Schwarzwald SuperTOUR war beim Radmarathon dabei

Tim Farin

 · 26.09.2023

Gute Laune beim Start von Schwarzwald Super - Wetter, passt!
Foto: Baschi Bender
“Schwarzwald Super!” ist ein noch relativ junger Radmarathon im tiefen Süden der Republik, der sportliche Herausforderung mit vielen landschaftlichen und kulinarischen Genussmomenten kombiniert. TOUR hat sich ins Peloton eingereiht.

Schwarzwald Super - 2023 ausgebucht

Die Lampen gehen langsam aus. Das allerdings ist rein beschreibend zu verstehen, denn die Laune der Frauen und Männer auf diesem Anstieg geht so steil nach oben wie die Route. Die Sonne kommt hinter Bergrücken und Wipfeln zum Vorschein, erstaunlich viel ist von ihr trotz der Wettervorhersage zu sehen. Das Morgengrauen holt die Landstraße 130 aus dem Dunkeln. Simon Jesser hat ein Lächeln im Gesicht. “Das war ja schon einmal einfacher als gedacht”, sagt der 25 Jahre alte Lehramtsstudent aus Freiburg.

Gute Laune beim Start von Schwarzwald Super - Wetter, passt!Foto: Baschi BenderGute Laune beim Start von Schwarzwald Super - Wetter, passt!

Es ist das erste Mal, dass Jesser sich an ein Rad-Event heranwagt, angestiftet von einem Freund. Und was er sich da vorgenommen hat! Einen ganzen Tag durch den Schwarzwald kurbeln, 255 Kilometer, unerbittlich hoch und runter – und vor dem Kontrollschluss um 22.00 Uhr möchte er wieder in Münstertal sein, um sich die Urkunde mit dem goldenen Siegel zu sichern.

Es ist keine Übertreibung: Simon Jesser wagt sich an diesem Sonntag im August an eine der härtesten Prüfungen heran, die der organisierte Radsport in Deutschland zu bieten hat. Er fährt zwar ohne Begleitung, denn sein Freund lieferte ihm nur die Idee, aber er wird sich trotzdem nicht alleine fühlen. 940 Menschen starten sehr früh an diesem Spätsommertag beim “Schwarzwald Super!”, der bis vor Kurzem noch ein Geheimtipp war und 2023 ausgebucht ist.

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Auf der Landstraße von Münstertal bergan übernimmt der dämmernde Morgen die BeleuchtungFoto: Baschi BenderAuf der Landstraße von Münstertal bergan übernimmt der dämmernde Morgen die Beleuchtung

Schwarzwald Super - Community-Treff

Es ist eine Veranstaltung, die nicht nur Leistung fordert, sondern auch zur Selbsterkenntnis einlädt: Ein Rennen ist “Schwarzwald Super!” nicht, die Zeitmessung fehlt, ein besonders harter Radmarathon ist es schon – aber gleichzeitig ist es auch ein Community-Treff und ein kulinarischer Gegenpol zu all den Performance-­Events im Veranstaltungskalender. Er lädt, bei offenem Blick, zu Fragen ein. Welche Art Sport betreibt man, will man betreiben? Dieser Tag im Sattel fühlt sich anders an als die meisten anderen. Denn der Marathon, der drei Strecken zur Auswahl bietet, vereint körperliche Höchstleistung mit ausgedehnten Pausen, Genuss- und Rückholmomenten.

Am Hochblauen haben die Teilnehmer den zweiten Anstieg hinter sich und einen traumhaften Blick vor AugenFoto: Baschi BenderAm Hochblauen haben die Teilnehmer den zweiten Anstieg hinter sich und einen traumhaften Blick vor Augen

Am Nachmittag vor dem Start sieht es vor der Belchenhalle im beschaulichen Münstertal aus wie bei einem Klassentreffen. Es ist schwülwarm, die Sonne scheint an diesem Nachmittag zum Rumhängen. Die Bierbänke sind gut besetzt, Kinder verkaufen am Getränkestand Limo und alkoholfreies Bier, Männer und Frauen fallen einander in die ­Arme. Johannes Kratzert gibt zu, dass er ein bisschen neidisch ist, denn für den Organisator ist das Wochenende purer Stress.

Dabei ­hatte Kratzert vor zehn Jahren mit einem Freund eigentlich nur den Ansatz verfolgt, so etwas wie die italienische “Eroica”, also ein Genuss-Rennrad-Event, auch in Deutschland zu organisieren. “Wir fanden das einfach schön: schöne Strecken, das Essen der Region und eine entspannte Atmosphäre”, erinnert sich Kratzert.

Schwarzwald Super - Camping oder Turnhalle

Statt der kultigen Schotterstraßen in der Toskana bietet der Schwarzwald einen anderen Vorzug, den Kratzert und sein Mitstreiter zu schätzen wissen: die Berge, die sich nach Belieben und mit wenig Straßenverkehr kombinieren lassen. “Ich plane am liebsten Routen”, sagt Kratzert, “und es hat sich gezeigt, dass die meisten Leute die besonders langen Strecken reizvoll finden.”

Schwarzwald Super: Bei den Verpflegungsstellen wie in Baden­weiler wartet regionale Kost statt Functional FoodFoto: Baschi BenderSchwarzwald Super: Bei den Verpflegungsstellen wie in Baden­weiler wartet regionale Kost statt Functional Food

Seit 2014 gibt es “Schwarzwald Super!”, damals startete Kratzert mit etwa 30 Leuten von Freiburg aus, seit 2016 trifft man sich in Münstertal, denn der hiesige Tourismusverband erkannte in der Veranstaltung Potenzial. Gut für die Organisatoren, die heute als eingetragener Verein agieren und am Veranstaltungswochenende inzwischen 70 Helfer in Bewegung bringen, denn in Münstertal gibt es Parkplätze und zwei Turnhallen, in denen die Starter ihre Räder lagern und auf Matten übernachten können. Das tun zahlreiche Fahrerinnen und Fahrer, viele andere stehen mit ihren Campern auf dem benachbarten Parkplatz.

Die Berge, lassen sich nach Belieben und mit wenig Straßenverkehr kombinierenFoto: Baschi BenderDie Berge, lassen sich nach Belieben und mit wenig Straßenverkehr kombinieren

Wie bei einer Schulparty

Jutta Hellstern und Stefan Schwarz, 48 und 49 Jahre alt, gehören seit der Anfangszeit zur Community des “Schwarzwald Super!”. Immer wieder grüßen sie andere Teilnehmer, die zur Registrierung gehen. 2015 machten sie erstmals mit. “Damals haben wir Werbung in einem alternativen Laden gesehen und uns angemeldet”, sagt Schwarz, “an dem Tag war dann eine Stimmung wie bei einer Schulparty, alle waren meganett – und gleichzeitig sind alle auf einem Niveau, wo sie hart Sport machen möchten.”

Schwarzwald Super: Im südlichen Schwarzwald ist schon der Vormittag hochsommerlichFoto: Baschi BenderSchwarzwald Super: Im südlichen Schwarzwald ist schon der Vormittag hochsommerlich

Die beiden wagten sich damals schon an die schwierigste der angebotenen Distanzen und bestanden sie. “Seither versuchen wir es jedes Jahr und haben es fast immer zu Gold geschafft”, berichtet Jutta Hellstern. “Was es eigentlich ausmacht, ist, dass man hier zusammen Kaffee trinkt und Knöpfle isst mit den Leuten, die man so kennt”, sagt Stefan Schwarz, ein Musterathlet, der ohne Leistungsdaten auskommt – und seine Partnerin ergänzt: “Die man einmal im Jahr hier sieht.”

Das große Zusammentreffen liegt eine Nacht zurück, Stefan Schwarz und Jutta Hellstern sind längst gut gelaunt über die ersten Berge geradelt, den länglichen Kreuzweg und den durchaus kraftzehrenden Anstieg zum Aussichtspunkt am Hochblauen in 1160 Metern Höhe; wie die anderen Teilnehmer haben sie am Kurhaus in Badenweiler Müsli und Kuchen frühstücken können und dort, ebenso wie an einem Kasten oben an der zweiten Bergwertung, Stempel für ihre Wertungskarte gesammelt. Wie bei einer RTF führen die Teilnehmer beim “Schwarzwald Super!” diese Papierbögen mit, wer am Ende die Auszeichnung für Gold anstrebt, muss es auf zwölf Stempel bringen.

Schwarzwald Super: Wer Stempel sammelt, bekommt im Ziel eine UrkundeFoto: Baschi BenderSchwarzwald Super: Wer Stempel sammelt, bekommt im Ziel eine Urkunde

Schwarzwald Super - Trotz Blessuren fahrtüchtig

Die Sonne kommt hervor, die Gewitteransagen haben sich erübrigt. Simon Jesser hat nach der zweiten Verpflegung einen neuen Gesprächspartner auf der Strecke kennen­gelernt. Die beiden rollen am Vormittag auf den vierten Anstieg des Tages zu, kurz nachdem die Teilnehmer der Bronze-Runde abgeleitet worden sind. Vorbei an Obstwiesen, Kuhweiden und durch Dörfchen geht es wieder bergan.

Auf dem Weg zum Gersberg erzählt Clemens Dold, dass er heute mit dem Rad seiner Frau unterwegs sei – “Sattel runter und los”; der 67-Jährige ist vor knapp zwei Wochen im heimischen Haslach mit einem Auto kollidiert, sein Rennrad zerstört, er aber trotz einiger Blessuren fahrtüchtig, am linken Ellenbogen klebt noch ein Pflaster.

Gesprächsstoff an einem langen Tag, es mischen sich Badisch, Schwäbisch, nord- und westdeutsche Akzente, auch Englisch und Niederländisch ist hin und wieder zu hören. Beim Hoch und Runter des anspruchsvollen Geländes bilden sich kleine Zweckgemeinschaften, größere Gruppen kommen auf der Strecke kaum zustande – wohl aber an den Verpflegungen.

Die pittoreske Landschaft und Gespräche im Sattel machen den Sport unterhaltsamFoto: Baschi BenderDie pittoreske Landschaft und Gespräche im Sattel machen den Sport unterhaltsam

Schwarzwald Super - Atemberaubende Felsformationen

An der dritten Station, nach dem überaus zähen Anstieg hinauf zum Hornberg, rollen Jesser und Clemens Dold ­gemeinsam mit dessen 33 Jahre altem Sohn Norman vor das Vereinsheim des Ski-Clubs Bad Säckingen, der hier im Winter einen Lift betreibt. Aufgereiht warten die Männer und Frauen auf ihre Portion Maultaschen mit Kartoffel­salat auf Papptellern, dazu gibt es Wasser, Apfelsaft oder alternative Cola. Es geht gemächlich zu, neben der Anlage liegen Sportler im Rasen, Vater und Sohn Dold haben Zeit für einen Schwatz.

Der Sohn, ein Gymnasiallehrer, war vor ein paar Jahren von einem ehemaligen Studienkollegen auf “Schwarzwald Super!” aufmerksam gemacht worden, zweimal hat er daraufhin die Gold-Distanz bestanden, ehe er diesmal seinen Vater, einen Rentner mit Erfahrung als Langstreckenläufer, mitnahm auf die Prüfung. Die beiden haben sich für die Silber-Distanz entschieden. “Wir kennen zwar den Schwarzwald, aber man fährt hier mit Sicherheit viele Abschnitte, auf die man sonst nicht stoßen würde”, sagt Clemens Dold.

Ein Beispiel ist das Wehratal, ganz im Süden des Schwarzwalds, eine atemberaubende Kluft mit viel Grün und erhabenen Felsformationen. Clemens Dold hat hart gearbeitet, um die etwa 4500 Höhenmeter auf der Silber-Runde zu bestehen. “Als Rentner habe ich die Zeit, da bin ich Berge, Berge, Berge gefahren”, sagt er. Wer aus dem Schwarzwald kommt, hat hier ganz sicher Vorteile in der Vorbereitung.



Kulinarische Herausforderung

Wer die Silber-Runde fährt, hat an der Station in Herrischried einen psychologisch wichtigen Punkt überschritten. Es folgen noch zwei weitere Ess- und Trinkstätten – das macht es auch in angeschlagenem Zustand einfacher, sich durch den Nachmittag zu hangeln, während die Temperaturen in Richtung 30 Grad steigen und noch so manch steiler Abschnitt zu bezwingen ist. Postkarteneindrücke mischen sich mit Krampf-Passagen und reichlich Gelegenheit, noch mal durchzuatmen. “Der Abstand zwischen den Stationen ist kurz, es ist gar nicht so einfach, so viel zu essen”, hatte Organisator Johannes Kratzert am Vorabend gesagt.

Am scheunenartigen Festsaal in Ehrsberg sitzen schon etliche Männer und Frauen mit Bierflaschen auf den Bänken, dazu gibt es nicht nur Schwarzwälder Kirsch und anderen Kuchen, sondern auch Brägele, also Kartoffeln aus der Paella-Pfanne. Gerade mal zwölf Kilometer weiter steht das nächste Büffet vor den Fahrern, bei veganem Eis wie Pfirsich-Minze, Müsli und ungarischem Ragout kann man glatt vergessen, sich den Stempel für die Urkunde zu holen. Für Simon Jesser bleiben die Abstände währenddessen sportlich, auf der langen Gold-Runde geht es darum, auf den zusätzlichen Anstiegen der Hitze zu trotzen.

Im Festsaal in Ehrsberg gibt es Schwarzwälder KirschFoto: Baschi BenderIm Festsaal in Ehrsberg gibt es Schwarzwälder Kirsch

Jesser hat einen Kleidungswechsel hinter sich, seine Freundin kam aus Freiburg angefahren, hat ihn abgepasst, seine dickeren Textilien eingepackt und ihm Sommerliches überreicht. Für ihn und die anderen 154 Teilnehmer auf der Gold-Route steht noch die kraftzehrende Nord-Runde auf dem Programm, mit Thurner und dem langen, teilweise extrem steilen Anstieg zum Schauinsland geht es in Richtung Grenzbelastung – aber natürlich liegt auch auf dieser Strecke noch eine Verpflegung.

Vorfreude aufs Wellnesshotel

Dass Selbstüberwindung und Genuss, Stolz und Leid eng beisammenliegen, zeigt sich für alle am letzten Anstieg. Die Gold-Fahrer kommen von der anderen Seite zur Kreuzung oben auf dem Schauinsland, die Sonne brennt jetzt aufs Badenland, und Silber- und Bronze-Teilnehmer quälen sich mit nur sehr wenig Schatten den langen, monotonen letzten Berg von Todtnau herauf, oft begleitet von ungeduldigen Autofahrern – eine der wenigen Stellen mit viel Verkehr. Eine letzte Zufallsbekanntschaft für den Autor ist ein stöhnender Anfangvierziger aus Düsseldorf, dem seine Freundin die Teilnahme geschenkt hat.

Super Super - In Münstertal feiern die Finisher mit Bier, Knöpfle und Geplauder ihre LeistungFoto: Baschi BenderSuper Super - In Münstertal feiern die Finisher mit Bier, Knöpfle und Geplauder ihre Leistung

Dem Flachland-Fahrer reicht die kürzeste Distanz, und er freut sich schon auf die zwei Tage im Wellnesshotel, die er im Anschluss verbringen wird. Er klammert sich an das Gespräch mit dem anderen Fahrer an diesem Berg. Oben am letzten Pass macht er Pause, andere sammeln sich noch einmal und rollen den steilen Berg ins Münstertal hinab.

Ein paar Stunden später wird auch Simon Jesser hier vorbeirollen, und die Lampen gehen wieder an. “Ich hab noch eine nette Begleitung gefunden, und wir haben uns die letzten 160 Kilometer zusammen durchgequält”, berichtet der Student aus Freiburg hinterher. “Es war ein richtiger Community-Moment, dass man sich da unterwegs einfach so gefunden hat.” Allein, so glaubt Jesser, hätte er es nicht zu Gold geschafft. Doch um etwa 21.40 Uhr hielt er seine Urkunde in der Hand.

Schwarzwald Super: Angehörige und Helfer verleihen die Extraportion SchubFoto: Baschi BenderSchwarzwald Super: Angehörige und Helfer verleihen die Extraportion Schub

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Start und Ziel des “Schwarzwald Super!” liegt in der Gemeinde Münstertal, rund 25 Kilometer südlich von Freiburg im Breisgau. Angeboten werden drei verschiedene Streckenlängen, in diesem Jahr führten sie über 110 km (Bronze, 3100 Höhenmeter), 165 km (Silber, 4500 Hm) und 255 km (Gold, 6800 Hm).

Die Startzeiten zwischen 5.30 Uhr und 8.00 Uhr richten sich nach der Streckenlänge. Da die Strecke in Schleifen aufgeteilt ist, kann man noch unterwegs entscheiden, ob man die Route abkürzen oder verlängern möchte. Auf der längsten Runde warten unterwegs sechs Verpflegungsstationen. Teilnahmegebühr 2023 je nach Anmeldedatum zwischen 75 und 95 Euro.

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