Tom Pidcock Exklusiv-InterviewRadsport-Star über Glück, neues Team und ein Jahr ohne Tour de France

Laurin Lehner

 · 21.05.2025

Thomas Pidcock vor dem Start des Giro  ./ Foto: Getty Images / Dario Belingheri
Tom Pidcock ist der vielleicht vielseitigste Radsportler auf diesem Planeten: Zweimal Olympiasieger auf dem Mountainbike, Cross-Weltmeister, Tour-de-France-Etappensieger in Alpe d’Huez. TOUR hat den 25-jährigen Briten rund um die ersten großen Auftritte mit seinem neuen Team Q 36.5 Pro Cycling Team bei Giro d’Italia & Co. an die Strippe bekommen.

Tom, was ist Glück für dich?

Das Ziel (lange Pause) … und der Weg dorthin. Auch wenn der Weg hart ist, erfüllt er mich. Der Sieg ist die Krönung, das Glück.

Wie lange hält das Glücksgefühl bei dir nach einem Sieg an?

Nicht lange – leider. Vielleicht in dem Moment, wenn ich über die Ziellinie fahre und kurz danach. Ich glaube sogar, es hält kürzer an als noch vor einigen Jahren. Dann schweifen meine Gedanken schon wieder ab, und ich denke darüber nach, was ich esse oder wann es zurück zum Flughafen geht.

Glücksgefühl: Tom Pidcock gewinnt die Tour-Etappe in Alpe d’HuezFoto: Getty Images / Alex BroadwayGlücksgefühl: Tom Pidcock gewinnt die Tour-Etappe in Alpe d’Huez

Was macht dich glücklich abseits der Rennen?

Glück ist ein großes Wort, doch es sind die kleinen Dinge, die mir in den Kopf kommen. Zum Beispiel mit meiner Freundin ins Café zu gehen, mit meinen Hunden spazieren oder eben Skifahren gehen.

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Mountainbike oder Straße? Es geht ums Geld ...

Wenn du nur nur noch in einer Disziplin für den Rest deines Lebens fahren dürftest, welche würdest du wählen? MTB, Straße oder Cyclocross?

Unter welchen Bedingungen? Wenn alle Umstände gleich wären, auch die Bezahlung?

Nein, wenn es genau so wäre wie jetzt.

Dann Straße.

Und wenn jede Kategorie gleich gut bezahlt werden würde?

Mountainbike.

Immer gut für spektakuläre Überhol-Manöver. Selbst Kritiker im Fahrerfeld sind sich einig: Tom ist eine Bereicherung im Mtb Worldcup.Foto: Red BullImmer gut für spektakuläre Überhol-Manöver. Selbst Kritiker im Fahrerfeld sind sich einig: Tom ist eine Bereicherung im Mtb Worldcup.

Die Qual der Wahl: MTB-WM oder Vuelta-Start?

Interessant! Du hast gesagt, dass du dir vorstellen könntest, bei den MTB-Weltmeisterschaften zu starten, die zwischen 30. August und 14. September im Schweizer Wallis ausgetragen werden ...

Stimmt, aber es ist noch nicht klar, ob ich bei der La Vuelta (Spanien-Rundfahrt auf der Straße, 23.8. bis 14.9.2025; Anm. d. Red.) starte, die ist in derselben Woche. Zwei Events, ein Termin. Das ist ein Problem, das ich häufiger habe. Dabei würde es mich reizen, denn ich habe das Gefühl, ich habe in der Vergangenheit Chancen liegen lassen.

Was meinst du mit Chancen liegen lassen? Du hast in Glasgow 2024 bei der WM gewonnen und 2024 die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Paris geholt.

Ja, aber das Jahr zuvor war ich krank. Und bei der WM 2024 war ich nach Paris leer von der Saison. Daher würde ich es gerne noch einmal bei der WM probieren.

Auf der Straße fährst du seit diesem Jahr die Marke Scott, auf dem Mountainbike weiterhin Pinarello. Warum hast du dir kein Team gesucht, bei dem du einen Rahmensponsor hast?

Zugegeben: Die Situation ist etwas komisch, doch ich habe eine enge Bindung zu Pinarello, die wollte ich nicht aufgeben. Daher fahre ich jetzt zweigleisig und bin mir sicher, dass ich damit richtig liege.

Rennen wie in Paris haben gezeigt, wie spektakulär Cross-Country-Racing sein kann. Warum sind Straßenrennen eigentlich so viel populärer?

Das hat sicher nicht nur einen Grund. Tradition spielt die größte Rolle. Der Cross-Country-Rennsport war auf einem guten Weg. Ich glaube, seit Red Bull die Rennen nicht mehr kostenlos überträgt, nimmt die Sichtbarkeit wieder etwas ab. Um ehrlich zu sein, ich habe auch kein Abo. 30 Pfund im Monat, das ist lächerlich. Ich habe zwar keine Zahlen, doch mich würde es nicht wundern, wenn die Zuschauerzahlen seit dem Ende der kostenlosen Übertragung von Red Bull zurückgegangen sind.

Giro d’Italia: Tom Pidcock überbrückt Wartezeit während der 2. Etappe, einem EinzelzeitfahrenFoto: Red BullGiro d’Italia: Tom Pidcock überbrückt Wartezeit während der 2. Etappe, einem Einzelzeitfahren

Manche sagen, die Zeiten sind vorbei, in allen Disziplinen ganz oben zu stehen. Wie siehst du das?

Ich glaube, das ist durchaus möglich. Nicht einfach aus Zufall und nicht in drei unterschiedlichen Worldcup-Saisons. Doch wenn du dir große Schlüsselrennen als Ziel setzt, fokussiert darauf hinarbeitest, hinfährst, siegst und dann das Zeug dazu hast, blitzschnell umzuschalten und dich auf das nächste Ziel in der anderen Disziplin zu konzentrieren, dann geht das.

Du bist bekannt für einen starken Willen.

Puh, bin ich das? (lange Pause) Es geht darum, wie sehr du etwas erreichen willst. Ich habe sicher nicht immer einen starken Willen. Wenn ich während eines Rennens das Gefühl bekomme, dass ich es wohl nicht als Erster ins Ziel schaffe, neige ich dazu, zu früh aufzugeben. Das ärgert mich, und ich beiße mir für diese Gedanken in den Hintern. Wenn ich weiß, da ist eine Chance zu gewinnen, fällt es mir einfach, alles zu geben.

Du bist nun bei Q36.5 Pro Cycling Team in einem relativ kleinen Straßen-Rennteam und damit auf Wildcards angewiesen. Warum diese Wahl?

Weil das Team für mich die beste Lösung war. Mir gefällt die Herausforderung. Ich habe meine Ziele und kann sie hier eher auf meine Art verfolgen.

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Das Ziel: Tour-Start im Jahr 2027

Du hattest in einer Netflix-Serie gesagt, dass der Sieg bei der Tour de France dein größtes Ziel sei. Das kannst du mit diesem Team gar nicht verfolgen – zumindest nicht in diesem Jahr. Dein Rennstall Q36.5 hat keine Einladung erhalten ...

Wie gefällt Ihnen dieser Artikel?

Genau, aber nicht in diesem Jahr. Aber mein Ziel ist es, das Team 2027 an den Start der Tour zu bringen. Der Gedanke gefällt mir.

Lass uns noch einmal über den Teamwechsel sprechen. Hat der Kopf oder der Bauch entschieden?

Mein Bauch tendierte immer zu diesem Team. Klar, der Kopf spielt da auch rein – und das ist auch gut so. Denn man muss abwägen können, überlegen, wen man beim Verfolgen seiner Ziele an seiner Seite haben will. Ich bin happy mit meiner Entscheidung.

Es gibt viele Stürze im Straßenradsport. Was sind die Gründe?

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Geld. Geld bringt Druck, Druck bringt Erwartungen, Verantwortung. Je mehr Geld im Spiel ist, desto wichtiger ist es, die Erwartungen zu erfüllen. Die Fahrer nehmen dafür viel Risiko in Kauf. Da wird bei einer Kurve erst im allerletzten Moment gebremst.

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Wie bist du mit den Eingriffen der Regelhüter, mit den Reaktion des Radsport-Weltverbands UCI zufrieden?

Sie versuchen es oder geben es vor. Mit Dingen wie, dass man nicht vor der Ziellinie feiern darf. Was soll das helfen? So ein Quatsch! Das Beste wären limitierte Gänge (Übersetzungsbeschränkungen; Anm. d. Red.), was das Tempo etwas reduzieren würde. Das könnte noch am ehesten helfen.

Eine Zukunft im Rallye-Sport?

Das Umgehen mit Risiken kann man auch lernen. Arbeitest du mit einem Mental-Trainer zusammen?

Nein, für mich ist das nichts. Vielleicht in der Zeit, als ich die Junioren-Weltmeisterschaften im Cross gewonnen habe, da hatte ich Gedanken, die meine Stimmung dämpften. Zudem fiel es mir schwer, mit manchen Problemen umzugehen. Heute ist das nicht mehr so. Ich habe schon mit einigen gesprochen, es hat nie „Klick“ gemacht, und ich hatte nicht den Eindruck, dass das mich besser machen könnte.

Ein Blick voraus: Hast du ein Verlangen nach einer anderen Sportart, außerhalb des Radsports?

Ich will nach meiner Karriere in den Motorsport wechseln. Formel 1 wird es wohl nicht, Rallye reizt mich.

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