RAAMNicole Reist will Speedrekord knacken

Kristian Bauer

 · 06.06.2024

RAAM 2022
Foto: Reist
Die Schweizer Ultracyclerin Nicole Reist will beim Race Across America (RAAM) den Speedrekord der Frauen brechen. Über 4900 Kilometer müsste sie schneller als 21,3 km/h fahren.

Vom 11. bis 23. Juni 2024 wird sich Nicole Reist erneut dem Race Across America (RAAM) stellen. Nach ihren Siegen 2016, 2018 und 2022 fährt sie zum vierten und definitiv letzten Mal mit. Eigentlich hatte sie bereits 2023 ihren Rücktritt vom Ultracycling erklärt – jetzt gibt es doch noch eine letzte Herausforderung. Die Schweizerin hatte letzten Sommer genug von der Doppelbelastung aus Arbeit und Training: “Genug davon, jede Nacht um 2 Uhr aufzustehen, um neben einer Vollzeitstelle als Hochbautechnikerin noch 40 bis 50 Stunden pro Woche zu trainieren. Genug davon, zugunsten des Velofahrens auf jede Geburtstagseinladung zu verzichten. Kurz, genug davon, dem Sport alles – wirklich alles – unterzuordnen”, heißt es in einer Medienmitteilung.

Sie trat zurück und bekam nur wenige Wochen darauf die Chance, den Leistungssport nochmal neu zu erleben: mehr Sponsorengelder und eine Reduktion des Arbeitspensums auf 60 Prozent. Zudem die Zusammenarbeit mit einem Trainer, der statt auf lange Einheiten vermehrt auf mehrere, intensivere, dafür kürzere setzt. Das motivierte Reist, es doch noch einmal zu versuchen.

42. RAAM mit fast 5000 Kilometern

Das RAAM, das in seiner 42. Austragung stattfindet, ist eine Extremsportveranstaltung, bei der die Athleten über 4900 Kilometer nonstop quer durch die USA fahren müssen. Wie viele Höhenmeter auf der Strecke anstehen, ist unklar. Während Reist in einer Medienmitteilung von 66000 Höhenmetern spricht, werden auf der Veranstalterseite 53000 angegeben. Die Fehlerquote von Tourenportalen bei der Hochrechnung über so eine Distanz ist sehr groß. In jedem Fall sind es mehr Höhenmeter, als viele Rennradfahrer im ganzen Jahr schaffen. Von den über 360 startenden Fahrern, darunter 29 Soloathleten und zwei Frauen, erreichen jedes Jahr mehr als die Hälfte das Ziel nicht.

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Reist, die seit 2012 ungeschlagen ist, hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den internationalen Damen-Speedrekord von 21,3 km/h zu brechen, der seit 1995 von Seana Hogan gehalten wird. Es ist kein Zufall, dass dieser Rekord schon so lange steht: nur sieben Männer hatten seit 1995 eine schnellere Durchschnittsgeschwindigkeit. Einerseits steckt dahinter eine Topleistung der Ultracycling-Legende Seana Hogan in einem damals perfekten Rennen.

Neue Strecke ist länger

Ein weiterer Grund ist aber auch die Strecke, die schon seit vielen Jahren deutlich länger ist und mehr Höhenmeter aufweist. Hogan holte diesen Rekord über 4686 Kilometer. Um ihn zu knacken, muss Nicole Reist ihren Speed nun also deutlich länger aufrechterhalten als Hogan 1995, nämlich über rund 220 zusätzliche Kilometer und vor allem viele Extra-Höhenmeter. Wie viele genau, lässt sich nicht mehr eindeutig klären. Der RAAM-Pressesprecher Vic Amijo kennt keine genaue Daten aus dem Jahr 1995, aber erklärt auf TOUR-Nachfrage, “dass es sehr viel mehr Höhenmeter sind, weil die Appalachian Mountains dazu gekommen sind.” Die Fahrt durch die Appalachen ist eine Härteprüfung, die auch klimatisch anspruchsvoll ist: die Luftfeuchtigkeit ist meist sehr hoch und das wird bei hohen Temperaturen zum Problem. Der Kühlungseffekt durch Schweiß und Verdunstungskälte funktioniert nur noch begrenzt.

Auch die Gesamtzeit erschwert die Challenge: Rund einen halben Tag länger wird die Zürcher Oberländerin durchhalten müssen – was nach über neun Tagen am Limit einen großen Unterschied macht. Mit einer Zeit von 9 Tagen und 15 Stunden würde sie den Speed-Rekord knacken. 2018 kam sie nach 9 Tagen, 23 Stunden und 57 Minuten ins Ziel. Die magische Grenze von unter 10 Tagen hat sie also schon mal geknackt. 2022 war sie während fast 8 Tagen auf Rekordkurs – bis ein Sturz 300 Kilometer vor dem Ziel den Traum jäh beendete.

Erfahrung beim RAAM

Reist vertraut auf ihre Erfahrung aus drei RAAM-Teilnahmen, eine verbesserte Schlafstrategie und eine optimale Ernährung, nachdem jahrelange Nahrungsmittelallergien überwunden sind. Ihre Vorbereitungen und das Rennen selbst können Interessierte über ihre Webseite und Social-Media-Kanäle live verfolgen.

Im Ultracycling der Frauen ist die in Tann aufgewachsene Nicole Reist das Maß der Dinge und hat alles erreicht, was im Extrem-Radsport zu erreichen ist: sie ist fünffache Weltmeisterin, zweifache Europameisterin, dreifache Schweizermeisterin und hat in ihrer Karriere 23 Ultracycling-Rennen gewonnen. Während dem Race Across America, vom 11. bis 23. Juni 2024, wird das Team von Nicole Reist regelmäßig auf verschiedenen digitalen Kanälen berichten. Interessierte können Nicole Reist u.a. live mitverfolgen: auf www.nicolereist.ch und auf dem RAAM-Livetracker https://www.raamrace.org/live-tracking (Start-Nr. 549).

Nicole Reist Erfolge:

  • 2023: Sieg und 3. Rang Overall Race Around Danmark (1200 km, 10'000 hm), Sieg und 5. Weltmeistertitel Race Around Poland (3600 km, 33'000 hm). Danach Rücktritt.
  • 2022: Sieg und 3. Rang Overall Race Across America (RAAM, 5000 km, 55'000 hm), Sieg, Schweizermeister- und Europameistertitel sowie 2. Rang Overall an der TORTOUR (1000 km, 13'000 hm)
  • 2021: Sieg Race Around Austria (RAA, 2200 km, 35'000 hm), als erste Frau unter 4 Tagen, Sieg beim Adriatic Marathon, (Italien, 1200 km, 7000 hm), seit 10 Saisons ungeschlagen
  • 2020: Sieg Race Around Austria (RAA, 2200 km, 34'000 hm), Overallsieg am Adriatic Marathon(Italien, 1200 km, 7000 hm)
  • 2019: Sieg und Weltmeistertitel Glocknerman Ultraradmarathon Weltmeisterschaft (1000km, 17’000hm), Sieg am Race Across France (RAAF, 2600 km, 45'000 hm), Sieg am Race Around Austria (RAA,
  • 2200 km, 30'000 hm); erste Person, die mit RAAF und RAA zwei derart lange Rennen so kurz aufeinander fährt (Kombination: 4800 km, 75'000 hm, dazwischen 1 Woche).
  • 2018: Sieg, zwei Schweizerrekorde und 3. Rang Overall Race Across America (RAAM, 5000 km, 50000 hm); Sieg und 2. Rang Overall Race Across France (RAAF, 2500 km, 40’000 hm); erste Person, die zwei derart lange Rennen innert einer Saison bestritten und gewonnen hat.
  • 2017: Sieg und Weltmeistertitel an der Glocknerman Ultraradmarathon Weltmeisterschaft (1000km, 16’000hm); Sieg und Schweizermeistertitel an der TORTOUR (1000 km, 13'000 hm); Sieg Overall, Streckenrekord und Europameistertitel am Race Around Ireland (RAI, 2150 km, 21'000 hm); erste Person, die alle drei Titel innerhalb einer Saison gewonnen hat
  • 2016: Sieg Race Across America (RAAM, 5000 km, 50'000 hm); Sieg und Schweizermeistertitel bei der TORTOUR
  • 2015: Sieg TORTOUR (1000 km, 13'000 hm)
  • 2014: Sieg und Weltmeistertitel Glocknerman Ultraradmarathon Weltmeisterschaft; Sieg TORTOUR
  • 2013: Sieg Race Around Austria (RAA, 2200 km, 30‘000 hm)
  • 2012: Sieg Race Around Austria (RAA, 2200 km, 30‘000 hm)
  • 2007: Sieg und Weltmeistertitel Glocknerman Ultraradmarathon Weltmeisterschaft

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