Ist über das Thema Eddy Merckx nicht schon alles gesagt? Ja – aber noch nicht von jedem. Diese etwas despektierliche Redensart, mit der gerne über ausufernde Teams-Meetings und Diskussionsrunden gemeckert wird, trifft auf genau eine Wortmeldung definitiv nicht zu: Das neue Buch über Eddy Merckx, geschrieben von dem französischen Journalisten Guy Roger.
In diesem Buch spiegelt sich wider, was die französische Art des Schreibens über den (Rad-)Sport auch in Zeitungen wie der L’Èquipe auszeichnet, für die Roger viele Jahre gearbeitet hat: Die feuilletonistische, literarisch angehauchte, gelegentlich gar romanhafte Beschäftigung mit den Protagonisten der jeweiligen Disziplin. Dafür ist insbesondere der Radsport in seiner Ambivalenz ein Quell nie versiegender Inspiration: einerseits eine Bühne für strahlende Helden, die andererseits ohne die Hilfe getreuer Domestiken kaum einen Blumenstrauß gewinnen können. Hier die von taktischen Finessen geprägte Strategie-Show eingeschworener Mannschaften, da die offene Feldschlacht Mann gegen Mann.
Eddy Merckx: Eine Radsportlegende
Eddy Merckx, bekannt als »der Kannibale«, gilt dank seiner unerreichten 525 Siege als der beste Radsportler aller Zeiten. In dieser fesselnden Erzählung von Guy Roger werfen zahlreiche Wegbegleitern einen Blick auf Merckx‘ unvergleichliche Karriere und seinen unbändigen Siegeswillen – untermalt von illustrierten Statistiken.
Eine Karriere für die Geschichtsbücher
Von seinen legendären Siegen bei der Tour de France bis zum Aufstellen des Stundenweltrekords in Mexiko, ergründet das Buch die Geheimnisse hinter Eddy Merckx' Erfolgen. Stimmen von Teamkollegen, Rivalen und Experten vervollständigen das facettenreiche Bild einer Radsportlegende.
Eine Hommage an Eddy Merckx
Das Buch enthält exklusive Inhalte, darunter das Vorwort von Bernard Thévenet und das persönliche Nachwort von Eddy Merckx sowie spannende Statistiken. Es feiert das Erbe eines Mannes, dessen nachhaltiger Einfluss auf den Radsport bis heute präsent ist.
Guy Roger schöpft tief aus dieser Quelle der Geschichte und Geschichten. Klar, auch er hangelt sich an den bekannten Wegmarken von Merckx‘ Karriere entlang: der erste Sieg bei der Tour de France, der Doping-Skandal beim Giro d’Italia 1969, die legendäre und jahrelange Rivalität mit dem charakterlich so grundverschiedenen Spanier Luis Ocaña, und viele weitere. Die aber verknüpft er mit vielen Anekdoten aus jener großen Radsport-Epoche, er lässt Weggefährten, Teamkollegen und Zeitzeugen zu Wort kommen. Das alles fügt sich zu einem facettenreichen Bild, das man gerne lesend betrachtet, weil es tatsächlich noch Neues über Eddy Merckx zutage fördert und sehr unterhaltsam geschrieben ist. Eine Übersicht über Merckx Karriere in Stichworten und Grafiken, ein Vorwort von Bernard Thévenet und ein Nachwort von Eddy Merckx selbst runden den Band ab. Prädikat: sehr lesenswert.
Am 19. März, einem novembergrauen Sonntag – einen Tag nachdem Roger de Vlaeminck die „Primavera“ gewonnen hat –, präsentiert sich Merckx trotz all seiner Probleme, die sich auch aufs Gemüt schlagen, am Start des Omloop van het Waasland. Er trägt die ihm zugeteilte Rückennummer vier. Es ist das erste Mal, dass der ruhmreiche Eddy Merckx an diesem Rennen teilnimmt. Seine Anwesenheit ehrt den Wettkampf, der lange Zeit vom Tanzlokal Ponderosa organisiert wurde, bevor auch Profis zugelassen wurden. In einer Reportage für das flämische Radsportmagazin Bahamontes gibt der Journalist Rik van Puymbroeck Einblick in die offizielle Buchhaltung: „Aus der Gesamtsumme der Startprämien in Höhe von 101.500 Belgischen Francs (2.516 Euro) erhält Herr Merckx eine Prämie von 30.000 Belgischen Francs (745 Euro).“ Es ist kalt an jenem Tag, das Pflaster rutschig vom Regen – ein schlechtes Pflaster, mit großen Lücken, in denen man hängen bleibt –, und der belgische Wind verspricht ein Rennen zugunsten der physisch starken Fahrer. Der Mercedes von Merckx, gefahren von seinem Freund und Soigneur Pierrot de Wit, wird umringt, kaum dass der Motor aus ist. Die Start- und Ziellinie unter den Fenstern des Rathauses liegt rund 100 Meter entfernt, und es ist ein echter Kampf, sich dorthin durchzuschlagen. Der Kirchplatz ist zu klein für die gerührte Menge, die wie hypnotisiert von der Anwesenheit ihres Idols ist. Wenn sie nur könnten, 15 würden die Leute ihm Hände und Füße küssen. José de Cauwer, ein guter Beobachter, der für den Rennstall TI-Raleigh mit der Startnummer 65 an den Start geht und noch von sich reden machen wird, ist fassungslos: „Wer ihn kennt, weiß, dass er sich bei diesem Durcheinander gesagt haben muss: ,Was mache ich hier eigentlich?‘“