Zum zweiten Mal fand die Messe in Dresden statt, die Geschichte der Fahrradmesse ist aber älter. Dresden ist der erfolgreiche Ableger der Bespoked Manchester, die es seit 2011 gibt. Am Freitag war die Messe am Dresdener Flughafen von 10 bis 16 Uhr zunächst für Presse und Fachpublikum geöffnet. Dann öffneten sich die Tore - oder die Rolltreppe - für alle. In diesem Jahr gab es auf der Bespoked in Dresden rund 150 Räder zu bestaunen, die Ausstellerinnen und Aussteller kamen aus 19 Ländern. Die auffälligen und bunten Lackierungen, die es im vergangenen Jahr zu bestaunen gab, wurden 2024 teils von schlichterem, rohen Design abgelöst - oder es wurde Raw mit bunt gemixt wie etwa das Dlouhy No. 53, Rusty Bikepacker, aus Leipzig oder das True Love Cycles Gravelbike aus Warschau.
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SRAM unterstützt Diversität. Dazu wurden vier Messe-Stipendien vergeben. Das heißt, viermal gab es die Möglichkeit, auf der Bespoked auszustellen. Die Bewerbungs-Kriterien waren simpel: Wenn du Leute wie dich im Radsport nicht angemessen vertreten siehst, solltest du dich bewerben! Auf der Messe in Dresden gab es dann eine SRAM-Fläche, auf der die vier bzw. fünf Rahmenbauer:innen, ihre Werke präsentierten.
Und dass die Radfahrwelt mehr Diversität vertragen kann, zeigte auch meine subjektive Wahrnehmung des Messepublikums, das sehr männlich und weiß war. Mehr Präsenz kann dazu führen, dass Leute, die sich jetzt in dieser Bubble vielleicht allein und fremd fühlen, dort ein willkommenes zu Hause finden.
Von links nach rechts:
Der Rahmenbauer und Firmeninhaber Christopher Schmidt, er ist Native American und Mitglied des Fallon Paiute-Shoshone Tribe. Damit gehört er zu einer unterrepräsentierten Minderheit in der Fahrradindustrie (“und den meisten anderen Industriezweigen”, wie es auf der Webseite heißt), und ist stolz mit Good Grief ein BIPOC-geführtes Unternehmen zu sein, das schöne Fahrräder herstellt. Auch werden unterrepräsentierte Personen und Gruppen unterstützt - etwa durch Zusammenarbeit. Spoiler: Good Grief hat den Award für das beste Rad der Messe gewonnen. Mehr dazu weiter unten.
Hinter Memento Cycles (Sitz in Kanada) stecken die zwei langjährigen Freunde Éliane Trudeau und Ronny Perez Jaramillo. Nach Dresden hatten sie zwei Räder mitgebracht, eine Schönheit in glitzerndem Rosa mit blauen Akzenten, um eine Trans-Flagge darzustellen (blau-rosa-weiß-blau-rosa; siehe Spacer). Ein herzförmiger Gepäckträger und ein Trans-Symbol als Steuerrohr-Logo sowie eine türkis-pinke Kurbel von Appleman runden das Design ab.
Wohl am auffälligsten an diesem Bike ist die Anordnung der Sitzstreben. Weniger auffällig sind QR-Codes, auf die Ashley on Significant Other auch stolz ist. Einer ist am Oberrohr zu finden, ein weiterer am Steuerrohr. Ein weiteres Bike, das sie gebaut hat, hat in der Kategorie bestes Singlespeed einen Award gewonnen. Ein BMX-Rad.
Li, das Gesicht hinter King Fabrications, bezeichnet sich selbst auf der Webseite als nicht-binären Bike-Nerd. Li kann nicht nur Rahmen bauen, sondern stellt beim Fotoshooting auch akrobatische Fähigkeiten unter Beweis.
Am Ende von Tag 1 stand ein Highlight an: Die Award-Verleihung “Bespoked’s best 2024”. Journalisten-Kollegen und weitere Leute der Branche wurden auserkoren, auf der Messe ganz besondere Schmankerl zu finden. Jedes einzelne Rad, jede Tasche, jedes Teil, was auf der Messe gezeigt wurde, hat Blicke angezogen und für Staunen gesorgt. Dieses Jahr gab es neue Award-Kategorien: Mike Burrows Award für Innovation, SRAM Scholarship Award. Damit sollen neue Talente gefördert werden. Doch es gab nicht für alle Preise. Die Awards der Bespoked untermalen den freundschaftlichen Wettbewerb und motivieren, kreativ zu bleiben.
Kreativ waren auch die Preise, die es für Siegerinnen und Sieger gab. Ob sie der Ehre gerecht werden, die den Kunstwerken gebührt, entscheidet jede und jeder für sich. Als Award gab es ein Stück Gemüse (Lauch, Salatkopf, Süßkartoffel, Avocado, Aubergine uvm.) geschmückt mit einer Schleife und einem Dynaplug.
Jetzt aber zu den Erstplatzierten:
Im vergangenen Jahr hat das Team von Avalanche Cycles bereits einen Award für das beste Gravelbike gewonnen. Die Industriedesigner Marie Kervella und Laurent Beurriand haben 2019 ihre Rahmenbauwerkstatt gegründet.
Wir glauben, dass ein Fahrrad mehr als ein einfacher Gegenstand ist, sondern ein echter Begleiter für viele Jahre. Die Maßanfertigung beschränkt sich nicht nur auf die Körpermaße, sondern muss auch Gewohnheiten und Wünsche widerspiegeln. - Avalanche Cycles
Im Gespräch mit Marie erzählt sie, dass es bei ihnen keine Rahmen ohne Farbe gibt. Auch, um die Individualität zu unterstreichen und aufrechtzuerhalten. Ein Markenzeichen an den von ihr gebauten Rahmen ist: “Auf jedem Rahmen gibt es eine kleine Taube”.
Der Salat für das beste Cargobike ging an das ...
... “No” von Sayle Cycle. Das Fahrrad ist das Ergebnis einer Industriedesign-Bachelorarbeit aus dem Sommer 2022 zum Thema “Mobilität in Städten”. Marcel Sayle hat persönliche Vorkenntnisse aus der Fahrrad- und Metallbaubranche mit dem neu erworbenen Wissen im Bereich des Industriedesigns verbunden. Das Gewinnerrad ist mit Rohloff-Nabenschaltung ausgestattet, möglich ist aber auch 3x3 oder Shimano Alfine. Die Firma Sayle Cycle hat Marcel 2023 in München gegründet, das Team besteht aus drei Personen.
Radavist hat den Award für das beste Touring-Bike verliehen. Nummer 1 der Bestenliste ist auch mein persönlicher Liebling: Yo, Ferny von Fern, bestückt mit Taschen von Gramm Tourpacking. Florian Haeussler, der Gründer der Firma Fern Fahrräder ist ein alter Hase auf dem Gebiet, seine ersten Prototypen gab es 2012. Seine Spezialität: Reiseräder und Zubehör (Allygn Components). Gemeinsam mit Kristin Heil, der Gründerin von Gramm Tourpacking entstehen Gesamtkompositionen aus Rad, Gepäckträgern und Taschen.
Das beste Rad der Messe bekommt einer der vier Rahmenbilder der SRAM Inclusivity Scholarship Gewinner, Good Grief. SRAM hat vier Rahmenbauer:innen ermöglicht, ihre Werke auf der Messe auszustellen.
Als bestes Singlespeed wird das BMX von Significant Other ausgezeichnet - damit haben gleich zwei Leute aus der SRAM Scholarship Awards abgesahnt.
Die beste Tasche steht auf einem Frontgepäckträger und wurde von Wit Slingers aus Leipzig entwickelt und genäht.
Der Preis für City Bike oder Utility Bike geht an Arko Bici aus der Slowakei. Marek legt den Fokus seiner Arbeit auf funktionelle Rahmen, die den Fahrern und Fahrerinnen passen und lange halten.
Das beste Gravel-Bike der Bespoked Dresden 2024 ist klassischer Natur. Gebremst wird mit Felgenbremsen, Frontrack, Taschen von Gramm Tourpacking und ein moderner Seitläufer-Dynamo runden das Design ab. Auffällig ist auch die Frontleuchte, die gleich zweimal nebeneinander verbaut wurde. Generell liegt der Fokus von Rahmenbauer Thomas Becker aus der Prignitz in Brandenburg auf klassischen Randonneuren. Meerglas Frameworks heißt seine Rahmenbauwerkstatt.
Es bleibt bei Offroad. Und die Gewinner der Kategorie bestes Offroad-Bike kennen wir schon von vorher - und aus dem letzten Jahr. Avalanche hat dieses Jahr gleich gleich doppelt abgesahnt. GCN auf deutsch haben das gezeigte Bike von Avalanche als Sieger auserkoren.
Das Other Means Magazine hatte die Ehre, den besten Neuling auszuzeichnen. Don Sebastiano hat das Monstergravel neu erfunden - jedenfalls im vorderen Bereich.
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Auch für Innovation gab es eine Auszeichnung, der Award hierfür wurde von The European Bike Project verliehen und ging an Vapour Cycles. Das Phantom wird auf der Webseite des Herstellers als “ultimative Asphalt-Waffe” bezeichnet. Ein Sitzrohr fehlt, die Aero-Sitzstreben sind so geformt, dass sie die die Luftverwirbelungen, die durch die Beine entstehen, glätten. Ansonsten werden Standard-Komponenten verwendet, die der Markt hergibt.
Huhn Cycles ist bereits bekannt für 3D-Druck und außergewöhnliche gewöhnliche Bikes. Die Kollegen vom BIKE Magazin haben vor rund zwei Jahren ein 36-Zoll MTB vorgestellt: Huhn Cycles Jersey Giant. Die Intent-Gabel war wohl die am häufigsten verwendete Federgabel an den auf der Messe ausgestellten MTBs. Auch am Gewinner-MTB von Huhn Cycles ist sie verbaut - und farblich passend zum Rahmen gestaltet. Auch Sattel und Laufräder, beides von Bike Ahead Composites, schmiegt sich ins Gesamtkonzept.
Wie schon oben erwähnt, scheint der Trend in diesem Jahr zu weniger auffälligem Design zu gehen. Das spiegelt sich auch im Gewinner-Design für das beste Finish wieder, denn das Rad ist in verschiedenen Shades of White gestaltet mit sehr dezenten Farbakzenten auf der Innenseite der Gabel und an der Appleman-Kurbel. James Lee Buckley baut unter dem Namen Finnbar Trout Räder in Köln.
Wer ein individuelles Fahrrad will, ganz egal aus welchem Material, egal für welchen Einsatz, der oder die ist auf der Bespoked an der richtigen Adresse. Die Rahmenbauerinnen und Rahmenbauer gehen auf die individuellen Wünsche ein. Und wer unsicher ist über Komponenten, Geometrie, Anbauteile, wird im Gespräch sicher eine Entscheidung treffen können. Dabei helfen entweder Rahmenbauer oder Experten für Custom-Aufbauten wie das Lightwolf Studio in Dresden.
Wer kein neues Rad sucht, ist ebenfalls richtig auf der Bespoked. Für die Augen und Hände ist allemal etwas dabei. Und es gab Mitmach-Angebote, es gab Gruppenausfahrten, etwa von Sour und Hunt oder vom Gravel Club, es gab eine Filmvorführung und spannende Vorträge. Tatiana Myk hat von Sitzproblemen und besonderen Herausforderungen als Frau auf langen Bikepacking-Touren und bei Ultracycling-Challenges gesprochen. Nicht nur Frauen haben hier wertvolle Informationen mit nach Hause genommen.