit Früchten und Nüssen ist vor der Belastung ein idealer Kraftstoffspender

Manche Anbieter von Sporternährungsprodukten berücksichtigen dies, aber nicht alle. Ein Blick auf die Inhaltsangaben lohnt also. Wer auf der langen, langsamen Runde nicht stundenlang Süßes in sich hineinstopfen möchte, kann auch herzhafte Verpflegung mitnehmen. Das bedeutet aber, sich nochmals intensiver mit den Inhaltsstoffen der gewählten Lebensmittel zu beschäftigen und solche zu wählen, die ausreichend Kohlenhydrate und zumindest ein klein wenig Natrium liefern. Das trifft auf die klassische Banane zu, aber auch Toastbrot mit Frischkäse kommt infrage oder gar kleine Salzkartoffeln ohne Schale. Erlaubt ist, was schmeckt, denn das ausgeklügelteste Energie-Gel nutzt nichts, wenn es unangetastet in der Trikottasche bleibt. Aber: Überfordern Sie Ihren Körper nicht! An die Ernährung unterwegs muss er sich ebenso gewöhnen wie an die stundenlange körperliche Belastung selbst. „Üben Sie im Training erst mal, kleine Mengen Kohlenhydrate gezielt zuzuführen“, empfiehlt Christian Kramer. „Wenn das funktioniert, können Sie die Menge langfristig aufbauen.“ Arbeiten Sie sich zum Beispiel von 40 Gramm pro Stunde auf 60 bis 80 Gramm hoch. Mit mehr tut sich der Magen-Darm-Trakt der meisten Hobbysportler schwer.


Was tun, wenn der Magen rebelliert?

Manche Athleten haben von Natur aus einen empfindlichen Magen, einige vertragen bestimmte Energieprodukte nicht, andere leiden unter einer Unverträglichkeit, zum Beispiel gegen Fruktose, oder haben einfach schon zu viele Gels intus. Das Ergebnis ist das gleiche: Der Magen macht dicht, der Darm rebelliert und die Tour erfordert einen (oder mehrere) ungeplante Boxenstopps. Je nach Ursache der Magen- Darm-Beschwerden kann es helfen, lieber öfter, dafür aber kleine Portionen zu sich zu nehmen, die Liste der Inhaltsstoffe genau zu studieren oder auf Flüssiges zurückzugreifen. „Das nimmt der Körper oft besser auf“, weiß Christian Kramer. Als verträgliche Alternative zu Energiespendern wie Fruktose oder Glukose hat sich Maltodextrin erwiesen. Das gibt es als Pulver zu kaufen und lässt sich mit Wasser und Kochsalz zu einem Sportdrink mixen, der geschmacksneutral und glutenfrei ist.


Trinken: Bei Hitze wichtig, bei Kälte auch

Nicht nur Essen ist auf langen Ausfahrten wichtig, auch die Flüssigkeitszufuhr sollten Radsportler im Blick behalten. Schon eine Dehydrierung von vier Prozent schränkt die Ausdauerleistung ein, stellte eine aktuelle britische Studie fest. Wird der Mund trocken oder lässt die Konzentration nach, sind das mitunter Anzeichen für eine leichte Dehydrierung. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollten Radsportler deshalb schon „in den ersten eineinhalb bis zwei Stunden regelmäßig trinken“, rät Christian Kramer. Das gilt auch, wenn die Temperaturen eher niedrig sind und das Durstgefühl erst mal ausbleibt. 500 Milliliter Flüssigkeit pro Stunde sollten es sein.

Im Grunde reicht Wasser mit einer Messerspitze Kochsalz, um den Mineralverlust durchs Schwitzen auszugleichen. Wer mag, kann natürlich auch ein Sportgetränk mit Pulver anrühren, das oft noch weitere Elektrolyte wie Magnesium, Natrium oder Kalzium liefert, oder sich eine Saftschorle mischen. Wichtig ist, die übers Getränk aufgenommene Energie mit der aus Gel, Riegel und Co. zu verrechnen, sonst wird es schnell zu viel. Und man sollte auf die Osmolalität des Getränks achten. Die beschreibt die Stoffmengenkonzentration, also wie viele gelöste Teilchen in einem Kilogramm Flüssigkeit sind. Je höher die Stoffmengenkonzentration, desto mehr gelöste Zuckerteilchen sind enthalten, desto schneller nehmen Blut und Darm sie auf und desto eher kommt es zu Magen-Darm-Irritationen. Um die zu vermeiden, sollte ein Sportgetränk als leicht hypoton (weniger gelöste Teilchen als im Blut) oder isoton (gleich viele gelöste Teilchen wie im Blut) ausgezeichnet sein. Eine Schorle, die aus einem Teil Saft und zwei Teilen Wasser besteht, gilt als isoton. Tipp: Lieber öfter in kleinen Schlucken trinken, das ist verträglicher als einmal eine große Menge.

Hühnchen mit Reis füllt die Speicher nachher wieder schnellFoto: Adobe Stock; Alfazet ChroniclesHühnchen mit Reis füllt die Speicher nachher wieder schnell

Danach: Einmal auftanken, Bitte!

Egal wie gut Sie sich unterwegs verpflegen, Sie werden auf langen Strecken nicht die gesamte Menge an verbrauchten Kalorien über Gels und Co. wieder aufnehmen können. Dieses Defizit beginnen Sie bestenfalls möglichst bald nach der Zieleinfahrt oder dem Ende der Trainingseinheit auszugleichen. „Eine Milch mit Kakao ist dafür schon mal super“, sagt Christian Kramer. Die lässt sich leicht aufnehmen, weil man nicht kauen muss, liefert schnell verfügbare Kohlenhydrate und Eiweiß. Letzteres ist wichtig, damit der Körper die von der Belastung zerstörten Muskelstrukturen gut reparieren und effizient regenerieren kann. Auch ein Weizenbrötchen mit Geflügelwurst oder Käse sowie Milchreis oder Quark mit Früchten sind gute Snacks nach dem Radfahren. Sich wahllos den Inhalt des Süßigkeitenschranks einzuverleiben oder die Speisekarte des Fast-Food-Restaurants rauf und runter zu bestellen, ist dagegen ernährungstechnisch wenig sinnvoll, und außerdem ist „Heißhunger nach der Belastung auch ein Anzeichen dafür, dass man unterwegs zu wenig Energie aufgenommen hat“, weiß Christian Kramer. Er empfiehlt, in einem solchen Fall den Energiegehalt der unterwegs verzehrten Lebensmittel nochmals hochzurechnen und das nächste Mal etwas mehr Kalorien aufzunehmen.

Später, zum Abendessen, eignen sich nach vielen Stunden im Sattel zum Beispiel Fisch mit Süßkartoffel und Salat, Hühnchenbrust mit Vollkornreis und Gemüse oder Tofu mit Hummus, Sprossen und Pitabrot. Sie liefern dem Körper die Makronährstoffe Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß sowie einiges an Mikronährstoffen, die er braucht, um sich von der langen Aktivität zu erholen. Zink und Selen etwa unterstützen das Immunsystem, das nach erschöpfenden Belastungen vorübergehend geschwächt ist. Vor dem Zubettgehen darf es noch mal ein Quark oder Joghurt mit Honig und Nüssen oder Beeren sein … Oder auch ein paar Stückchen Schokolade, eine Handvoll Gummibärchen oder ein Eis. „Wenn man das ab und zu macht, ist vieles tolerierbar, da sollte man die Kirche im Dorf lassen“, wiegelt Kramer ab, nur: „Wenn man abends um neun noch eine Tafel Schokolade, eine Tüte Gummibärchen und drei Kugeln Eis futtert, hat der Körper nachts richtig zu tun, um die ganzen Kohlenhydrate unterzubringen. Dann schläft man nicht nur schlechter, sondern die überschüssigen Kohlenhydrate werden auch in Form von Fett eingelagert.“



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