In Nürnberg gibt es nach dem Aus der Rennbahn am Reichelsdorfer Keller wieder eine Radrennbahn. Als die dortige Bahn einem Wohnkomplex weichen musste, suchte Stefan Böhm mit einer kleinen Gruppe Radsport-Begeisterter nach einer Alternative, um ihre Leidenschaft für den Bahnradsport weiter ausüben und weitergeben zu können. Sie stießen auf das Grundstück des ASN Pfeil Phönix im Nürnberger Stadtteil Ziegelstein, wo eine Rennbahn unter Schutt begraben lag. In der jüngeren Vergangenheit wurde sie nämlich für Windhundrennen genutzt. Unter der vor Frost, Sonne und Wasser schützenden Schicht kam eine Bahn zum Vorschein, die “in einem überraschend guten Zustand” war, schildert Böhm. Das Ausgraben dauerte zwei Jahre und unzählige freiwillige Arbeitsstunden waren nötig, ehe die Radrennbahn befahrbar war. Nun dürfen Radsportler und Radsportlerinnen auf der gut erhaltenen Betonbahn ihre Runden drehen.
Eine Bedingung des dortigen Vereins ASN Pfeil Phönix war, dass Böhm im Zuge der Restaurierung der Bahn eine eigene Radabteilung im Verein gründet. Er und sein Umfeld machten dies möglich. Die Radabteilung verfolgt einen inklusiven und pädagogischen Ansatz und “will alle Nischen bedienen”, erklärt Böhm. Der Fokus des Vereins liegt auf Jedermann-Sportlern und Sportlerinnen, aber auch Special Olympics-, wie Paralympicssportler und Paralympicssportlerinnen und Schüler und Schülerinnen haben die Möglichkeit, die Bahn regelmäßig zu nutzen. Böhm hat hierzu bereits eine breite Basis an kooperierenden Vereinen, Schulen und inklusiven Einrichtungen aus der Metropolregion gewinnen können, die die Bahn bereits nutzen.
Ein Drei-Stufen-Plan soll dafür sorgen, dass die Bahn auch langfristig Bestand hat. Zuerst wurde sie “fahrfertig gemacht, Schlaglöcher beseitigt und der Boden abgeschliffen”, erzählt Böhm. In naher Zukunft soll auch eine Balustrade folgen. Als nächster Schritt ist geplant, einen Tunnel zum Innenraum einzurichten, Linien für Wettkämpfe hinzuzufügen und zudem weitere Vorkehrungen zu treffen, um den UCI-Richtlinien zu entsprechen. Damit könnten in Zukunft auch Rennen auf der Bahn in Nürnberg-Ziegelstein ausgetragen werden. Als dritter und letzter Schritt könnte eine Holzbeplankung folgen und die Bahn teilüberdacht werden. Die Zukunftsvision der Beteiligten ist es, einen grünen Verein aufzubauen, der sich mit Strom - in Form von Solarpanels auf der Überdachung - und durch Speicherbecken mit Wasser selbstversorgt, sollten Zuschüsse, Sponsoren und Förderer das Team um Böhm weiter unterstützen.
Im Jahr 1949 wurde die neu zum Leben erweckte Radrennbahn in Nürnberg-Ziegelstein erstmalig eröffnet. Stargast bei der Eröffnung war Gino Bartali – einer der erfolgreichsten Radsportler Italiens. Er gewann in den Jahren 1938 und 1948 die Tour de France, dazu dreimal den Giro d’Italia. In Nürnberg jubelten ihm bei der Eröffnung der Bahn 12.000 Fans zu. Im Laufe der Zeit verlor die Rennbahn aber an Relevanz. Im Jahr 1967 wurde die Bahn am Reichelsdorfer Keller modernisiert, weshalb die Rennbahn in Nürnberg-Ziegelstein geschlossen wurde und immer mehr in Vergessenheit geriet. Nun blüht sie dank des Engagements von Radsport-Enthusiasten zu neuem Leben auf.
Stefan Böhm ist seit 30 Jahren, zunächst als Rennfahrer und seit nun 15 Jahren als Trainer und Funktionär, im Radsport zu Hause. Der gebürtige Allgäuer hatte nach eigener Nachwuchs- und Elitekarriere im Velo Club Mindelheim, RC Landshut und der RSG Ostallgäu als LV Trainer in Bayern Nachwuchs speziell auf der Bahn geschult. In seinem Heimatverein Mindelheim gründete er bereits in den 2000ern eine Inklusionstrainingsgruppe zu der er auch heute noch einen engen Kontakt pflegt. Nach einem Umzug nach Nürnberg trat er in die RV Union Nürnberg ein, in der er mittlerweile als 1. Vorstand fungiert und gründete 2020 den Verein Bahnradsport.Bayern e.V. Dieser fördert Bahnradsportveranstaltungen in Augsburg und Niederpöring, den zwei weiteren bayerischen Bahnstandorten, sowie den Inklusions- und Nachwuchsleistungssport. Alle Projekte waren und sind nachhaltig angelegt, was dem dreifachen Familienvater besonders wichtig ist.