Abenteuerfahrt im PiemontStreckentest Granfondo La Fausto Coppi

Andreas Kublik

 · 07.07.2025

Abenteuerfahrt im Piemont: Streckentest Granfondo La Fausto CoppiFoto: GF La Fausto Coppi Generali 2025 / Fotoravenna
Einfarbig: Beim Granfondo in Cuneo tragen alle das Veranstaltungstrikot
Der Radmarathon La Fausto Coppi in den italienischen Westalpen kehrt auf traditionsreiche Pässe zurück: Die 170 Kilometer lange Strecke mit mehr als 4.000 Höhenmetern führt an Gedenkstätten für Fausto Coppi und Marco Pantani vorbei und über Trainingsrouten von Tadej Pogačar. Eine Testfahrt.

Man spürt geradezu die Radsporttradition unter den Reifen, wenn man mit dem Rennrad auf den Colle d’Esischie klettert. Der Schotter knirscht unter den Reifen - so als sei man zu Zeiten von Fausto Coppi in den 1940-er- und 1950er-Jahren unterwegs. Damals hatten viele Bergstraßen im Hochgebirge noch keine Asphaltdecke. Heute muss man sagen: Die Straßen haben keinen guten Belag mehr. Die Alpentäler des Piemont sind voller Anzeichen für die Landflucht - verfallende Straßen, verfallene Häuser. Aber die Berge sind voller wunderschöner Landschaften, es gibt reichlich schmale Straßenbänder, die für Autos fast zu schmal und für Motorradfahrer zu wenig einladend sind, um hier Valentino Rossi nachzueifern - dem Motorradsport-Idol Italiens. Das ist das ideale Terrain für die Teilnehmer des Radmarathons Granfondo La Fausto Coppi.

Zurück am Sampeyre

Marco Pantani (links) und Stefano Garzelli nach ihrem Sturz in der Abfahrt vom Colle di Sampeyre im Jahr 2003Foto: Getty Images / Tim de WaeleMarco Pantani (links) und Stefano Garzelli nach ihrem Sturz in der Abfahrt vom Colle di Sampeyre im Jahr 2003

Bei der 36. Auflage des Radmarathons mit Start und Ziel in der Stadt Cuneo wagt man sich auf eine traditionsreiche Straße zurück. Fast ein Jahrzehnt musste man den Colle de Sampeyre umfahren - zu schlecht war in den Augen der Organisatoren der Belag auf der Bergstraße, die letztmals 2003 beim Giro d’Italia befahren wurde - damals allerdings in umgekehrter Fahrtrichtung. Bei seinem letzten Giro-Start stürzte Marco Pantani auf der 18. Etappe bei widrigen Bedingungen in der Abfahrt vom Sampeyre - als er nach Disqualifikationen und Dopingvorwürfen auf dem Rad schon länger nicht mehr der stürmende Pirat, sondern nur noch ein Schatten seiner selbst war. Er fuhr damals seine Abschiedsrunde beim Giro. Wenige Monate später war er tot - eine Überdosis Kokain wurde als Todesursache festgestellt.

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Fausto Coppis legendäres Solo

Beim Veranstalter ist man stolz auf die Radsport-Tradition im Piemont und die Passtraßen mit viel Historie. Fausto Coppi wurde einst im eine Fahrrad-Tagestour entfernten Castellania geboren, starb 1960 im ähnlich weit entfernten Tortona im Krankenhaus, wohl an den Folgen der Malaria. In Cuneo startete er einst einen seiner vielen legendären Soloritte. Auf der 17. Etappe des Giro d’Italia 1949 über die Pässe und Anstiege Maddalena, Vars, Izoard, Montgenèvre und Sestriere setzte er sich früh ab und war gut 190 Kilometer als Solist auf dem Weg nach Pinerolo unterwegs. Anfangs, als unter anderem einmal Francesco Moser bei diesem traditionsreichen Radmarathon ganz vorne mitmischte, führte die Strecke über diese Pässe in Frankreich - mittlerweile ist der Genehmigungsaufwand im Nachbarland laut der Organisatoren zu groß. Man bleibt auf heimischen Terrain - und das bietet genug. Elisa Balsamo, die Weltmeisterin von 2021, hat rund um Cuneo ihre Radsportkarriere begonnen. Jüngst, so raunen einem die Veranstalter zu, sei Tadej Pogačar während seines Höhentrainingslagers vor der Tour de France am Colle Fauniera gesichtet worden.

Heiß und rutschig

Durchs Felsenmeer: Die Strecke des Granfondo La Fausto CoppiFoto: GF La Fausto Coppi Generali 2025 / FotoravennaDurchs Felsenmeer: Die Strecke des Granfondo La Fausto Coppi

Zusammengefasst: Der Granfondo (Radmarathon) La Fausto Coppi bietet viel Tradition und eine neue Strecke: TOUR machte eine Testfahrt - bei brütend heißen Bedingungen. Nach zügiger 50 Kilometer Anfahrt vom Start in Cuneo über die Colletta di Rossanna, an der ein Denkmal für Pantani steht, stürmen einige Teilnehmer übermütig in den ersten Pass - als ginge es am Sampeyre nicht die nächsten rund 20 Kilometer bis auf 2.280 Meter Höhe und als herrschten an diesem letzten Juni-Wochenende 2025 nicht um die 35 Grad - selbst in den Bergtälern des Piemont. Immerhin: Die schmale Passstraße windet sich im Schatten bergwärts, irgendwo auf halber Höhe gibt es einen Wasserschlauch an einem Bachlauf, der die meisten Teilnehmer zu einem kurzen Stopp lockt. Wer meint, man könne sich dann auf der langen Abfahrt erholen, der hat sich gründlich getäuscht. Die Straßen bei La Fausto Coppi bieten auch äußerst anspruchsvolle Abfahrtsprüfungen: Spurrillen, bröseliger Asphalt, scharfe, schlecht einsehbare Kurven mit furchteinflößenden Blicken in den Abgrund, Geröll auf der Fahrbahn. Zwar haben die Veranstalter fast an jeder Gefahrenstelle Alpini, die italienischen Gebirgsjäger, mit Fahnen postieren lassen - aber irgendwann hat man den Eindruck man bräuchte eher einmal einen Hinweis, wo man mutig die Bremse aufmachen und die Scheiben abkühlen lassen könnte. Puh.

Doppel-Pass: Es folgen Colle d’Esischie und Colle Fauniera

Tolle Landschaft prägt den Radmarathon im PiemontFoto: GF La Fausto Coppi Generali 2025 / Giancarlo ModenaTolle Landschaft prägt den Radmarathon im Piemont

Kaum ist man unten im Tal lebendig und sturzfrei angekommen, geht es gleich auf der anderen Seite wieder bergauf - zum Höhepunkt des Tages, der sich freundlicherweise Colle dei Morti nennt, Pass der Toten. Weil das aber Gästen zu viel schlechte Gefühle verursachen könnte, nennt man die elend lange Auffahrt, auf der man viele physische und psychische Tode stirbt, über den Vorberg Colle d’Esischie nach wenigen Metern Abfahrt auf den höchsten Punkt des Tages, den Colle Fauniera - 2.480 Meter hoch. Abkühlung? Fehlanzeige. Cola, Wasser, Iso-Getränk, alles schmeckt wie heißer Tee. Zwar sind die Tische voller Süßwaren, aber wer schlägt sich schon bei brütender Hitze fast ohne Sonnenschutz den Magen mit schwer verdaulichem Süßkram voll? Wohl dem, der ausreichend Energiegels in der Trikottasche bergwärts geschleppt. Ein paar Becher Cola hieven den Blutzucker-Pegel wieder auf ein Niveau, auf dem man die nächste respekteinflößende und endlos lange Abfahrt halbwegs konzentriert bewältigen kann - meist versperren mächtige Felsen den Blick auf die Ideallinie, in der dann meist ein paar Steinbrocken genau an der falschen Stelle liegen.

Eine letzte Gemeinheit...

Im Tal angekommen könnte man von Delmonte eigentlich herrlich talauswärts ins Ziel nach Cuneo schießen. Aber die Organisatoren wollten den Teilnehmern die Aussicht auf mindestens 4.000 Höhenmeter Tagesausbeute bieten - weshalb man noch zu einer Wallfahrt hinauf zur Kirche Madonna dell Colletto lädt, nochmal 600 Höhenmeter in einer Art Freilauftsauna. Sensationell: Am Anstieg reichen einem wildfremde Menschen Trinkflaschen oder schütten einem auf Wunsch kaltes Wasser über Kopf und Nacken. Auch an der letzten von halben Dutzend Verpflegungsstationen gibt es dann nichts wirklich Kühles für den Magen- immerhin es folgt eine erfrischende Abfahrt, auch wenn es anfühlt, als müsste man auf der asphaltieren Buckelpiste auf seinem Rennrad Rodeoreiten wie ein Skiabfahrtsläufer über legendäre Schlüsselstellen wie Ciaslatwiesn und Kamelbuckel. Danach geht es in einer kleinen Gruppe die letzten 20 Kilometer leicht abschüssig in rasender Fahrt ins Ziel - auf den zentralen Stadtplatz von Cuneo, die Piazza Galimberti, die am Tag von La Fausto Coppi ganz dem Radsport gehört.

Fazit: Viel Tradition, gute Stimmung, tolle Pässe

TOUR-Redakteur Andreas Kublik auf TestfahrtFoto: GF La Fausto Coppi Generali 2025 / FotoravennaTOUR-Redakteur Andreas Kublik auf Testfahrt

Fazit: Ein Radmarathon wie aus alten Zeiten - im besten Sinne. Weniger Event, weniger Trubel als andernorts, keine Begleitfahrzeuge, jeder verpflegt sich selbst. Und weil der Veranstalter verlangt, dass alle das Trikot der diesjährigen Veranstaltung im Rennen tragen, ist es für kleine halbprofessionelle Teams offenbar nicht interessant, in Cuneo an den Start zu gehen. Die Strecke ist weitgehend gut abgesichert - Polizei, Carabinieri, Feuerwehr und italienische Armee stellen zahllose Streckenposten. An den Verpflegungen sind alle engagiert und fix. Und unterwegs staunt man darüber, dass in einer immer ehrgeiziger werden Radmarathon-Szene wildfremde Menschen stehen und einem Trinkflaschen reichen oder einem kühles Nass in den Nacken kippen. Und die Pässe Sampeyre, Esischie und Fauniera muss jeder Radsportler in seiner Vita einmal bewältigt haben - am besten in der Fahrtrichtung des Granfondo - von Nord nach Süd. Andersrum kann man die Route nur mit Gravel- oder Mountainbike empfehlen. Tipp an die Veranstalter: Kühle Getränke an den Verpflegungsstationen wären wichtig - auch mehr Möglichkeiten, die Körpertemperatur wieder zu senken. Dazu etwas mehr renn- beziehungsweise radmarathongerechte Verpflegung wie Riegel und Gels.

Info des Veranstalters: www.faustocoppi.net

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