„Ein paar Jahre noch, dann schlägt’s ein.“ Mit diesen Worten äußerte der ehemalige Radprofi Jan Ullrich kürzlich die Erwartung, dass seine Söhne zu erfolgreichen Radrennfahrern heranreifen könnten. „Sie sind zwar noch nicht in dem Alter, um Profi zu sein, aber die kommen auch nach“, meinte der Tour-de-France-Sieger von 1997. Ullrich hat mit seiner Ex-Frau Sara Steinhauser drei Söhne, von denen die beiden jüngeren, Benno (14 Jahre) und Toni (12 Jahre), für den Verein Rad-Union Wangen Nachwuchsrennen bestreiten.
Würden seine Jungs Radrennfahrer bzw. Profis, wäre Jan Ullrich in guter Gesellschaft. In der Geschichte des Radsports gibt es einige Söhne, die ihren Vätern als Radprofis nacheifern; Töchter, die es ihren Vätern oder Müttern nachtun, sind allerdings vergleichsweise selten. Ein weiteres deutsches Vater-Sohn-Gespann findet sich in Jan Ullrichs Verwandtschaft:
Tobias Steinhauser ist ein früherer Teamkollege von Jan Ullrich bei den Mannschaften Coast/Bianchi und T-Mobile, sowie der Bruder seiner Ex-Frau Sara. Georg ist also der Neffe von „Ulle“ und Cousin von dessen Söhnen. Tobias war Radprofi von 1996 bis 2005, Sohn Georg startet aktuell für das Team EF Education-EasyPost. 2024 fuhr der 24-Jährige in die Schlagzeilen, als ihm ein Sieg auf der 17. Etappe des Giro d’Italia mit einer Bergankunft am Passo Brocon gelang. In einem ausführlichen TOUR-Interview erzählen die beiden über ihr jeweiliges Leben im Profiradsport.
Sohn Rick Zabel hat seine Karriere als Radprofi erst vor wenigen Monaten beendet und darüber ausführlich mit TOUR gesprochen. Er war ein guter Helfer, zuletzt im Team Israel-Premier Tech, verfügte aber nicht über das Talent seines Vaters, der zu den erfolgreichsten deutschen Radprofis aller Zeiten zählt. Aus seinen mehr als 200 Siegen ragen die zwölf Etappensiege bei der Tour de France heraus, errungen in den Jahren zwischen 1996 und 2001, in denen er zudem sechsmal in Folge das Grüne Trikot des besten Sprinters gewann.
Dietrich, genannt Didi Thurau, war vor Jan Ullrich der erfolgreichste deutsche Radprofi bei der Tour de France. 1977 gewann der 22-Jährige den Prolog, trug anschließend an 15 Tagen das Gelbe Trikot des Führenden und belegte am Ende in Paris Rang zwei. Damit löste er in Deutschland eine bis dahin nicht gekannte Radsport-Begeisterung aus. Seine weitere Karriere war ein ständiges Auf und Ab, Thurau sah sich mehrfach mit Dopingvorwürfen konfrontiert. Seine beiden Söhne, Urs und Björn, versuchten sich ebenfalls als Radrennfahrer, wobei Björn der erfolgreiche war, über Verträge bei zweitklassigen Teams aber nicht hinauskam. 2021 wurde Björn Thurau wegen Dopingvergehen von der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA für neun Jahre und sechs Monate gesperrt.
Die Familie Teutenberg in Mettmann bildet eine ganze Radsport-Dynastie. Horst Teutenberg (1938-2021) hat drei Kinder, die alle im Radsport erfolgreich waren: die Söhne Lars und Sven und die Tochter Ina-Yoko. Letztere war im internationalen Maßstab die erfolgreichste der drei Geschwister und arbeitet heute als Sportliche Leiterin beim Frauenteam Lidl-Trek. Tim Torn und Lea Lin sind die Kinder von Lars Teutenberg. Tim Torn fährt aktuell für das Team Lidl-Trek, seine bislang größten Erfolge feierte der 22-Jährige auf der Bahn als Europameister im Ausscheidungsfahren und Omnium sowie als Weltmeister im Zweier-Mannschaftsfahren bei der WM 2024 in Kopenhagen zusammen mit Roger Kluge. Die 25 Jahre alte Lea Lin Teutenberg startet derzeit für das Frauenteam Lotto.
Der Größte aller Zeiten dominierte den internationalen Radsport während eines ganzen Jahrzehnts zwischen 1964 (Amateurweltmeister) und 1977 (Platz sechs bei der Tour de France). Dazwischen gewann er je fünfmal die Tour de France und den Giro d’Italia und auch so ziemlich jedes andere Rennen von Rang - und zwar meistens mehrmals. Vor diesem Hintergrund ist es unbedingt bemerkenswert, wie es seinem Sohn Axel (geboren 1972) gelang, trotz der ewigen Vergleiche eine sehr solide Karriere als Radprofi zu absolvieren und anschließend als Sportlicher Leiter zu arbeiten. Sein Debüt als Profi gab er übrigens 1994 beim damaligen Team Telekom.
Pech für den Papa, dass der Opa in dieser Familie die Radsport-Legende ist. Dass Frankreichs Rad-Idol Raymond Poulidor (1936-2019) der Großvater von Mathieu van der Poel ist, hat sich inzwischen herumgesprochen; der berühmteste Nicht-Gewinner (aber dreimalige Zweite) der Tour de France durfte die ersten großen Erfolge seines Enkels, insbesondere im Querfeldein, noch miterleben. Adrie, der Vater von Mathieu, braucht sich angesichts seiner Karriere als Profi zwischen 1981 und 2000 aber auch nicht zu verstecken. Poulidors Schwiegersohn gewann unter anderem Flandern-Rundfahrt, Paris-Tours, das Amstel Gold Race, die Clasica San Sebastian, die Meisterschaft von Zürich sowie zwei Etappen der Tour de France (1987 und 1988). Außerdem wurde er 1996 Weltmeister im Querfeldein.
Der erfolgreichste irische Radprofi der Geschichte erlebte seinen Karrierehöhepunkt 1987. In dem Jahr siegte er beim Giro d’Italia, bei der Tour de France und bei den Straßenweltmeisterschaften im österreichischen Villach. Der inzwischen 65-Jährige war - nach Eddy Merckx - erst der zweite Radrennfahrer, dem das gelang. In der Saison 2024 gesellte sich der neue Überflieger Tadej Pogacar diesem exklusiven Club hinzu. Stephen Roche ist aber bis heute der einzige irische Gewinner der Tour de France. Sein Sohn Nicolas hat seine Karriere inzwischen auch schon beendet. Er war ein solider Helfer in mehreren hochklassigen Teams, darunter Sky, BMC und Sunweb/DSM, konnte aber selten eigene Erfolge verwirklichen. In seiner Palmares stechen zwei Etappensiege bei der Spanien-Rundfahrt hervor. In dem irischen Radprofi Daniel Martin hatte Nicolas Roche übrigens einen erfolgreichen Kollegen als Cousin, bzw. sein Vater Stephen als Neffen.