Wiebke LühmannDer bisher härteste Teil - und ein Abschied

Sandra Schuberth

 · 04.07.2024

Bei den Straßenverhältnissen dauert es eine halbe Ewigkeit, bis Wiebke und Julien den Regenwald von Liberia durchquert haben
Foto: Julien Soleil @sun_is_cycling
Seit Oktober ist Wiebke Lühmann bereits unterwegs. Ihr Ziel: Per Rad zum Kap der Guten Hoffnung. Mitten in der Regenzeit war sie in Liberia, einem der ärmsten Länder auf ihrer Reise bisher. Die Straßen haben sie gefordert, körperlich und mental. Und dann gab es einen Abschied.

Die 30-jährige Wiebke Lühmann ist mit ihrem Gravelbike mit geradem Lenker auf der bisher größten Reise ihres Lebens: Eine Radtour nach Südafrika. Seit dem letzten Bericht über Wiebkes Reise ist einiges passiert. Höchste Zeit für ein Update.

Wiebke Lühmanns Reise bisher zum Nachlesen

Im Senegal war es heiß und schwül

Senegal war das erste Land südlich der Sahara (engl. Subsahara) nach Mauretanien. “Die Grenze war sehr aufregend, weil es auf einen Schlag viel grüner geworden ist und die Sahara geschafft war”, berichtet Wiebke Lühmann. Es gab viel mehr wilde Tiere - Vögel und viele Warzenschweine. Außerdem war es in Senegal erstmals richtig heiß und schwül - der Wahoo hat 45 Grad Celsius angezeigt. Auf dem Rad spürte Wiebke den warmen Wind im Gesicht und den von der Sonne aufgeheizten Asphalt. Deshalb ist Wiebke schnell durchgefahren mit nur einem kurzen Stopp bei einem Mangroven-Aufbau-Projekt im Saloumdelta.

Gambia

Über den Gambia ging es per Piroge.Foto: Wiebke LühmannÜber den Gambia ging es per Piroge.

Von Senegal ging es kurz nach Gambia mit nur ein bis zwei Übernachtungen bei einem deutsch-gambischen Paar in der Hauptstadt. Die Überquerung des Gambia-Flusses auf einer Piroge war bis dato eins der größten Abenteuer. Gambia ist das kleinste Land auf dem afrikanischen Festland, so dass die Strecke, die Wiebke dort zurücklegen musste, entsprechend kurz ausfiel.

Das bisher abwechslungsreichste Land auf der Reise

In Guinea-Bissau hat Wiebke zum ersten Mal wilde Schimpansen gesehen.Foto: Julien Soleil @sun_is_cyclingIn Guinea-Bissau hat Wiebke zum ersten Mal wilde Schimpansen gesehen.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Es folgte Guinea-Bissau. Bis zu diesem Zeitpunkt war dies das abwechslungsreichste Land auf der Reise von Freiburg nach Kapstadt. Erst 1973 erlangte Guinea-Bissau die Unabhängigkeit, vorher war das Land eine Kolonie von Portugal, die Amtssprache ist portugiesisch. Das war für Wiebke vorteilhaft, denn sie konnte sich mit ihren Spanisch-Kenntnissen gut verständigen. Ein Highlight war, dass Wiebke zum ersten Mal in ihrem Leben wilde Schimpansen gesehen hat. In großen Nationalparks wird sich um den Erhalt der Artenvielfalt gekümmert. Vielerorts ist vieles an wildem Leben schon ausgestorben und wird oder wurde gejagt.

In Guinea-Bissau hat Wiebke Lühmann auf ihr Visum für Guinea gewartet - gemeinsam mit Julien Soleil, ihrem Gefährten, der ihre Reise ein Stück begleitet - mehr dazu später. Die beiden haben sich in der Sahara kennengelernt. Die Visa haben einige Tage auf sich warten lassen aber die Zeit haben die zwei Reisegefährten gut genutzt. Sie haben einen Ausflug auf die Insel Bubaque unternommen. “Die Insel war traumhaft schön”, erinnert sich Wiebke. Es gibt etwas Infrastruktur mit Hotels, Restaurants aber auch Strände, die nicht bebaut sind und wo niemand wohnt. “Da haben wir eine Nacht wild gezeltet und hatten den ganzen Strand für uns alleine. Wir haben Delfine im Wasser gesehen”, erzählt sie.

Zwischen Aus- und Einreise lagen 40 anstrengende Kilometer

Mit den Visa in der Tasche ging es weiter nach Guinea. “Der Grenzübergang war super anstrengend und hat uns viele Körner gekostet”, erinnert sich die Radreisende. Es ging über Gravel, durch den Dschungel, wo es auch zwei Tage lang keinen Handyempfang gab. Zwischen den Grenzen (Aus- und Einreise) lagen 40 Kilometer anstrengender Gravel. “Wir haben uns etwas verloren gefühlt uns mussten gut planen und viel Verpflegung mitnehmen”, berichtet Wiebke in einer Sprachnachricht und sagt weiter, dass sie sich auf längere Wartezeiten und Unannehmlichkeiten einstellen mussten. Zum Glück hat aber alles gut geklappt abgesehen von zwei kleinen Stürzen.

In Guineas Hauptstadt Conakry war Bürokratie angesagt. Wiebke und Julien haben sich um die Visa für Cote d’Ivoire und Liberia gekümmert. In dieser Stadt hat Wiebke sich nicht wohl gefühlt. “Die Stadt war überhaupt nicht schön, ich glaube die schlimmste Stadt auf der Reise”. Und doch musste sie hier wegen der Visa und auch wegen Paketen, auf die sie gewartet hat mit Ersatzteilen und mehr einige Tage verbringen. Tagsüber gab es keine Elektrizität, es gab viel Elend. Um ihre Pakete zu erhalten, musste sie Schmiergelder bezahlen.

Sierra Leone

Als alles erledigt war, ging es möglichst schnell nach Sierra Leone. Hier wird offiziell englisch gesprochen. Das war natürlich praktisch für die Verständigung. Außerdem waren hier viele Straßen neu gemacht und das Reise-Duo kam schnell voran. Rückblickend berichtet Wiebke, dass sie sich hier gut gefühlt haben - viel besser als zuvor in Guinea.

Gute Straßen in Sierra LeoneFoto: Julien Soleil @sun_is_cyclingGute Straßen in Sierra Leone

Durch den Regenwald in Liberia

Bei den Straßenverhältnissen dauert es eine halbe Ewigkeit, bis Wiebke und Julien den Regenwald von Liberia durchquert haben.Foto: Julien Soleil @sun_is_cyclingBei den Straßenverhältnissen dauert es eine halbe Ewigkeit, bis Wiebke und Julien den Regenwald von Liberia durchquert haben.

Und dann kam Liberia, das war wieder super anstrengend. Hier haben sich Wiebke und Julien für eine 500-Kilometer-Route durch den Dschungel entschieden. Dort gab es kaum Empfang, es gab kein Hotel. Wenn es eine Einkehrmöglichkeit gab, dann war das Essen viel zu scharf für Wiebke und Julien. Satt essen Fehlanzeige. Selbstversorgung war also angesagt.

In Liberia haben wir nur von Nudeln und Thunfisch gelebt

Neben der anstrengenden Fahrt durch den schlammigen Regenwald, war die Zeit auch emotional sehr belastend. Die Menschen, denen sie unterwegs begegnet sind, erzählten, dass es ihnen nicht gut geht, dass sie keine Unterstützung bekommen, dass sie sich auch mit der Straße vom Staat vergessen fühlen.

So hat sich Wiebke ihren Geburtstag nicht vorgestellt. Sie fühlt sich einsam und so weit weg von zu Hause wie selten zuvor. Ihr Heimweh ist groß.Foto: Julien Soleil @sun_is_cyclingSo hat sich Wiebke ihren Geburtstag nicht vorgestellt. Sie fühlt sich einsam und so weit weg von zu Hause wie selten zuvor. Ihr Heimweh ist groß.

Zu ihrem 30.Geburtstag hatte Wiebke die schlimmste Zeit auf ihrer bisherigen Reise. Sie saß im Regenwald fest mit wenig Empfang, das gemeinsam Reisen war gerade ... sagen wir schwierig und die Gesamtsituation emotional belastend und aufwühlend.

Erleichterung in Cote d’Ivoire

“Ich war so erleichtert, als wir in Cote d’Ivoire ankamen” - man hört Wiebke die Erleichterung an. Hier gab es wieder Hotels, Restaurants und die Straßen waren viel besser. Außerdem gab es hier ein Wiedersehen: ein Wiedersehen mit Fabienne Engel, die nach Abidjan gereist ist, um Videoaufnahmen für den geplanten Film zu produzieren - und um ihre Freundin Wiebke zu umarmen. Fabienne war fast 10 Tage dabei. “Es war fast, als würde die Heimat zu mir kommen, das tat gut und konnte mein Heimweh etwas beruhigen”, erzählt Wiebke. Wie im Fluge verging die gemeinsame Zeit, die von vielen intensiven Gesprächen, vielen Emotionen und viel Entdecken geprägt war.

Veränderung

Cote d’Ivoire hat für Wiebke viel Veränderung mitgebracht.

1. Zeit, auf Wiedersehen zu sagen

bike/3f2c4014-970e-4edd-b24c-672c54717f53_f8889078079dc794b88da5a1676493c9Foto: Fabienne Engel

In der Sahara hat Wiebke Lühmann Julien Soleil kennengelernt. Erst war es eine Begegnung, dann noch eine und dann waren sie gemeinsam unterwegs. Für Julien sollte es eigentlich von Dakar aus wieder nach Hause gehen. Stattdessen hat er sich, nicht ohne das Einverständnis seiner Oma, entschieden, Wiebke noch ein Stück auf ihrer Reise zu begleiten. Gemeinsam ging es durch Senegal, Gambia, Guinea-Bissau, Guinea, Sierra Leone, Liberia bis in die Cote d’Ivoire. In Abidjan hieß es dann, Abschied zu nehmen.

2. Von Panniers zu Arschrakete

Die Ankunft und Abreise von Freundin Fabienne brachte auch einen Equipmentwechsel mit sich. Von den zwei Satteltaschen hinten hat Wiebke jetzt zu ihrer geliebten Arschrakete von Ortlieb gewechselt. Laptop, Wanderschuhe und mehr sind gemeinsam mit Fabienne in die Heimat geflogen.

Empfohlener redaktioneller InhaltInstagram

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogenen Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzbestimmungen.

Was hat Wiebke alles dabei und wo hat sie es am Rad verstaut hat, jedenfalls bis zum Wechsel zu anderen Taschen? Zu dem Thema hat sie ein Video bei YouTube veröffentlicht:

Und so sieht das neue Setup aus, mit dem sich Wiebke Lühmann nun viel agiler und wohler fühlt.

Wiebkes neues SetupFoto: Julien Soleil @sun_is_cyclingWiebkes neues Setup

Es geht alleine weiter

Nach dem Abschied von Julien, und auch von Fabienne, ist Wiebke wieder allein unterwegs. Sie vermisst die gemeinsame Zeit, ihr Heimweh wächst. Gleichzeitig hat sie schon über die Hälfte der Strecke von Freiburg im Breisgau bis nach Kapstadt zurückgelegt. Die Freude ist groß, wenn Wiebke auf andere Radreisende trifft.

Umwege?

Im Kopf entstehen Pläne. Lohnt sich dieser Umweg? Oder jener Umweg? Kann dies oder das noch in die Reiseroute integriert werden? Zu diesen Überlegungen inspiriert auch der Podcast von Lael Wilcox, die aktuell versucht, einen neuen Weltrekord für eine Weltumrundung per Fahrrad ohne Support-Team zu erreichen. 2018 hat die Schottin Jenny Graham den Rekord dafür aufgestellt - 124 Tage. Lael Wilcox will es in 110 Tagen schaffen. In ihrem Podcast “Lael rides around the world” berichtet sie täglich über ihre Tour. Sie erzählt auch, dass sie das ein oder andere Highlight in ihren Track eingeplant hat, statt der schnellsten Route zu folgen, weil es eine “once in a livetime possibility” - eine einmalige Möglichkeit - ist.

Ghana

In Ghana war Wiebke bei GiZ-Mitarbeiterinnen zu Gast, die für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Westafrika leben und arbeiten. Das hat sich, genau wie der Besuch von Fabienne, nach zu Hause angefühlt. Sie konnte in den europäischen Luxus der Expats eintauchen. Ihre Radfahrt führte so also von “Insel zu Insel”.

Togo

In Togo kam Wiebke bei der ständigen Vertreterin des Botschafters unter, die auf dem Botschafter-Campus lebt. Die letzten Wochen hat Wiebke es ruhig angehen lassen. Sie hat sich sehr nach Pause und Ruhe gesehnt und berichtet, wir gut es ihr tat, das zuzulassen.

Überraschung!

Wiebkes Route ist offen, nur ihr Ziel steht fest: Kapstadt. Weihnachten will sie wieder mit der Familie feiern. Jetzt freut sie sich erst einmal darauf, bald nicht mehr allein unterwegs zu sein, denn Julien kommt zurück und begleitet sie weiter. “Ich habe ihn überzeugt, dass es zusammen schöner ist”, sagt sie.

Wiebke freut sich riesig! Nur sein Rad ist nicht angekommen. Aufregung, denn das Visum für Togo läuft bald aus. Der Plan ist, gemeinsam durch Nigeria, Kamerun und Kongo zu fahren. Alle drei sind etwas instabilere Länder. So beschreibt Wiebke die Situation: “Nigeria ist, was die Sicherheitslage angeht seit vielen Jahren sehr kritisch, deshalb muss man da besonders aufpassen. Ich bin sehr froh, dass ich nicht alleine fahren muss.”

Doch nochmal zusammen: Durch Nigeria, Kamerun und Kongo fährt Wiebke wieder mit Julien.Foto: Fabienne EngelDoch nochmal zusammen: Durch Nigeria, Kamerun und Kongo fährt Wiebke wieder mit Julien.

Meistgelesen in der Rubrik Event