TOUR Transalp 2022 - Etappe 1Im Dreiländereck

Tour Magazin

 · 11.03.2022

TOUR Transalp 2022 - Etappe 1: Im Dreiländereck

TOUR-Transalp-Streckenchef Marc Schneider hat für 2022 eine Rennrad-Route voller Herausforderungen und Panoramen zusammengestellt. Viel zu Schade, nur für das Jedermann-Rennen. Deswegen stellen wir die sieben Etappen zum Nachfahren vor.

Etappe 1: Vom Reschenpass nach Zernez

Durch drei Länder führt diese Startetappe der TOUR Transalp 2022 – von Italien über einen kurzen Abstecher nach Österreich hinein in die Schweiz. Trotz der Nähe hat hier aber jede Region im Dreiländereck ihren eigenen Charakter und eine eigene Kultur bewahrt. Es gibt nicht nur Berge und Panoramen zu sehen entlang dieser Strecke, sondern auch Geschichten zu entdecken. Wie die des Startortes Graun, der 1950, nach dem Bau des Staudamms für den Reschensee, dem Wasser weichen musste. Nur der Kirchturm wurde damals nicht abgerissen. Er erinnert heute noch an die schwere Zeit, als die Bürger den Kampf um ihr Dorf verloren und am Rand des Sees neu aufbauen mussten. Aber die Zeit heilt alle Wunden, sagt man, und 70 Jahre später ist der Turm zur Berühmtheit geworden, zu dem Markenzeichen der Region, und der See längst ein Paradies für Wind- und Kitesurfer. Die sind hier auch ein guter Indikator für Radfahrer am Reschensee. Wenn die Surfer mit Dampf über die Kappelwellen gleiten, pfeift auch auf den Uferstraßen der Wind. Obacht!

Kitesurfer am Reschensee mit Blick auf den Ortler.Foto: Reschensee.it
Kitesurfer am Reschensee mit Blick auf den Ortler.

Deshalb ist der Reschenpass von hier aus je nach Windrichtung etwas schneller oder langsamer erklommen. Aber im Grunde ist der eh nur noch ein kleiner Hügel, der sich zwischen den See und Nauders stellt, den letzten Außenposten Tirols im Südwesten. In den verwinkelten Straßen im Dorfzentrum kann, wer will, eintauchen in den Alltag eines Tiroler Dorfes. Hier ist der Tourismus präsent, er hat aber nicht die Herrschaft über die Kultur übernommen. Ein kurzer Abstecher lohnt sich also, bevor die Norbertshöhe nach nur 100 Höhenmetern überwunden ist und die Straße jetzt hinab führt zur Zollstation in Martina am Ufer des Inn. An dem Fluss entlang führt die Bundestraße in die Schweiz, hinein nach Graubünden, bis Zernez.

Mit der Norbertshöhe und dem Reschenpass stehen auf der ersten Etappe zwei Pässe zum Einrollen an.Foto: Dominik Taeuber
Mit der Norbertshöhe und dem Reschenpass stehen auf der ersten Etappe zwei Pässe zum Einrollen an.

Schöner ist es allerdings auf dem Sonnenbalkon oberhalb. Straßen mit weit weniger Verkehr als unten auf der Hauptader führen hier durch Dörfer wie Ftan oder Ardez, durch Ortskerne aus uralten Engadinerhäusern mit ihren dicken Mauern und Rundbögen am Eingang. Immer gibt es einen Platz mit einem Dorfbrunnen, an dem man Wasser nachfüllen kann. In Scuol gibt es sogar eine ganz besondere Quelle. Wer Lust hat, die Hauptstraße zu verlassen und auch dieses Städtchen zu erkunden, findet im unteren Teil den Dorfbrunnen Plaz mit Wasser aus der Sotsass-Quelle. An der orangebraunen Färbung des Brunnenbeckens erkennt man schnell, dass in diesem Wasser ein besonderer Mineralienmix mit hohem Eisengehalt steckt. Das ist erfrischend. Dennoch ist Vorsicht geboten. Wer die Trinkflasche mit diesem Wasser füllen will, sollte probieren, ob er’s in Mengen verträgt. Dass man sich später in Zernez, am Ziel dieser Etappe, noch auf ein kühles Bier zum Abschluss freuen darf. Dort ist dann, auch wenn es nur wenige Stunden mit dem Fahrrad her ist, das Tirolerische ganz weit weg. Hier wird rätoromanisch gesprochen, der alte Dialekt, der klingt wie ein Verschnitt aus Italienisch, Spanisch und Portugiesisch und auch dem Ladinisch ähnelt, das in den Dolomiten rund um St. Vigil, Alta Badia und Cortina d’Ampezzo gesprochen wird. Tatsächlich können sich Italiener, Spanier oder Portugiesen mit den Wortschnittmengen ihrer Sprachen hier besser durchwursteln, also anderswo in der Schweiz, wo nur Schwyzerdütsch gesprochen wird. Aber keine Sorge: Deutsch sprechen sie hier im Inntal auch noch. Dem kühlen Bier am Ziel steht also auch sprachlich nichts im Weg.

Foto: Uwe Geissler

Hier kann man einkehren

Ein Espresso vor dem Start, bevor es aus Italien raus geht. Kein Problem! In Graun gibt es die eine oder andere Hotelbar gleich an der Straße, die den kurzen Wachmacher stilecht aufbrüht. Wer erst nach der Runde um den Reschensee die Lust auf einen Cafè verspürt, kann auch von der Terrasse des Restaurant und Cafè „Mein Dörfl“ die Füße in den See und den Bauch die Sonne strecken. Unzählige „Raststätten“ – Supermärkte, Cafés, Bars, Restaurants – bietet Nauders, das als Startort des Dreiländergiro auch durchreisende Rennradfahrer gerne willkommen heißt. Im späteren Verlauf passiert die Strecke Scuol im Inntal auf der Hauptstraße. Wer Hunger oder Durst bekommt, kann auch da einen kurzen Abstecher in den Ort wagen. In Ardez liegt am Wegesrand im historischen Ortskern das Café La Cuarsot mit Holzbänken draußen in der Gasse. In Zernez drängen sich eine Reihe von Restaurants um den Zielbereich dieser Etappe, z.B. das Hotel Spöl oder das Crusch Alba. Wer nicht groß einkehren will, kann sich auch im Supermarkt an der Straße nach St. Moritz einen Snack kaufen.

Abkürzungen / Varianten zur Original-Strecke

Wer ganz kurzen Prozess machen will, fährt von Graun direkt zum Reschenpass und bleibt im Inntal auf der Hauptstraße bis Zernez. Wer das tut, beraubt sich selbst aber der ganzen Schönheit dieser Etappe. Die Extra-Runde im Uhrzeigersinn um den Reschensee ist reizvoll, alleine schon wegen des Blickes zum Ortler beim Start in Richtung St. Valentin. Nach der Staumauer führt die Strecke auf einer kleinen Straße durch den Wald weiter um den See herum bis Reschen. Der Radweg etwas unterhalb an der Böschung, nur wenige Meter über dem Ufer, ist hier eine schöne Variante, weil man den See immer im Blick hat. Später, in der Schweiz, gibt es die Direttissima, aber die Abstecher von der Inntalstraße hinauf auf den sonnenverwöhnten Balkon am nördlichen Talrand sind mit Weitblicken verwöhnt und vom Verkehr verschont. Kurzum: Abkürzungen wegen schlechten Wetters oder wegen technischer oder körperlicher Probleme sind über die Hauptstraße unten im Tal immer möglich, schmälern allerdings den Erlebniswert.

Radroute Nauders-Reschenpass als Variante parallel zur Hauptstraße.
Radroute Nauders-Reschenpass als Variante parallel zur Hauptstraße.

Die Etappe als Kurztrip:

Der Schweizer Postbus fährt über Zernez und Scuol durch das Inntal bis zur Grenzstation Martina (ca. 2 Stunden). Für die letzten Kilometer über die Norbertshöhe zurück über Nauders bis zum Reschensee wird leider kein Radtransport angeboten. Hier müsste man auf die Busse des Tiroler Verkehrsverbundes umsteigen, um zumindest hinauf bis Nauders zu kommen. Oder die Norbertshöhe ein zweites Mal rückwärts erklimmen. Fazit: Die Rückkehr mit den „Öffis“ am gleichen Tag ist theoretisch möglich, aber langwierig.

Die Etappe als Teil einer Rundtour (2 bis 4 Tage):

Eine zweitägige Rundtour zurück an den Reschensee ist eine tolle Idee. Die Knaller-Variante für Tag 2: Zernez – Ofenpass – Santa Maria im Münstertal – Umbrail-Pass – Stilfser Joch – Prad im Vinschgau – Reschensee. Dabei kommen an Tag zwei gute 2800 Höhenmeter zusammen, versüßt mit Bergerlebnissen der Ehrenkategorie. Die kurze Variante mit rund 1400 Höhenmetern führt vom Ofenpass durch das Münstertal direkt bei Latsch in den Vinschgau und dann hinauf zum Reschensee.

Marc Schneiders Tipp:

Nur auf dieser Etappe stehen am Wegesrand die typischen Engadinerhäuser, liebevoll verzierte Bauernhäuser mit dicken Steinmauern, die im Ensemble in den gepflasterten Dorfkernen ein ebenso schönes wie typisches Ambiente bilden. Eine Rast am Dorfbrunnen in einem dieser Dörfer gehört zu dieser Etappe. Oder man hält in einem Café oder eine Restaurant am Wegesrand.

EngadinerhausFoto: Andrea Badrutt
Engadinerhaus

Allgemeine Info

Wer übernachten will oder auf der Suche nach anderen touristischen Angeboten ist, wird fündig unter reschenpass.it und unter engadin.com, dem Portal der Ferienregion Engadin Scuol Zernez, dem „Unterengadin“. (Achtung, Verwechslungsgefahr! engadin.ch ist die Seite des „Oberengadins“ um St. Moritz und Pontresina).

Bikeshops: Wer am Reschensee ein Problem hat oder etwas braucht, schaut am besten bei Sport Tenne in St. Valentin vorbei. Im Unterengadin gibt es eine Reihe von Fahrradläden, die auf der Homepage aufgelistet sind. In Zernez ist es Kellybikes (Adresse: Quadras Muglin 77A).

Die 1. Etappe vom Reschensee nach Zernez: 77,87 Kilometer und 1484 Höhenmeter.

TOUR Transalp 2022 Etappe 1 HöhenprofilFoto: Veranstalter
TOUR Transalp 2022 Etappe 1 Höhenprofil

Die GPS-Daten gibt es nach der TOUR Transalp 2022, die vom 19.-25. Juni stattfindet, auf der TOUR-Website zum Download.

Wer es sich doch noch überlegt vom Touri- in den Race-Modus umzuschalten, findet alle Details zum Jedermann-Rennen über die Alpen unter www.tour-transalp.de