Matthias Borchers
· 03.08.2024
Wer es möchte, kann sogar schon vor dem Training ein Bier trinken! Diese Empfehlung kommt nicht von Brägel, der Hauptfigur unserer satirischen Rubrik “Radschlag” und Fan von Hefe hell, sondern von Uwe Schröder, Experte für Sporternährung vom Deutschen Institut für Sporternährung e. V. Und der studierte Ökotrophologe sowie Hobbyradsportler meint das ganz ernst. Bier – solange es alkoholfrei ist – ist nämlich auch für Rennradfahrer mehr als nur ein Durstlöscher. Dank seiner Inhaltsstoffe eignet es sich hervorragend als Alternative zu herkömmlichen Saftschorlen oder speziellen Sportgetränken.
Als Regenerationsgetränk nach dem Sport kann alkoholfreies Bier wichtige Funktionen erfüllen: Es gleicht den Wasserhaushalt aus, stabilisiert durch seine Kohlenhydrate den Blutzuckerspiegel, hilft, die entleerten Muskelenergiespeicher schnell zu füllen und unterstützt mit seinem Mineralstoff Kalium dabei, diese Energie in den Muskeln zu speichern. Eine anerkannte Empfehlung besagt, direkt nach dem Sport etwa ein Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht zur effektiven Regeneration und Wiederauffüllung der Glykogenspeicher zu verzehren. Mit kohlenhydrathaltigen Getränken wie alkoholfreiem Bier kann man dieser Empfehlung leicht nachkommen. Da pro Gramm Kohlenhydrate ca. 19 mg Kalium in die Muskelzelle eingelagert werden, sind kaliumreiche Getränke für die Regeneration nach intensiven Aktivitäten besonders gut geeignet. Ein Beispiel: In einem Liter Bitburger 0,0 sind 78 Gramm Kohlenhydrate enthalten, womit sich ein 80-Kilo-Sprinter empfehlungsgerecht auftanken ließe.
Manche Biere tragen sogar das Siegel “isotonisch”. Das bedeutet, dass zwei Flüssigkeiten – in diesem Fall das Bier in der Flasche und das Blut im Körper – die gleiche Konzentration an gelösten Teilchen aufweisen. Dadurch kann das Getränk mit seinen Inhaltsstoffen besonders schnell verdaut werden. “Die Eigenschaft ‘isotonisch’ ist jedoch kein alleiniger Gradmesser für die Qualität eines Sportgetränks”, ergänzt der Ökotrophologe Uwe Schröder. Wer bei kühlen Temperaturen wenig schwitzt, ist mit einem leicht hypertonen Getränk, das eine höhere Konzentration an Kohlehydraten aufweist als das Blut, möglicherweise besser bedient.
Viele alkoholfreie Biere enthalten tatsächlich noch geringe Mengen Alkohol. Sie dürfen jedoch mit einem Restalkoholgehalt von bis zu 0,5 Prozent als alkoholfrei bezeichnet werden. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist dieser Restalkohol meist unproblematisch; auch unser Blut ist nie völlig alkoholfrei, da unser Körper selbst Ethanol produziert und sogar Roggenbrot oder Bananen können Alkohol enthalten, was viele nicht wissen. Das Deutsche Institut für Sporternährung e. V. empfiehlt leistungsorientierten Sportlern jedoch alkoholfreie Biere, die tatsächlich keinen Restalkohol aufweisen; diese werden von den Brauereien meist mit dem Zusatz “0,0” gekennzeichnet. Sie haben den Vorteil, keine alkoholbedingte entwässernde Wirkung zu haben, was zum Ausgleich der im Ausdauersport typischen großen Schweißverluste wichtig ist. Auch der geringe Alkoholgehalt in “nur” alkoholfreiem Bier kann leicht entwässernd wirken und die Rehydrierung nach dem Sport beeinträchtigen.
Kommt es auf eine schnelle Regeneration an, etwa im Trainingslager, bei mehrtägigen Etappenfahrten oder bei zweimaligem Training am Tag, kann der völlige Verzicht auf Alkohol die Muskelregeneration und Erholung fördern. Denn Alkohol hemmt die Proteinsynthese. Dadurch verzögern sich der Muskelaufbau und die -reparatur nach intensiver Belastung.
Da Bier hauptsächlich aus Gerste oder Weizen besteht, eignet es sich nicht für Menschen mit Glutenunverträglichkeit. Allerdings gibt es mittlerweile sogar glutenfreie Biere wie das Neumarkter Lammsbräu Alkoholfrei.
Alkoholfreie Biere schmecken nicht! Dieses Vorurteil haftete dem nullprozentigen Hopfengetränk seit jeher an und war schwer loszuwerden. Den Gegenbeweis lieferte 2001 das alkoholfreie Erdinger Weißbier, das von Anfang an als isotonisches Erholungsgetränk vermarktet wurde und zu den Marktführern zählt. In der Folge wurden auch alkoholfreie Weißbiere vieler anderer Brauereien beliebte Durstlöscher und Sommergetränke.
Die Herausforderung bleibt bestehen, alkoholfreiem Bier den typischen Biergeschmack zu verleihen, denn: “Alkohol ist ein Geschmacksträger!”, erklärt Bier-Experte und Sommelier Simon Rossmann. Während der Alkoholgärung entstehen viele Aromaverbindungen, deren Wechselwirkungen noch nicht vollständig erforscht sind, schwärmt der Brau-Ingenieur, der beim Doemens-Beratungsinstitut für Brau-, Getränke- und Lebensmittelindustrie in München lehrt.
Um alkoholfreie Biere herzustellen, gibt es verschiedene Verfahren: Bei der gestoppten Gärung wird verhindert, dass mehr als 0,5 Prozent Alkohol entstehen. Diese Methode wird seit Jahrzehnten genutzt. Relativ neu ist die Verwendung neuer Hefen. Bestimmte Hefestämme produzieren keinen Alkohol und bringen interessante Aromen ins Bier. Diese Methode ist besonders für kleine Brauereien interessant, die nicht so viel Geld haben. Neue Hefen und bessere Filteranlagen fördern die Kreativität der Brauer, weshalb viele neue alkoholfreie Biere – oft Helle statt Weißbiere – in verschiedenen Geschmacksrichtungen auf den Markt kommen. Der dritte Weg zum alkoholfreien Bier führt über Entalkoholisierungsanlagen, die dem Vollbier den Alkohol entziehen; diese Anlagen sind jedoch aufwendig und teuer und daher nur für finanzstarke Brauereien geeignet.
Für den Geschmackstest unserer acht Biere hat Sommelier Simon Rossmann die sensorische Bewertung vorgenommen; sieben Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion haben im Rahmen einer Blindverkostung ihre Favoriten gewählt. Beide Tests fanden jeweils um elf Uhr morgens statt, da dies laut Bier-Experte Rossmann wegen der zu dieser Uhrzeit sehr sensiblen Geschmacksknospen der ideale Zeitpunkt sei. Und mangels Alkohol bestand auch keine Gefahr, dass der weitere Arbeitstag aus dem Rhythmus geraten könnte..