Kristian Bauer
· 09.05.2022
Wenn der Schnee auch in den Bergen geschmolzen ist, beginnt für Kletter-Fans die schönste Zeit des Jahres. Wir stellen fünf legendäre Alpen-Radmarathons vor, die in jede Radsport-Vita gehören – mit Tipps zum Nachfahren auf eigene Faust.
Viele Zutaten haben dem Dolomitenmarathon seinen Kultstatus eingebracht: die imposanten Felszacken der Dolomiten beiderseits der Straße, die perfekte Organisation, das kreativ gestaltete Teilnehmertrikot, und nicht zuletzt eine Runde, die mit überschaubar vielen Höhenmetern nicht überfordert. Mit mehr als 9.000 Gleichgesinnten im Startblock zu stehen, während der Hubschrauber des italienischen Fernsehens über La Villa schwebt, ist unvergleichlich. Klar, dass nach dem Start am Passo Campolongo die Straße voll ist – wer nicht ganz vorne startet, wird zwangsläufig eingebremst. Spaß verspricht die Strecke trotzdem und gute Stimmung: an der Mür dl Giat (Katzenmauer) in La Villa peitschen Zuschauer die Teilnehmer mit ihren Anfeuerungen über die 19 Prozent steile Rampe. Die Beliebtheit des Marathons hat ihre Schattenseiten: Inzwischen werden viele Startplätze im Paket mit Übernachtungsangeboten verkauft. Die Chancen auf einen Startplatz aus der Verlosung sind klein. In diesem Jahr sind die Plätze bereits ausverkauft.
3. Juli 2022
150 Euro
Wer keinen Startplatz bekommen hat, sollte Tage mit starkem Verkehr meiden, zum Beispiel an Wochenenden. Ideal in dieser Hinsicht: Am 11. Juni und am 17. September dürfen anlässlich des Sellaronda Bike Day keine Autos über die Dolomitenpässe – dann lassen sich Sellajoch, Grödnerjoch, Passo Pordoi und Passo Campolongo stressfrei
befahren. Wer die lange Runde über den Passo Giau auf eigene Faust fahren will, muss in den Ferienmonaten auch werktags mit starkem Motorrad- und Pkw-Verkehr rechnen.
Die Tour de France hat auf dieser Strecke viele Geschichten geschrieben: Von der Attacke Marco Pantanis 1998 am Galibier bis zum gemeinsamen Zieleinlauf von Bernard
Hinault und Greg LeMond in Alpe d’Huez 1986. Die Strecke des Marmotte Granfondo ist ein sportliches Gesamtkunstwerk: Der Col du Glandon entzerrt das Feld und ist ideal zum Aufwärmen, nach einer Abfahrt (ohne Zeitnahme) folgt der lange Anstieg über den Col du Télégraphe zum 2.642 Meter hohen Galibier mit seiner grandiosen Aussicht und als Sahnehäubchen der Schlussanstieg nach Alpe d’Huez. Das Teilnehmerfeld ist durchmischter als bei anderen Radmarathons: Die Bandbreite der Fahrzeiten reicht von fünfeinhalb bis dreizehn Stunden – dabei werden aufgrund des Zeitlimits viele Teilnehmer bereits am Fuße des Schlussanstiegs aus dem Rennen genommen. Mit rund 7.000 Teilnehmern – darunter besonders viele aus den Benelux-Ländern – ist der Radmarathon ein internationales Aushängeschild. Beleuchtungs-Set und medizinisches Zertifikat nicht vergessen!
174 km/4.800 Hm
3. Juli
110 Euro
Bourg d’Oisans zieht in den Sommermonaten Rennradurlauber aus der ganzen Welt an, die die vielen steilen Anstiege in der Umgebung erobern wollen. Die weite Anreise lässt sich also ideal mit anderen Touren verbinden. Wer die Strecke des Radmarathons an einem Tag nachfahren will, hat in dem Ort einen idealen Ausgangspunkt. Sollten am Ende des Tages die Kräfte zur Neige gehen, kann der Anstieg zur Skistation ausgelassen werden. Wer’s lockerer angehen will, kann die Fahrt über die Marmotte-Strecke als zweitägige organisierte Veranstaltung buchen: Einen Tag vor dem Rennen startet die zweitägige „Rando“ mit Übernachtung in Valloire. Beleuchtung für die Tunnel mitnehmen!
Der Ötztaler ist und bleibt der wichtigste Alpenmarathon im deutschsprachigen Raum – seinen Ruf hat er sich über Jahre hart erarbeitet. Optimale Verpflegung, eine knüppelharte Strecke und vor allem die gesperrten Straßen versprechen einen Traumtag auf dem Rennrad. Oder auch nicht: 2021 war die Wettervorhersage so schlecht, dass die Startblöcke halb leer blieben. Insider wussten, was es bedeutet, auf der schweren Strecke zusätzlich noch gegen das Wetter kämpfen zu müssen. So musste man schon oft am Kühtai bei einstelligen Temperaturen frieren, während später am Jaufen in Südtirol die Sommerhitze den Körper austrocknete. Der Moment der Wahrheit kommt am Timmelsjoch – spätestens dort bereut man es bitter, wenn man bis zum Brenner einer zu schnellen Gruppe hinterhergefahren ist. Aber wenn man dann in Sölden durch den Zielbogen fährt, begleitet vom Beifall der Zuschauer und begrüßt vom Streckensprecher, sind alle Zweifel und Flüche vergessen. Von allen Finisher-Trikots ist das des Ötztalers wohl das begehrteste. Für dieses Jahr sind die Startplätze längst vergeben – erst im Februar 2023 kann man seinen Namen wieder in den Los-Topf werfen.
238 km/5.500 Hm
28. August
159 Euro
Wer keinen Startplatz für den Ötztaler Radmarathon bekommen hat und die Strecke auf eigene Faust in Angriff nimmt, kann einen anderen Startort wählen. Denn der Nachteil der Rennstrecke ab Sölden ist die lange Abfahrt nach Oetz, auf der man am frühen Morgen auskühlt. Ein seit Jahren etablierter Startpunkt liegt in Kematen im Inntal. Die Vorteile: Man startet mit einem Anstieg statt einer Abfahrt, fährt auf der Brennerstraße bei weniger Verkehr am frühen Morgen – und wenn man am Ende der Runde keine Kraft mehr für das Kühtai hat, kann man bei Oetz geradeaus fahren und im Inntal Höhenmeter sparen.
Das Alpenbrevet in der Schweiz steht seit Jahren im Schatten des Ötztaler Radmarathons – es ist nicht so renommiert, und doch sauschwer. Die Platin-Tour mit 7.090 Höhenmetern, verteilt auf fünf Pässe, ist eine bockharte Prüfung im Hochgebirge. Selbst die Gold-Strecke über 5.080 Höhenmeter hat es noch in sich. Die langen Anstiege von Furka-, Nufenen- und Oberalppass führen alle auf über 2.000 Meter Höhe – nur der Lukmanier mit 1.915 Metern bleibt knapp darunter. Komplette Straßensperrungen gibt es nicht, daher herrscht auf einzelnen Abschnitten leider mehr Verkehr – wohl der Hauptgrund, weshalb der Ötztaler beliebter ist. Großer Vorteil für Neulinge in der Welt der Alpenmarathons: Es stehen verschiedene kürzere Distanzen zur Wahl, für die es im Gegensatz zur Platin-Runde auch meistens noch Startplätze gibt. Wichtig: Licht und Reflektoren montieren und auch ein paar Gels und Riegel mitnehmen, denn so perfekt wie bei anderen Events ist die Verpflegung nicht.
3. September
ab 75 CHF (71 Euro)
Eine gute Wahl ist die Silbertour (3.200 Hm) mit drei Top-Pässen: Furka, Nufenen und Gotthard. Schon die Anfahrt zum Furka ist spektakulär: Eine „senkrechte“ Wand führt vom Talkessel zur Passhöhe. Bekanntestes Fotomotiv am Anstieg ist das von der Straße umschlossene Hotel Belvédère (beste Aussicht auf den Rhonegletscher). Es folgt der Nufenen als harter Brocken: Kurze Abschnitte erreichen 11 Prozent Steigung. Krönung der Runde ist das Kopfsteinpflaster von Airolo zum Gotthardpass. Die 24 Kehren der „Tremolastraße“ sind legendär. Weil die meisten Autos den Tunnel zwischen Airolo und Göschenen nutzen, hält sich der Verkehr auf dem Abschnitt in Grenzen. Für die Runde empfiehlt sich ein früher Start – besonders im Juli und August.
Nauders in Tirol ist der perfekte Ort für einen der erfolgreichsten Radmarathons: In Reichweite des Stilfser Jochs gelegen, ergibt sich die Traumstrecke von dort aus quasi von alleine. Der 2.757 Meter hohe Stelvio ist für Hobby- wie Profisportler eine Herausforderung: Der lange Anstieg, die dünne Luft und das Wetterrisiko untermauern seinen Legendenstatus. Als „Königin der Alpenstraßen“ wird die Auffahrt vom Vinschgau zur Passhöhe oft bezeichnet. Doch nicht nur die Strecke ist der Grund, dass Rennradfahrer seit 28 Jahren zum Dreiländergiro pilgern, sondern auch die rennorientierte Organisation durch den Bikeclub Nauders. So ist die Verpflegung seit Jahren vorbildlich auf schnelle Kohlenhydrate ausgerichtet. Teilnehmer können sich entscheiden zwischen den Strecken „Vinschgau“ mit 3.000 Höhenmetern auf 120 Kilometern und „Engadin“ mit 3.300 Höhenmetern auf 168 Kilometern – beide führen über das Stilfser Joch. Die längere Tour ist aber ist wie jedes Jahr längst ausverkauft. Die Auflagen der Schweizer Behörden führen zu einer Begrenzung auf 1.500 Starter je Strecke. Wer das Fahren im großen Feld fürchtet, muss sich beim Dreiländergiro keine Sorgen machen: Schon auf den ersten Kilometern entzerrt sich das Peloton, spätestens ab Prad gibt’s genug Platz auf der Straße.
168 km/3.300 Hm
120 km/3.000 Hm
26. Juni
ab 95 Euro
Die legendären 48 Kehren sind bergauf ein großer Spaß – in Gegenrichtung wird es oft eng, wenn Wohnmobile oder Busse in den Kehren weit ausholen. Daher ist es sinnvoll, das Stilfser Joch wie beim Radmarathon nur bergauf zu fahren. Zum Einstieg ist die kürzere Strecke „Vinschgau“ (120 km) über Prad, Stelvio, Umbrailpass und St. Maria
ideal. Fast so berühmt wie die Kehren sind die Würstel- und Souvenirstände an der Passhöhe. Um dem Ausflugsverkehr etwas auszuweichen, empfiehlt sich ein früher Start – im Laufe des Tages wird der Stelvio zum Rummelplatz. Vom Umbrailpass nach St. Maria herrscht wenig Verkehr, und nachdem die Naturstraße 2015 asphaltiert wurde, ist die Abfahrt ein stressfreies Vergnügen. GPS-Daten auf der Website des Veranstalters.