Rhön-Radmarathon Bimbach - Pfingstfest in der RhönBericht vom Radmarathon 2019

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 · 27.08.2019

Rhön-Radmarathon Bimbach - Pfingstfest in der Rhön: Bericht vom Radmarathon 2019Foto: Uwe Geißler

40 Jahre RTF und der 30. Radmarathon sind doppelter Grund zur Freude in Bimbach. TOUR hat mitgefeiert und verstanden, warum man Pfingsten in die Rhön muss.

Noch nie waren 2.330 angemeldete Marathon-Teilnehmer so wenige Starter: Als sich um kurz vor sieben Uhr das Startfenster für den Classic Marathon öffnet, gibt es in Bimbach kein Gedränge. Zur Feier des 30. Rhön-Radmarathon hat der RSC Bimbach ausnahmsweise eine 302-Kilometer-Extremrunde angeboten und bereits um 5.30 Uhr die Fahrer auf die Strecke gelassen. Die meisten Teilnehmer sind also schon längst unterwegs – nur rund 700 Radler stehen noch vor dem Startbogen. Christian Keller aus Chemnitz ist einer von ihnen. Seinen Startplatz hat er über das Gewinnspiel von TOUR und Assos gewonnen (siehe Infokasten). Der 34-Jährige ist nicht nur zum ersten Mal in der Rhön am Start, sondern fährt auch zum ersten Mal einen Radmarathon. "200 Kilometer bin ich selbst im Training noch nie gefahren", verrät er angesichts der 218 Kilometer und 3.800 Höhenmeter die ihm bevorstehen. Während der Streckensprecher auf Null runterzählt, startet Keller seinen Tacho und rollt auf die Startlinie zu. Marathonpremiere – beim 30. Marathon-Geburtstag in der Rhön.

Foto: Uwe Geißler

Die Mutter aller Rad-Events und Vorläufer des Radmarathons im hessischen Bimbach war die Rhön-Rundfahrt: Am 8. Juni 1979 stieg das erste "3-Tage-Fest": 450 Radsportler nahmen an der ersten Rhön-Rundfahrt teil. Bei RTF in der Umgebung hatte man sich abgeschaut, wie die Organisation am besten klappt. Franz Hohmann, erster Vorsitzender, rührte außerdem eifrig die Werbetrommel: "Ich war im Außendienst in ganz Deutschland unterwegs und habe jedem Radhändler einen Flyer hingelegt", erinnert er sich. Und es ging beim "3-Tag-Fest" um mehr als nur Radsport: der Freitag begann mit "Disco-Time", am Samstag wurden nach der RTF die größten Mannschaften mit Pokalen geehrt, und im Festzelt spielte die Kapelle zum Tanz auf. Das Konzept aus Radfahren in schöner Landschaft, guter Organisation und Party ging auf: Im dritten Jahr kamen schon 1.200 Teilnehmer nach Bimbach. Und als 1990 der Marathon noch mehr sportliche Fahrer ansprach, waren es auf einen Schlag 2.100 Starter. "Der ganze Parkplatz war damals voller Trabis", erinnert sich Hohmann an das Jahr, als erstmals auch Sportler aus dem Osten Deutschlands anreisen konnten. Teil des Erfolgs ist sicher auch die zentrale Lage Bimbachs in Deutschland, das aus allen Himmelsrichtungen gut erreichbar ist.

Bereits wenige Kilometer nach dem Start muss Christian Keller den Kopf in den Nacken legen, um zu erahnen, wo die kurvige Straße bergauf endlich wieder flacher wird. Ruhig kurbelt er die knackigen Rampen hoch. Lange Zeit zur Erholung bleibt nicht, denn der Anstieg zur Milseburg folgt gleich darauf, ein steiler Klassiker des Radmarathons. Im Höhenprofil stechen die Anstiege als Zacken hervor, die sich nach oben nadelspitz verjüngen: So steil es bergauf geht, so abrupt fällt die Straße wieder in die Tiefel. Keller hängt tief über den Lenker gebeugt und rauscht bei 70 Sachen zu Tal. Die Straße ist perfekt asphaltiert, gut einsehbar und es wird vernünftig gefahren. "Hier gibt es keine durchgeknallten Fahrer, die wie bei manchem Rennen das Gehirn ausschalten und total verrückt überholen", schildert Axel Schneider aus Schneeberg seine Beobachtung. Weithin sichtbare Schilder, grellpink leuchtend, weisen auf Abzweigungen hin oder kündigen den nächsten Anstieg an. Schon wieder wirft sich die Straße nach hinten: Keller radelt in den Anstieg zum Ellenbogen – die nächste fiese Hürde im Streckenplan.

Verantwortlich für diese Gemeinheiten ist Florian Auth, seit 2015 Streckenplaner in der Rhön. Für dieses Jahr hat er sowohl neue als auch deutlich härtere Runden ausgearbeitet – mal wieder; die Vielfalt der angebotenen Distanzen und der ständige Wechsel der Strecken sind weitere Erfolgsfaktoren der Veranstaltung. Mal wird im Uhrzeigersinn gefahren, dann in Gegenrichtung, Bimbach 400, Bimbach Extrem – Innovation ist Dauermotto. Um verkehrsarme Strecken zu nutzen, wurde in diesem Jahr sogar mal die traditionelle Fahrt über die Wasserkuppe gestrichen. 15.000 bis 20.000 Kilometer jährlich sitzt Auth selbst auf dem Rennrad und kennt im Umkreis von 70 Kilometern jedes beradelbare Stück Asphalt. Hat er eine neue Streckenvariante gefunden, ist seine größte Sorge, ob die Behörden sie genehmigen. Der Radmarathon führt durch Hessen, Thüringen und Bayern – und besonders die Behörden in Bayern haben angekündigt, genau hinzuschauen, ob die Vorgaben und Verkehrsregeln von Veranstalter und Teilnehmern eingehalten werden.

Viel Kritikwürdiges scheinen die Bayern nicht zu finden; an der Verpflegungsstelle im bayerischen Fladungen steigt Keller vom Rad und wird von einer Polizistin und ihrem Kollegen empfangen. Konflikte drohen nicht – im Gegenteil: Die beiden Beamten haben sich zum Spaß an den kleinen Tisch gesetzt, wo sie für eine Weile lächelnd die Kontrollkarten der Radfahrer abstempeln. Noch am Morgen wusste Keller gar nicht, wozu die Karte da ist – jetzt sammelt er die Stempel, um im Ziel ein T-Shirt und eine Rennkappe zu bekommen. Hunderte Radfahrer wuseln über einen asphaltierten Betriebshof, während Helfer hinter Bierbänken Kuchen, Obst und Getränke anbieten. Spätestens jetzt weiß Keller, dass er sich die vielen Riegel, Gels hätte sparen können, die er vorsichtshalber eingepackt hat. Er füllt seine Flaschen auf und holt sich eine Banane. Auf der anderen Straßenseite haben Helfer des RSC Bimbach einen Lieferwagen geparkt und bieten Pannenservice an. Die Frauen und Männer in den gelben T-Shirts sind überall.

Foto: Uwe Geißler

Das RTF-Wochenende des RSC Bimbach ist die größte Radveranstaltung in Deutschland, die von einem Verein organisiert wird. 6.600 Teilnehmer stürmen die 2.300-Einwohner-Gemeinde, wenige Kilometer westlich von Fulda. Wie schafft es der Verein nur, so viele helfende Hände für das lange Pfingstwochenende zu organisieren? Bereits am Donnerstag wird aufgebaut und bis zum Montag fünf Tage durchgearbeitet. Rund 160 ehrenamtliche Helfer packen mit an, davon 140 Vereinsmitglieder. Seit 1979 existiert ein System der Belohnung, das offensichtlich funktioniert: Frauenausflüge, ein Sommerfest für alle Helfer, ein festliches Mittagsbankett am Abbautag, jährliche Radwanderfahrten nach Prag, Warschau oder Nizza. Helfermangel? Nicht in Bimbach. Das Kuriose dabei: Helfer aus Bimbach sind inzwischen in der Minderheit – der Großteil kommt längst von außerhalb, die Beliebtheit des Rhön-Radmarathons hat dem Verein neue Mitglieder aus ganz Deutschland beschert. "Pfingsten fährt man in Bimbach", lautet seit Jahren der eingängige Slogan. Der Termin hat gleich mehrere Vorteile: der freie Pfingstmontag und die Schulferien erleichtern vielen Teilnehmern die Erholung und nehmen etwas vom Rückreise-Stress. Pfingsten ist über Jahre langfristig planbar. Für sich selbst haben die Limbacher ihren Slogan übrigens ins Gegenteil verkehrt: "Pfingsten wird kein Rad gefahren", lautet die Maxime, Helfen ist für alle Mitglieder Pflicht, und auch in diesem Punkt hat Pfingsten Vorteile: Für den Abbau am Pfingstmontag muss kein Urlaub genommen werden.

Christian Keller ist unterdessen wieder aufs Rad gestiegen. Er freut sich über die "schöne Landschaft und den wenigen Verkehr". Ein Eindruck, den auch Axel Schneider teilt: "Man hat manchmal das Gefühl, auf gesperrten Straßen zu fahren." Am Anstieg zum Stirnberg öffnen sich weite Ausblicke in die grünen Hügel des Biosphärenreservats Rhön, das sich den Radsportlern ebenso schön wie hart präsentiert: Die 400 Höhenmeter am Stück zum Heidelstein lassen Kellers Tritt erstmals sichtbar erlahmen – ein Einbruch nach 130 Kilometern? "Ich merke, dass meine Speicher leer sind", sagt er und rollt in die Abfahrt. Der Chemnitzer freut sich auf einen Teller Nudeln mit Gulasch an der nächsten Verpflegungsstelle.

Foto: Uwe Geißler

Die Bierbänke dort sind voll belegt, das Geschäft mit den Radsportlern brummt. Die Brötchen kommen vom Bäcker im Dorf, Getränke vom regionalen Mineralbrunnen, und das Gulasch vom Metzger aus dem Nachbarort. Die Hotels ringsum sind ausgebucht – bei rund 6.600 Teilnehmern an den diversen Touren übers Wochenende ein ernstzunehmender Wirtschaftsfaktor. Trotzdem behält Bimbach seinen speziellen Charme: "Die familiäre Atmosphäre und die Organisation ist sehr schön, alles wirkt bei weitem nicht so kommerziell wie bei manchem großen Event im Ausland", meint Schneider. Der eigene Stil zeigt sich in Details: Weil der Fahrer des Streckenfahrzeugs glühender Fan der Schlagersängerin Andrea Berg ist, werden die Radfahrer aus dem Lautsprecher mit deren Schlagern beglückt. "Zu viel Berge oder zu viel Berg?", lautet deshalb eine der Fragen des Tages.

Gestärkt rollt Keller wieder auf die Strecke und kurbelt guter Dinge durch die Mittagshitze. Das Wechselspiel aus Anstieg und Abfahrt geht weiter, bis er sich für die letzten 20 Kilometer in eine kleine Gruppe einreihen und im Windschatten auch mal kurz schonen kann. Immer mehr Radfahrer stoßen von den kürzeren Strecken hinzu auf den Weg Richtung Ziel, die Straße füllt sich. Am Ortsschild von Bimbach zieht eine Gruppe motivierter Jugendlicher an Keller vorbei, um mit Schwung durch den Zielbogen zu fahren. Überall stehen und lehnen Räder, das Bierzelt ist prall gefüllt. Am Zapfhahn steht Vereinsmitgründer Franz Hohmann und kommt kaum mit dem Ausschenken hinterher. In Bimbach beginnt jetzt der gemütliche Teil des Radwochenendes. Keller nimmt seine abgestempelte Marathonkarte und holt sich als Belohnung seine Radkappe und das T-Shirt. Seine Marathonpremiere hat ihm Spaß und vor allem Lust auf mehr gemacht: "Vielleicht probiere ich beim nächsten Mal in Bimbach die 256-Kilometer-Strecke aus."

Mit TOUR und ASSOS zum Rhön-Radmarathon

In TOUR 3/2019 hatten wir in Kooperation mit dem Radsport-Bekleidungshersteller Assos ein Gewinnspiel zur Jubiläums-Veranstaltung in Bimbach angekündigt und wurden von einer Flut an Einsendungen überrollt. Zehn glückliche Gewinner wurden ausgelost – übrigens nur Männer: Assos hat die Aktion zur Einführung seiner neuen Männer-Hose Equipe RS Bib Shorts S9 genutzt. Nachdem ein Gewinner kurzfristig absagte, trafen sich am 8. Juni neun Radsportler im Hotel Vorderburg in Schlitz in Mittelhessen zum Kennenlernen. Alle Teilnehmer bekamen ihr Assos-Set, bestehend aus Bib Shorts S9 und Equipe RS Aero-Trikot. Beim gemeinsamen Abendessen wurde schnell klar: da waren leidenschaftliche Rennradfahrer unter sich. Thomas Müller aus Neustadt ging bereits am Samstag bei der RTF an den Start und nahm die 302-Kilometer-Distanz ins Visier – ebenso wie Wolfgang Groner aus Illertissen. Christian Repaski aus Schwarzach in Pongau entschied sich für die 256-Kilometer-Strecke. Axel Schneider aus Schneeberg, Christian Keller aus Chemnitz, Norbert Koch aus Bad Lippspringe fuhren mit TOUR-Redakteur Kristian Bauer die 218-Kilometer-Runde. Eddy Preuß aus Uffenheim, Florian Lenz aus Leopoldsdorf und Lutz Stamm aus Solingen entschieden sich für die 180 Kilometer. So waren die markanten Assos-Outfits auf fast allen Strecken unterwegs. Im Ziel traf die 218-km-Truppe bereits auf Wolfgang Groner, der die 302 Kilometer mit 5.500 Höhenmetern in rund elf Stunden absolvierte. Erschöpft aber zufrieden war er, ebenso wie alle anderen Gewinner des Preisausschreibens.

Foto: Uwe Geißler