Schwarzbräupreis ZusmarshausenTraditionell schnell

Kristian Bauer

 · 04.06.2025

Startaufstellung - Auf der Hauptstraße von Zusmarshausen ist die Elite bereit für das Rennen
Foto: RV Phoenix/Gregor Kramny
Der Schwarzbräupreis in Zusmarshausen bildet für Bayerns Rad-Amateure traditionell den Auftakt in die Rennsaison. Zum 50. Mal gingen Rennfahrer auf die Strecke – dabei stand das Rennen 2024 fast vor dem Aus.

50. Schwarzbräupreis

Das Radrennen rund um Zusmarshausen gibt es seit 1974. Die kleine Gemeinde mit 6.600 Einwohnern liegt im schwäbischen Landkreis Augsburg. Die Strecke des Rundstreckenrennens ist 27 Kilometer lang und wird viermal (KT/Elite-Amateure) bzw. dreimal (alle anderen) gefahren. Für Bayerns Lizenzsportler ist es die traditionelle Saisoneröffnung. Zum vierten Mal hat der Veranstalter RV Phoenix Augsburg auch ein Jedermann-Rennen angeboten. Die Startgelder für Lizenzsportler lagen 2024 bei 10 Euro (Junioren) bzw. 21 Euro und für das Jedermann-Rennen bei 50 Euro.

Startvorbereitung - Warmfahren auf der Rolle vor dem WettkampfFoto: Kristian BauerStartvorbereitung - Warmfahren auf der Rolle vor dem Wettkampf

Die Sicherheitsnadel ist das Sinnbild für Radsporttradition. Vier Stück bekommt man in der Sporthalle in Zusmarshausen ausgehändigt. Das ist heute nicht anders als am 31. März 1974, als der Schwarzbräupreis Premiere feierte. Die wichtigste Aufgabe für die Teilnehmer vor dem Rennen ist seither unverändert: Die Startnummer möglichst gerade am Trikot befestigen. Thomas Dobner von der Rad-Union Wangen lässt sich die Nummer vor der Turnhalle von einem Teamkollegen ans Trikot pinnen. Seit 18 Jahren fährt der 33-Jährige Lizenzrennen und zum 15. Mal steht er beim Schwarzbräupreis am Start. „Zus“, wie das Rennen oft abgekürzt wird, ist seit Jahren ein Pflichttermin für seinen Radverein: Elf Fahrer sind aus dem Allgäu angereist. Das Rennen hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert, aber die Rennradwelt. Sie ist deutlich bunter geworden und der Lizenzradsport kämpft um seinen Platz. Larissa Stupnicki steht im Renn-Einteiler des 2024 gegründeten CS Bikes Roadteam aus Moosach am Start. Die 32-Jährige hat schon viele Radmarathons absolviert und 2024 erstmals eine Rennlizenz beantragt. Die lange Tradition von Zusmarshausen kennt sie nicht, sie weiß nur, dass es hier „eine schöne Strecke und gute Stimmung“ gibt. Damit rechnet auch der 42 Jahre alte Stefan Zach aus Heretsried. Er befestigt seine Startnummer an einer warmen, winddichten Radjacke und startet im Jedermannrennen. Umgeben ist er von Bekannten des Rennradtreffs Augsburg – insgesamt 27 Männer und eine Frau schickt die Gruppe auf die Strecke, die sie von gemeinsamen Ausfahrten kennen.

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Viele Radrennen verschwinden

Der Schwarzbräupreis wirkt fast wie ein Anachronismus: Ein Lizenzrennen auf einer 27 Kilometer langen Runde findet man in Deutschland nur noch selten. Kriterien bzw. Rennen auf sehr kurzen Rundkursen dominieren den Amateursport. In den vergangenen Jahrzehnten sind viele Radrennen für immer verschwunden. Hans Kammerer, Sportwart des RV Phönix Augsburg, erinnert sich noch an die Vielfalt, die es früher gab: „Rund um Augsburg ging über 180 Kilometer, ebenso wie Rund um Schwaben, und wir hatten auch Straßenrennen in München.“ Genehmigungen für Rennstrecken zu bekommen, Helfer zu motivieren und die Absicherung zu finanzieren, sei immer schwieriger geworden, so der 72-Jährige. Fast hätte auch die Tradition in Zusmarshausen ein abruptes Ende gefunden – 2024 wurde die Absage des Rennens ernsthaft diskutiert. Der Zeitnehmer ging in die Insolvenz – und mit ihm die Startgelder. 15.000 Euro verlor der RV Phönix Augsburg und musste seine Reserven antasten. Und: Das Amateurrennen wurde durch das erst vor wenigen Jahren eingeführte Jedermannrennen gerettet. Bei Li­zenz­rennen sind die Startgelder durch das Reglement ebenso festgelegt wie die Preisgelder. Unterm Strich bleibt für den Verein wenig übrig. Bei Jedermannrennen hingegen hat der Veranstalter mehr Spielraum. Die Jedermänner steuern mit ihren Teilnehmerbeiträgen rund 10.000 Euro zum Budget bei und ermöglichen dadurch auch Dienstleistungen wie das Live-Tracking per App. Man könnte sagen, der Schwarzbräu­preis ist jetzt ein moderner Anachronismus.

Aufstellung in Startblöcken

Startaufstellung - Auf der Hauptstraße von Zusmarshausen ist die Elite bereit für das RennenFoto: RV Phoenix/Gregor KramnyStartaufstellung - Auf der Hauptstraße von Zusmarshausen ist die Elite bereit für das Rennen

Auf der Hauptstraße in der Ortsmitte, einen Steinwurf vom Gasthof Schwarzbräu entfernt, sammeln sich eine halbe Stunde vor dem Start die Teilnehmer. Der erste Startblock ist für Elite-Amateure und Kontinental-Team-Fahrer reserviert. Dahinter folgen, durch Ab­sperr­band getrennt, die Amateure, dann der Sammelblock der Senioren, Junioren und Frauen, sowie im letzten Block die Jedermänner. Jeder Block wird mit fünf Minuten Abstand auf die Strecke geschickt. Während die Elite vier Runden und damit 108 Kilometer absolvieren muss, stehen für alle anderen Starter drei Runden mit insgesamt 81 Kilometern auf dem Programm. Die Idee dahinter: keine zu großen und damit gefährlichen Felder und ­eine überschaubare Zeit der Verkehrs­beeinträchtigung. Bei niedrigen einstelligen Temperaturen haben die meisten Teilnehmer noch eine Jacke übergezogen, die kurz vor dem Start abgegeben werden kann.

Start - Nach dem Auftakt geht es neutralisiert aus dem Ort herausFoto: RV Phoenix/Gregor KramnyStart - Nach dem Auftakt geht es neutralisiert aus dem Ort heraus

Rund fünf Grad bei Sonnenschein sind für den Schwarzbräupreis eher gute Bedingungen. Unter Amateuren sind die Wetterkapriolen Anfang April in Zusmarshausen legendär.Sporwart Kammerer war 30-mal selbst am Start und erinnert sich an viele Kältefahrten: „Ich habe immer schlechtes Wetter erlebt – manchmal sogar mit Schnee auf der Straße. Ich bin teilweise halb erfroren und mir haben die Zähne während der Fahrt vor Kälte geklappert.“ Auf Fotos aus den Vorjahren ist die Landschaft oft noch winterlich weiß. Kammerer weiß, dass viele der Radsportler trotzdem hochmotiviert sind: „Die Rennen werden oft nervös gefahren. Viele Fahrer kommen gut trainiert aus dem Trainingslager und überschätzen sich.“ In diesem Jahr nimmt er erstmals nicht selbst teil, sondern hilft stattdessen bei der Organisation mit.

Gute Übung - Der Polizei-Nachwuchs sammelt ErfahrungenFoto: RV Phoenix/Gregor KramnyGute Übung - Der Polizei-Nachwuchs sammelt Erfahrungen

Wie bei allen Lizenzrennen bilden die freiwilligen Helfer das Rückgrat der Veranstaltung. Beim RV Phönix Augsburg verkörpert der Vereins­präsident Markus Klein diese Tradition. 30 Jahre lang hat sein Vater die Organisation des Rennens gelenkt, seit 2024 macht er es zusammen mit einem Team: „Wir haben versucht, das auf viele Köpfe zu verteilen.“ Tradition ist die Währung, die das Rennen am Leben hält: Die wiederkehrende Unterstützung durch Freiwillige Feuerwehr, Rotes Kreuz, Polizei und Behörden ist unverzichtbar. Auch der Sponsor, eine lokale Familienbrauerei, ist seit dem ersten Jahr dabei. „Am Ablauf hat sich so gut wie nichts geändert“, meint Klein. „Wir waren immer schon auf 200 Fahrer je Starterfeld begrenzt. Früher war der Amateurbereich ausgeprägter, jetzt haben wir erkannt, dass der Lizenzradsport zurückgeht. Wir haben gesagt, wenn wir dabeibleiben wollen, müssen wir den Jedermannsport nach vorne bringen.“

An erster Stelle steht dennoch weiterhin der Lizenzsport, und das im wörtlichen Sinne: Punkt 10 Uhr werden zuerst die Elite-Amateure auf die Strecke geschickt, fünf Minuten später die Amateure. Ein Polizeimotorrad bildet die Vorhut, mit Abstand dahinter folgt ein Polizeifahrzeug, dann das Führungsfahrzeug mit dem Kommissär und dahinter das dicht gedrängte Feld der Amateurrennfahrer. Rund 140 Sportler jagen Rad an Rad über die schmale Landstraße. Es geht hektisch zu – gelegentlich müssen Fahrer bei einer Welle auf das Kiesbankett oder die Wiese neben der Straße ausweichen, an den Kreisverkehren und Kurven zieht der Ziehharmonika-Effekt die Gruppe in die Länge. Dobner von der Rad Union Wangen versucht sich mit einem Team-Kollegen an der Spitze zu halten. Immer wieder attackieren einzelne Fahrer. Starker Wind von vorne und eine überwiegend flache Strecke verhindern aber den Erfolg dieser Ausreißversuche. Die Strecke führt durch kleine Orte und über lange, gerade Landstraßen.

In den Dörfern entlang der Strecke und an Kreuzungen stehen auffallend viele junge Polizistinnen und Polizisten. Noch eine lange Tradition: Die Augsburger Polizei setzt ihren Nachwuchs zur Streckensicherung ein. 50 Bereitschaftspolizisten in Ausbildung sowie 15 weitere Polizisten sichern das Rennen. Zwar ist die Strecke nicht komplett gesperrt, aber die Teilnehmer werden rollend abgesichert. Das klappt gut, solange die Felder noch ­kompakt sind – im Laufe der Rennen geraten aber immer wieder Autos zwischen die Radsportler. „Es waren einige“, berichtet Stefan Zach später vom Jedermannrennen. ­Unter den Jedermännern sind die Leistungsunterschiede besonders groß, entsprechend zerfällt der Tross in viele kleine Gruppen.

Steile Sache - Der Kaiserberg ist der Höhepunkt der StreckeFoto: RV Phoenix/Gregor KramnySteile Sache - Der Kaiserberg ist der Höhepunkt der Strecke

Die Strecke verläuft überwiegend flach, aber einen Scharf­richter gibt es: Der Kaiserberg ist der Höhepunkt der 27 Kilometer langen Runde. Ein Kreisverkehr, gefolgt von einer scharfen Rechtskurve, führt direkt in die kurzen, steilen Rampen. Bis zu 15 Prozent Steigung bremsen das Feld ab – aber keiner will vor der folgenden Abfahrt den Anschluss verlieren. Rund 80 Höhenmeter heißt es jetzt maximal zu drücken, um dranzubleiben. Unterhalb des Scheitelpunkts haben sich rund 100 Zuschauer versammelt und feuern die Teilnehmer lautstark an. Aus einer großen Box peitschen Beats über den steilen Asphalt. Die Gesichter der Fahrer spiegeln die Anstrengungen wider, und mit jeder Runde werden die Lücken zwischen den Gruppen größer. Am Ende der Steigung postieren sich Helfer, um Trinkflaschen zu reichen, und nach einer steilen Kurve schießen die Renner in eine schnelle Abfahrt. Für Thomas Dobner ist das Rennen um eine gute Platzierung bereits gelaufen: Am Anstieg ist im jemand ins Schaltwerk gefahren und hat ihn zum Absteigen gezwungen – jetzt hat er den Anschluss verpasst und nutzt die Rennbelastung für den weiteren Formaufbau.

Kräfte sparen - Auf der flachen Strecke bleibt das Feld dicht zusammenFoto: RV Phoenix/Gregor KramnyKräfte sparen - Auf der flachen Strecke bleibt das Feld dicht zusammen

Zersplittertes Feld

Larissa Stupnicki (CS Bikes Roadteam)Foto: Kristian BauerLarissa Stupnicki (CS Bikes Roadteam)

Larissa Stupnicki konnte im vergangenen Jahr mit dem zweiten Platz beim Kufsteinerland-Radmarathon schon einmal beweisen, dass sie starke Beine hat. Die erste Runde des Rennens heute erlebt sie aber als „ultraschnell“. Mit einem Schnitt von fast 40 km/h knallt das Feld über die Strecke, an der Spitze hat sich die spätere Siegerin bereits abgesetzt. Auf der zweiten Runde erlebt Larissa zwei Stürze, kommt aber unbeschadet durch.

Die erste Runde des Rennens war ultraschnell - Larissa Stupnicki

In der dritten Runde geht es nicht mehr um den Sieg, aber um die Platzierung: Sie hält sich noch in einer kleinen Gruppe mit fünf anderen Frauen. Doch im zersplitterten Feld verliert sie Überblick und Anschluss – als sie erschöpft über die Ziellinie rollt, kann sie ihre Platzierung erst gar nicht abschätzen. Platz 11, erfährt sie aus der App. Sie wäre, so ihr Fazit, lieber in einem eigenen Frauenrennen gestartet; 35 Frauen mit Radlizenz waren heute gemeldet. In der 50-jährigen Geschichte des Rennens haben sich die Teilnehmerzahlen über die Kategorien hinweg immer wieder verschoben. Thomas Dobner erinnert sich an seine ersten Auftritte in Zusmarshausen, da scharrten alleine 160 Junioren vor dem Start mit den Pedalplatten. Vereinsvorsitzender Markus Klein überlegt, mehr Teilnehmer auf die Strecke zu schicken – die Startplätze im Jedermannrennen etwa sind immer schnell ausverkauft. Er weiß aber auch, dass durch mehr Teilnehmer Sicherheitsprobleme entstehen können. „Wenn wir dann einen schweren Unfall haben, geht die Diskussion los.“ Klar ist für ihn, dass die Lizenzrennen auch künftig im Vordergrund stehen: „Unsere Aufgabe ist die Förderung des Rennradsports, des Lizenzsports.“ Zu Ehren seines verstorbenen Vaters hat er aus eigener Tasche 1.000 Euro Preisgeld für das Eliterennen ausgelobt. Gewonnen hat das Rennen und ­damit auch den Scheck Dario Rapps vom RSC Auto Brosch Kempten. Er erinnert daran, dass Radsport ein Mannschaftssport ist: „Wir haben als Team gut zusammengearbeitet.“ Elf Fahrer des RSC Kempten haben sich gegen andere starke Teams behauptet.

Ziel - Die Rennen der meisten Kategorien enden mit einem SprintFoto: RV Phoenix/Gregor KramnyZiel - Die Rennen der meisten Kategorien enden mit einem Sprint

Den Zielsprint gewonnen hat Rapps vor Pascal Groß, der bereits für UAE Team Emirates 2022 bei Paris-­Roubaix am Start stand und jetzt für das Team REMBE Rad-net fährt. Die Ergebnisliste verdeutlicht, wie wichtig der Schwarzbräu­preis für den Rennsport war und ist: 2015 gewann Georg Zimmermann das ­Juniorenrennen – heute blickt der Profi auf vier Teilnahmen an der Tour de France zurück. Im selben Jahr gewann Michael Gogl das Eliterennen, bevor er zu Team Trek-Sega­fredo wechselte und die Tour de France bestritt. 2016 fuhr Pascal Ackermann als Erster über die Ziellinie in „Zus“ und wechselte dann zum Team Bora-­hansgrohe.

Bei der Siegerehrung bekommen die Gewinner einen übergroßen Bierkrug überreicht. Rapps, Dobner und Stupnicki stehen umgeben von Teammitgliedern in der Sonne und loben die gute Organisation. „Wenn man den Schwarzbräupreis auch dank der Jedermänner finanzieren kann, ist das für alle eine gute Sache“, meint Thomas Dobner.

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