Interview Nils Politt“Der Kopf ist freier”

Tom Mustroph

 · 31.01.2025

Interview Nils Politt: “Der Kopf ist freier”Foto: dpa / pa / Roth
Interview Nils Politt: “Der Kopf ist freier”
Nils Politt legte zum Einstand bei UAE Team Emirates eine starke Saison hin, in der Mannschaft des Tour- und Giro-Siegers wird er geschätzt. Bei den Klassikern will er in dieser Saison auch wieder selbst angreifen.

Interview mit Nils Politt

TOUR: In der vergangenen Saison konnte man den alten Nils Politt sehen, den, der aus seinem Potenzial auch exzellente Ergebnisse herausholt. War das auch für Sie die bislang beste Saison mit dem Podium in Flandern, Platz vier in Roubaix sowie beeindruckenden Leistungen für Tadej Pogačar bei dessen Tour-Sieg?

Nils Politt: Auf jeden Fall. Ich bin supergut ins Team hineingerutscht, habe mich schon auf Mallorca bei den ersten Rennen gut gefühlt und einfach gemerkt, dass ich einen Step gemacht hatte über den Winter. Und so bin ich in einen Flow gekommen, wie ich ihn 2019 auch schon hatte…

TOUR: … als Sie in Roubaix Zweiter wurden …

Nils Politt: …und dann lief das so ein bisschen von alleine.

TOUR: Das klingt jetzt auch im Rückblick optimal. Sie wirkten regelrecht befreit nach zuletzt eher durchwachsenen Jahren bei Bora-Hansgrohe. Sind Sie durch den Teamwechsel aufgeblüht?

Nils Politt: (Politt lacht, überlegt etwas) Also wie gesagt, ich fühle mich sehr wohl hier. Ich finde die Mentalität im Team super. Und klar ist es auch ein Stück einfacher, wenn man im erfolgreichsten Team der Welt fährt. Ich merke außerdem, dass es für mich persönlich besser ist, wenn der Druck nicht auf mir allein lastet, sondern auf das Team verteilt ist. Dann ist der Kopf ein bisschen freier.

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Harmonie im Team

TOUR: Wie macht sich das im Rennen bemerkbar?

Nils Politt: 2024 bei den Klassikern war es mit Tim Wellens einfach harmonisch. Wir haben viel miteinander gesprochen, viele Ideen geschmiedet. Er ist ein sehr cleverer Fahrer, und man kann mit ihm viele Dinge probieren. Er steht dabei immer hinter seiner Meinung, genauso wie ich. Und es hat extrem gut gematcht.

TOUR: Können Sie Beispiele dafür nennen?

Nils Politt: Beim Nieuwsblad (Omloop Het Nieuwsblad, bei dem Politt Zweiter wurde, Anm.) hat er gesagt: “Pass auf, ich versuche jetzt hier eine Attacke vorzubereiten und wenn du wegkommst, kommst du weg.” Beim nächsten Rennen habe ich dann gesagt: “Pass auf, gestern war mein Tag, heute ist dein Tag.”

TOUR: Das war genau 24 Stunden später, und da wurde Wellens Zweiter. Das bedeutet: Die Leistungsdichte ist für alle im Team von Vorteil? Auch die enorme Stärke von Tadej Pogačar, der das vielleicht auch im Training ausspielt, drückt nicht aufs Gemüt?

Nils Politt: Nein, gar nicht. Es geht extrem locker zu, extrem gelassen. So ist auch Tadej. Wir haben viel Spaß miteinander auf dem Rad. Und gut, ab und zu lässt er uns ein bisschen leiden.

Neue Trainingsmethoden

TOUR: Was hat sich für Sie beim Training geändert?

Nils Politt: Manches ist neu hinzugekommen wie das Hitzetraining und das Training in großer Höhe. Das hat auch gut angeschlagen. Ich muss auch sagen, ich habe mich noch nie so detailliert auf eine Tour vorbereitet. Ich wurde nicht irgendwie in Rennen reingedrückt, in solche, von denen ich gesagt habe, dass ich nicht weiß, ob die für die Vorbereitung hundertprozentig geeignet sind. Es kann alles diskutiert werden im Team und man ist offen für alles. Klar, manche Sachen kann man nicht ändern, aber viele Sachen wurden bei mir doch geändert, etwa dass ich einfach mal einen Trainingsblock einlegen oder spezifisch auch auf die Klassiker trainieren konnte. Wir haben danach dann auch spezifisch auf die Tour hingearbeitet. Nach den Klassikern bin ich nur noch Frankfurt und die Dauphine gefahren und dann zur Tour. Von daher war ich superfrisch bei der Tour und ich denke, dass das einfach einen großen Unterschied gemacht hat.



Zwischen Helfer und

TOUR: Was macht Ihnen eigentlich mehr Freude: bei den Klassikern, die Ihnen ja wirklich liegen, stark zu fahren oder dann doch für Tadej in den Bergen als Helfer alles zu geben?

Nils Politt: Beides gefällt mir. Ich finde, das ist ein guter Wechsel, erst bei den Klassikern alles rauszuhauen. Und dann bin ich aber tatsächlich gerne Helfer und hole alles aus meinem Körper raus, um das Bestmögliche für ein Team zu geben. Und das hat mir bei der Tour dieses Jahr auch extrem viel Spaß gemacht und ich denke, das hat jeder auch im Fernsehen sehen können.

TOUR: Gibt es in der Helferriege bei UAE den Ehrgeiz, die Vorgaben der Teamleitung im Rennen noch zu übererfüllen? Dass man nicht nur die vereinbarten ersten zwei Drittel am Berg führt, sondern alles mobilisiert, um noch von vorne über die Kuppe zu kommen?

Nils Politt: Wir gehen da alle ziemlich offen miteinander um. Und dieses Jahr bei der Tour haben wir uns extrem gut verstanden. Wir wussten einfach, was wir machen. Zum Beispiel am Tourmalet hatte Tim Wellens keinen guten Tag. Da war es nicht geplant, dass ich komplett von vorne fahre. Aber dann springt man eben in die Bresche und zieht das durch.

Nils Politt über Ziele für die Radsaison 2025

TOUR: Was sind Ihre Ziele für die kommende Saison?

Nils Politt: Ich will einfach da anknüpfen, wo ich aufgehört habe, und versuchen, ein Straßenrennen zu gewinnen.

TOUR: Anknüpfen heißt dann Platz zwei bei der Flandern-Rundfahrt, Platz drei in Roubaix und den Sieg beim Omloop Het Nieuwsblad?

Nils Politt: Ja, das wäre schön. Aber schauen wir einfach mal, wie das funktioniert.

TOUR: Sind Sie erleichtert, dass Tadej Pogačar zumindest für 2025 Paris-Roubaix noch ausgeschlossen hat und damit für Sie selbst mehr Platz im Team sein dürfte?

Nils Politt: Natürlich rücken unsere eigenen Ziele etwas zurück, wenn er am Start ist. Aber ich sehe das nicht als Problem, um nicht selbst gute Resultate einfahren zu können. Bei der Flandern-Rundfahrt hatten wir zum Beispiel vier Leute unter den Top Ten. Ich denke, gute Klassikerergebnisse sind trotzdem möglich, auch wenn Tadej am Start ist. Und einen Leader wie ihn zu haben, bedeutet auch, dass man selbst noch konzentrierter, noch fokussierter ist. Und wenn er dann ganz vorne ist, kann man entspannen und der Druck liegt komplett auf den anderen Teams.

TOUR: Die Siege von Pogačar in der vergangenen Saison haben viel Bewunderung ausgelöst, aber Kritik und Zweifel an seinen Leistungen haben auch zugenommen. Wie gehen Sie selbst damit um?

Nils Politt: Ich sehe ihn tagtäglich und ich trainiere jetzt hier im Camp auch täglich mit ihm. Er ist einfach ein extrem starker Fahrer, ein Ausnahmefall mit diesem Talent und dieser Spritzigkeit. Selbst in der Off-Season merkt man den Unterschied.

TOUR: Welchen Unterschied?

Nils Politt: Jeder, der mal was versucht im Training, ist dabei schon hart am Zapfhahn. Und er hat da Spaß am Radfahren. Und dabei merkt man, dass er einfach immer diese zehn, fünfzehn Prozent mehr hat.

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