“Gravel Burn” in SüdafrikaSieben Tage Gravelrennen und null Luxus

Gitta Beimfohr

 · 09.11.2025

Olympia-Sieger und Allround-Talent Tom Pidcock war eigentlich als Tourist dabei, gab zwischendrin aber doch mal Gas: "Ich bin nun mal ein Wettkampf-Typ", erklärte der Brite später.
Foto: Bruce Viaene / Gravel Burn
In der wunderschönen Karoo-Wüste kam es zu einem ganz besonderen Ereignis: Beim "Gravel Burn", dem ersten Etappenrennen der Kategorie Gravel, gingen Ende Oktober Profis aus der Rennrad- und Mountainbike-Szene an den Start. Das Programm: 7 Tage, 800 Kilometer, 11.000 Höhenmeter - und null Luxus.

Aufgezogen wurde das erste große Gravelbike-Rennen in Südafrika Ende Oktober wie das legendäre Cape Epic für Mountainbiker: 7 Tagesetappen, Zeltcamp, Medienrummel. Allerdings starten die Racer hier als Einzelfahrer und nicht in Zweier-Teams. Der Fokus liegt nicht auf Trails, sondern auf 800 Kilometern Gravel- und Sandpisten. Dafür verläuft die Strecke nicht in Kringeln durch Privatgelände, sondern – wie es sich für ein echtes Etappenrennen gehört – von A nach B durch echte Wildnis. Spannend auch: Alle schlafen im Zelt, die Trikots müssen selbst gewaschen, die Trinkflaschen selbst befüllt werden. Luxus und Team-Unterstützung gibt’s beim Gravel Burn nicht. Auch nicht für einen doppelten Olympia-Sieger wie Tom Pidcock.

Doppel-Olympiasieger Tom Pidcock war vielleicht der beste Allrounder im Feld, ließ es aber locker angehen.Foto: Paul Ganse / Gravel BurnDoppel-Olympiasieger Tom Pidcock war vielleicht der beste Allrounder im Feld, ließ es aber locker angehen.

Kopf dieses neuen Rennformats für Gravelbiker ist Kevin Vermaak. Der Südafrikaner war einst an der Gründung des Cape Epic beteiligt, bis das MTB-Rennen schließlich vom Triathlon-Veranstalter Ironman übernommen wurde. So stehen beim Gravel Burn in der Startliste der Hobbyfahrer auch ein paar Rennveteranen aus früheren Zeiten: Thomas Frischknecht (55 Jahre) etwa und seine Frau Sibylle. Aber natürlich auch Karl Platt (49 Jahre), der die Cape Epic in den ersten Jahren dominierte.

Neugierig machte vor allem die neue Strecke: Von Knysna, einer kleinen Stadt am Indischen Ozean und an der berühmten “Garden-Route” gelegen, ging’s ins Landesinnere hinauf. Lange Wellblech-Sandpisten zogen sich bis auf fast 2000 Meter Höhe und drehten dann im großen Bogen durch die landschaftlich spektakuläre Karoo-Halbwüste. Am Ende wartete der finale Zielbogen im privaten Wildreservat Shamwari. Also mitten im Big-5-Wildlife.

Regen, Schlamm und Minusgrade in der Nacht

Wie die Römerlager bei Asterix: Verpflegung, Felddusche und Service waren Top, die Fahrer mussten sich aber um alles selbst kümmern. Betreuer-Teams durften nicht mit in die Wüste.Foto: Fahwaaz Cornelius / Gravel BurnWie die Römerlager bei Asterix: Verpflegung, Felddusche und Service waren Top, die Fahrer mussten sich aber um alles selbst kümmern. Betreuer-Teams durften nicht mit in die Wüste.

Nur das Wetter wollte bei der Premiere nicht mitspielen: Schon am Starttag schüttete es wie aus Eimern. Nachts im Zelt: Minusgrade. Immer wieder zerrten Sturmböen an den Zeltplanen der Fahrer und die sechste Etappe musste sogar neutralisiert durchgezogen werden, weil Regenmassen, Sturmböen und Hagel die Sandpisten in knietiefe Schlammrutschen verwandelt hatten. Am Tag der langen, technischen Abfahrten erschien das den Veranstaltern zu gefährlich. Als der Himmel aber endlich aufriss, flimmerten sofort 35 Grad über den Pisten und der Wind blies konstant Staub ins Gesicht. Dem Schweizer MTB-Profi Andri Frischknecht zogen diese Wetterkapriolen am sechsten Tag schließlich den Stecker: Er stürzte auf einer der langen Abfahrten schwer, zog sich dabei eine Schlüsselbeinfraktur samt Lungenkollaps zu und musste im Krankenhaus operiert werden.

Harte Bedingungen also beim ersten Gravel Burn. Nicht nur für die Hobbyfahrer, sondern auch für die 32 Profifahrer und 5 Profifahrerinnen im Feld, die aus allen Kategorien angereist waren. Es standen also Roadbike-, Cross Country- und Marathon-Größen erstmalig gemeinsam am Start eines großen Etappenrennens. Die spannende Frage: Wer kommt mit dem neuen Sportgerät, den Bedingungen und dem neuen, mehrtägigen Rennformat am besten zurecht? Sind es die Rennrad-Profis, die den Lenker, die Sitzposition und null Federweg gewöhnt sind oder doch eher die Etappenrennen-erfahrenen Offroad-Strategen, die das filigranere Arbeitsgerät aber vielleicht zu aggressiv durchs Gelände jagen?


Wir haben Karl Platt, der in seiner Altersklasse 2. wurde, nach dem Rennen befragt

Die können 3 bis 5 Minuten so richtig fett ins Laktat gehen. Das schaffst du als Mountainbiker nicht. - Karl Platt, Marathon- und Etappenrennen-Spezialist
Marathon- und Etappenrennen-Spezialist Karl Platt war schon oft in Südafrika beim Cape Epic, aber solche Bedingungen hat er hier noch nie erlebt.Foto: Paul Ganse / Gravel BurnMarathon- und Etappenrennen-Spezialist Karl Platt war schon oft in Südafrika beim Cape Epic, aber solche Bedingungen hat er hier noch nie erlebt.

BIKE: Hey, Karl! Wir gratulieren zum 2. Platz! Deinen Insta-Posts konnte man entnehmen: Das Gravel Burn war ein ganz schön hartes Brett, oder?

Karl: Das kann man wohl sagen. Vor allem das Wetter hat es noch mal härter gemacht. Schon am ersten Tag stand der legendäre Prince-Alfred-Pass an. Den bin ich schon mal beim Cape Epic gefahren und hatte ihn in guter Erinnerung. Diesmal aber hat es morgens schon geschüttet und die gesamte Etappe war eine einzige Schlammschlacht. Ich glaub, ich war nach einem Renntag noch nie so dreckig. Mein Trikot habe ich unter der Felddusche noch halbwegs ausgewaschen gekriegt, meine Radhose habe ich gar nicht erst versucht. Die hab ich gleich weggeschmissen.

Stimmt, diesmal gab es ja keine Betreuer-Teams, ihr musstet euch in den Zeltcamps komplett selbst versorgen.

Ja, wobei es vom Orga-Team natürlich einen gewissen Luxus gab: Die Zeltstadt war im Ziel immer schon aufgebaut, deine Tasche stand bereits in deinem Einzelzelt und du konntest dein Bike zum Waschen und Service machen abgeben. Einmal brauchte ich neue Bremsbeläge und die waren am nächsten Morgen am blitzsauberen Bike montiert. Auch die Verpflegung in den großen Küchenzelten war top. Nur die Nächte im Zelt, die waren wirklich brutal kalt.

Du bist ja ein Cape-Epic-Spezialist der ersten Stunde - gibt es etwas, was dir beim Gravel Burn sogar noch besser gefallen hat?

Die Landschaft in der Karoo-Wüste war natürlich umwerfend. Wir haben Giraffen gesehen, Zebras und Affen... Auch die lockere Atmosphäre unter den Teilnehmern war toll. Es waren ja deutlich weniger Teilnehmer. Da saß man abends gemeinsam am großen Feuer und hat natürlich auch ganz neue Leute aus dem Straßenrennsport kennengelernt. Das war so ein richtig cooles Meet-and-Greet.

Die Karoo-Halbwüste gehört zu den spektakulärsten Landschaften Südafrikas.Foto: Gravel BurnDie Karoo-Halbwüste gehört zu den spektakulärsten Landschaften Südafrikas.

Und, hast du auch mit Doppel-Olympiasieger Tom Pidcock plaudern können?

Klar! Wir haben ja ein gemeinsames Thema: schnelle Autos und so. Aber er war ohnehin nicht im Rennmodus unterwegs. Eigentlich hat er mit seiner Verlobten Urlaub in Südafrika gemacht und das Rennen nur so als Trainingseinheit mitgenommen. Am Ende gab er sich mit Platz 26 zufrieden.

Hat er seine Trikots auch selbst mit der Hand ausgewaschen und im Zelt geschlafen?

Natürlich, und er fand’s richtig geil, hat er gesagt. Vor allem das Camp-Leben mit Zelt und Lagerfeuer.

Hat dich gestört, dass man beim Gravel Burn nur als Einzelfahrer und nicht im Zweier-Team starten kann?

Nein. Zweier-Teams würden beim Gravel-Rennen auch nicht funktionieren. Da bist du ohnehin ständig in 50er- oder 60er-Pulks unterwegs und am Windschatten fahren. Wie willst du da noch auf einen Team-Partner achten? Beim Cape Epic ist das anders. Das würde mir als Einzelstarter keinen Spaß machen.

Wer, denkst du, hat bei einem Gravel-Rennen nun die größeren Vorteile: die Roadbike-Fraktion oder die offroad-erfahrenen Mountainbiker?

Also ich sitze beim Training viel auf dem Rennrad und bin daher Position und Lenker gewöhnt. Aber ich habe mir durchaus 50er-Reifen aufgezogen und bin die mit 1,4 bar gefahren - einfach für mehr Komfort. Das nächste Mal würde ich sogar eine Federgabel in Erwägung ziehen. Gewicht sparen macht auf der Gravel-Burn-Strecke keinen Sinn. Die Erfahrung hat so mancher Straßenfahrer machen müssen. Aus der Fraktion gab es auch die meisten Beschwerden, dass die Strecke zu anspruchsvoll gewesen sei.

Also waren es die Mountainbiker, die hier Vorteile hatten?

Bei bestimmten Abfahrten vielleicht schon. Aber 120 Kilometer staubige Wellblechpiste machst du natürlich auch als Mountainbiker nicht mit Fahrtechnik wett. Es gab auch steile Anstiege, die mit der Gravel-Übersetzung kaum tretbar sind. Hier taten sich die Mountainbiker auch etwas leichter, würde ich sagen. Aber was die Straßenfahrer auf jeden Fall mitbringen, ist ihre Peak Power. Die können drei bis fünf Minuten so richtig fett ins Laktat gehen und danach weiterkurbeln, als sei nichts gewesen. Das schaffst du als Mountainbiker nicht. Wir sind mehr das konstante Kurbeln gewöhnt.

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Wenn du dich nächstes Jahr für ein Rennen entscheiden müsstest: Cape Epic oder Gravel Burn?

Definitiv Cape Epic! Das ist einfach mein Rennen.


Die Gewinner der “Gravel Burn”-Premiere in Südafrika

Offroad-Erfahrung: Matthew Beers gewann die Gravel Burn-Premiere vor Straßenprofi Simon Pellaud.Foto: James Cameron Heron / Gravel BurnOffroad-Erfahrung: Matthew Beers gewann die Gravel Burn-Premiere vor Straßenprofi Simon Pellaud.

Männer

  1. Matthew Beers (RSA): Der 31-jährige Südafrikaner hat sich auf Cross-Country- und Gravel-Rennen spezialisiert. Cape Epic hat er drei Mal gewonnen (2021, 2023 und 2024).
    Finisher-Zeit: 19:01:03 Stunden
  2. Simon Pellaud (SUI): Der 33-Jährige Roadbike-Profi fährt fürs Tudor Pro Cycling Team, aber verstärkt künftig auch Gravel-Rennen. 2025 gewann er bereits die Gravel-Rundfahrt “Transcordilleras” und das UCI-Gravel-World-Series-Rennen “Gravel Brazil”.
    Finisher-Zeit: 19:06:29 Stunden
  3. Hugo Drechou (FRA): Der 34-Jährige fuhr früher Cross-Country-Worldcup, dann Marathon und stieg 2024 auf Gravel um: “Gravel gibt mir neuen Schwung im Rennsport.”
    Finisher-Zeit: 19:09:59 Stunden
  4. Tristan Nortje (RSA): Cross-Country-Racer, und Cape Epic-Teilnehmer aus Südafrika.
    Finisher-Zeit: 19:10:30 Stunden
  5. Lukas Baum (GER): Cross-Country, Marathon- und Etappenrennen-Spezialist. Der Deutsche gewann zusammen mit Georg Egger 2022 das Cape Epic Rennen und im September 2023 die erstmalig ausgetragenen Deutschen Gravel-Meisterschaften in Daun.
    Finisher-Zeit: 19:11:44 Stunden
  • ​Andreas Seewald (GER) (8.)
  • Georg Egger (GER) (12.)

Frauen

Axelle Dubau-Prévot (Mitte) ist die Schwester von Olympiasiegerin (MTB) und Tour-de-France-Femmes-Gewinnerin Pauline Ferrand-Prévot. Sieger-Prämie beim Gravel Burn: 18.000 Dollar.Foto: Bruce Viaene/Gravel BurnAxelle Dubau-Prévot (Mitte) ist die Schwester von Olympiasiegerin (MTB) und Tour-de-France-Femmes-Gewinnerin Pauline Ferrand-Prévot. Sieger-Prämie beim Gravel Burn: 18.000 Dollar.

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  1. Axelle Dubau Prévot (FRA): 29 Jahre, hat im Sommer 2025 ihre aktive Straßenrad-Karriere beendet (u. a. Tour de France Femmes) und ist die Schwester von Pauline Ferrand-Prévot.
    Finisher-Zeit: 23:40:55 Stunden
  2. Melisa Rolling (USA): Enduro- und Gravelbikerin, früher Ultramarathonläuferin
    Finisher-Zeit: 23:43:02 Stunden
  3. Heylay Preen (RSA): Die 27-Jährige ist in Afrika in allen Radsport-Disziplinen am Start, vorwiegend aber bei Cross Country und Straßenrennen.
    Finisher-Zeit: 23:43:10 Stunden
  4. Lauren Stephens (38, USA): US-Meisterin 2023 im Gravel, 6. bei der Gravel-WM 2023, aber auch Siegerin im Straßenrennen der Panamerikanischen Spiele (2023 und 2024).
    Finisher-Zeit: 23:43:39 Stunden
  5. Ashleigh Moolman-Pasio (RSA): Die 39-jährige Südafrikanerin hat 4 Mal bei Olympia teilgenommen und dominiert den afrikanischen Straßenradsport der Frauen. 2020 sicherte sie sich den ersten WM-Titel im E-Cycling.
    Finisher-Zeit: 23:51:36 Stunden

Ab dem 3. Februar ist die Anmeldung für das nächste Gravel Burn in Südafrika geöffnet.
Termin: 25.-31. Oktober 2026, Info: gravel-burn.com


NEU: Gravel Peaks - Das sechstägige Etappenrennen in den Alpen

​Von Saalfelden Leogang über den Hochkönig und durch die Flachau bis nach St. Michael im Lungau - die Strecke des ersten alpinen Gravel-Etappenrennens führt 6 Tage lang durch die landschaftlichen Highlights des Salzburger Landes.

Renntempo ist dabei nur auf ausgewählten Abschnitten nötig. So bleibt zwischen den Stages noch genug Zeit für Landschaft, Einkehr und Austausch mit der Gravel-Community.

Termin: 11. bis 16. Mai 2026

Die Strecken-Details werden am Dienstag, den 11. November bekanntgegeben:

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