Tour Magazin
· 06.07.2022
Langstrecke mit dem Rennrad oder mit dem Gravelbike. Wer gerne lange im Sattel sitzt und das am liebsten nicht alleine, dem stehen in der Rennradwelt die unterschiedlichsten Events offen.
Lange Strecken auf dem Rad zurückzulegen – das war die Idee französischer Randonneure („Wanderer“) im 19. Jahrhundert. In dieser Tradition organisieren in Deutschland die AUDAX Randonneurs Allemagne Langstreckenfahrten. Diese nicht-kommerziellen Brevets (Ausdauerprüfungen) über Distanzen von meist 200 bis 1.200 Kilometer sind keine Rennen; Ziel ist es, die Strecke auf sich alleine gestellt im Zeitlimit zu schaffen. Oft wird im Laufe der Saison eine Brevet-Serie angeboten, die mit einer 200-Kilometer-Fahrt beginnt und bei jedem weiteren Termin die Distanz steigert. In der Regel sind die Brevetstrecken nicht ausgeschildert und ohne Verpflegungsstellen. „Superrandonnées“ sind eine Form, die in Brevets ihre Wurzeln haben: Teilnehmer können nach der Anmeldung eigenständig auf eine vorgegebene Strecke von rund 600 Kilometern und mindestens 10.000 Höhenmetern gehen. Beispiele sind „Belchen satt“ oder „Große Glockner Rundfahrt“.
Angesichts neuer Langstrecken-Formate (z.B. Bikepacking- oder Gravelevents, siehe unten) sind klassische Ultracycling-Rennen etwas in den Hintergrund gerückt. Kennzeichen der Wettkämpfe für erfahrene Langstrecken-Radsportler sind extreme Distanzen, gerne auch über endlos viele Höhenmeter, und konstant hohe Geschwindigkeit. Meistens ist die aufwendige Betreuung der Fahrer durch ein Begleitteam erforderlich. Die Rennen ziehen sich über mehrere Tage, üblich sind nur kurze Schlafpausen. Das bekannteste kommerzielle Nonstop-Rennen ist das Race Across America (RAAM), für das man sich qualifizieren muss. Auch in Europa gibt es Ultracycling-Rennen mit langer Tradition. Die Teilnahme erfordert meist eine lange, gezielte Vorbereitung und kann einige Tausend Euro an Kosten verursachen.
Die Radmarathons der im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) organisierten Vereine ermöglichen den perfekten Einstieg in den Langstreckenradsport. Als Radmarathon stuft der BDR Fahrten ab 200 Kilometer Länge ein – es sind aber auch deutlich längere Strecken im Angebot. Außerdem organisieren viele Veranstalter neben der Marathondistanz auch kürzere Strecken. Die Straßen sind nicht gesperrt, es gibt keine Zeitmessung, und die Teilnahmegebühren sind vergleichsweise niedrig. Üblich sind Verpflegungsstellen, Startnummern und eine Ausschilderung der Strecke. Alleine in Deutschland finden in diesem Jahr mehr als hundert Marathons statt, davon gehören zwanzig zum Radmarathon-Cup-Deutschland.
Die Bandbreite an neuen Bikepacking-Events ist groß, viele verlassen die asphaltierten Straßen. Manche atmen den sportlichen Geist der Ultracycling-Rennen – die meisten sind aber weniger leistungsorientiert, viele werden von kommerziellen Veranstaltern angeboten. Rennen wie das Transcontinental unterscheiden sich fundamental von einem Ultracycling-Event wie dem RAAM: Betreuung ist nicht erlaubt – die Athleten müssen auf sich alleine gestellt (self-supported) die Distanz bewältigen. Sie müssen zwar bestimmte Kontrollpunkte ansteuern, aber dazwischen können sie individuelle Routen wählen. Mit leichtem Gepäck am Rad in mehreren Tagen große Distanzen zu bewältigen, gibt es in vielen Spielarten: mit Gravelbike oder Rennrad, als Rennen oder als eigenständiges Abenteuer. Weit verbreitet sind Angebote, bei denen man der Strecke zu einem frei gewählten Termin über einen GPS-Track folgen kann. Der Community-Gedanke ist sehr ausgeprägt.