

Test 2016: Rennräder bis 1.000 Euro
Rennräder bis 1.000 Euro im Test
Ist Rennradfahren auf einmal ein Luxussport? Wer sich die Preisentwicklung bei Rennrädern ansieht, mit Modellen, die mehr als 10.000 Euro kosten, könnte auf diesen Gedanken kommen. Branchenkenner hatten diese Entwicklung bereits vergangenes Jahr vorhergesagt: Dass die Preise aufgrund von Währungsschwankungen drastisch anziehen würden. Bei High-End-Boliden fällt das besonders auf, sie kombinieren schließlich die besten Rahmen mit den besten Ausstattungen – und da kann es dann richtig teuer werden.
Wie ist das nun bei günstigen Modellen? Macht sich die Preisentwicklung auch hier bemerkbar? Denn wollen Hersteller die für Käufer wichtige psychologische Preisgrenze von 1.000 Euro halten, müssten sie konsequenterweise an Ausstattung und Rahmenmaterial sparen – im Vergleich zu Modellen aus früheren Jahren. Ein Rennrad für 1.000 Euro war in der jüngeren Vergangenheit kein schlechter Kauf; selbst bei preiswerten Fachhandelsmarken konnte man für sein Geld eine solide Shimano-105-Schaltung und ordentliche Anbauteile an modernen Aluminiumrahmen erwarten. Sogar Carbonrahmen waren zuletzt immer günstiger zu haben.
Die Testergebnisse dieser Rennräder bis 1000 Euro finden Sie unten als Download:
• Bergamont Prime 6.0
• Canyon Endurace AL 6.0
• Cube Attain Race
• Ghost Nivolet Tour 2
• Radon R1 105
• Rose Pro SL-1000
• Stevens San Remo
• Votec VR Comp
Hohe Leistungsdichte
Ein erster Blick auf unser Testfeld – mit vier Fachhandels- und vier Versandhandelsmarken – offenbart sofort eines: Die acht 1.000-Euro-Modelle der Generation 2016 sehen sich fast zum Verwechseln ähnlich: Es sind durch die Bank schwarz eloxierte Aluminium-Rahmen, meist mit Shimano-Tiagra-Gruppe ausgestattet – nur die Versender können sich Shimano 105 leisten. Dazu eher einfache, schwere Laufräder mit günstigen Trainingsreifen und preiswerte Eigenmarken-Komponenten. Von Carbonrahmen oder Komponenten von Campagnolo oder SRAM keine Spur – sie sind einfach zu teuer. Darüber hinaus sind die Räder sehr schwer, manche wiegen deutlich mehr als neun Kilo, nur die Direktvertreiber unterbieten diese Marke.
Offenbar lässt der Preisdruck den Herstellern kaum Freiheiten. Ist es also egal, welches Rad man nimmt? Fahren sich alle gleich? Schon ein genauerer Blick auf die Räder, aber auch unsere Labormessungen und vor allem die Testfahrten offenbaren, dass die vermeintlich austauschbare Stangenware durchaus Unterschiede birgt.
Am meisten unterscheiden sich die Rahmengeometrien und damit die Sitzposition – die zugleich das wichtigste Kriterium der Kaufentscheidung sein sollte: Gibt es das Rad in der passenden Größe, und passt die Geometrie zum gewünschten Einsatzzweck? Zumindest um die richtige Rahmenhöhe muss man sich bei Anbietern wie Canyon oder Stevens mit sieben verfügbaren Größen wenig Sorgen machen; Roses Pro SL gibt es sogar in neun eng abgestuften Größen. Bei Ghost und Bergamont müssen fünf Größen reichen – nicht jeder findet hier das perfekt passende Rad. Die meisten Rahmen sind dabei tendenziell komfortabel ausgelegt – das bedeutet, man sitzt etwas aufrechter als auf den wettkampforientierten Rennmaschinen der Profis. Einsteigern und Gelegenheitsradlern auf der Suche nach einem günstigen Rad dürfte das entgegenkommen. Das Extrem in dieser Hinsicht bildet Canyons Endurace mit einer überaus aufrechten Sitzposition. Wer dagegen gerne sportlich gestreckt auf dem Rad sitzt, findet in dieser Preisklasse wenig Material: In unserem Vergleich bietet nur das Radon eine rennmäßige Sitzposition, etwas gemäßigter fällt das Stevens aus.
Die Rahmen-Sets sind überwiegend ordentlich verarbeitet und – typisch für Alu-Rahmen – sehr steif und somit fahrstabil. Gepaart mit den schweren Laufrädern, legen die Räder ein anfängerfreundliches, fast stoisch ruhiges Fahrverhalten an den Tag. Beim Gewicht gibt’s deutliche Unterschiede, zwischen den leichtesten (rund 1.900 Gramm bei Rose, Canyon und Ghost) und schwersten Rahmen (2.300 Gramm bei Bergamont und Cube) liegen 400 Gramm – das ergibt beim Komplettrad spürbare Unterschiede. Das Feuerwerk des technischen Fortschritts, das die Hersteller derzeit in der Top-Klasse der Rennräder abbrennen, ist bei diesen preiswerten Modellen aber nur ein kaum merkliches Glimmen, sieht man von einzelnen, etwas leichter gewordenen Gabeln ab. Zwar sind die Rahmen optisch hübsch und modern designt – aber geringeres Gewicht oder mehr Komfort? Fehlanzeige.
Immerhin: In unseren Fahrtests entpuppten sich alle getesteten Räder als empfehlenswerte, robuste Trainingsgeräte, die auch bei dauerhafter und intensiver Nutzung problemlos ihren Dienst tun. Den guten Fahreindruck prägen in erster Linie die Komponenten, sie dokumentieren am ehesten die technische Weiterentwicklung der vergangenen Jahre: Das Schaltverhalten vor allem der Kettenblätter ist geschmeidiger als früher, die Bremsen packen besser zu, die Griffe liegen besser in der Hand, und es gibt mehr und sinnvollere Übersetzungsvarianten. Selbst Shimanos einfache Tiagra-Gruppe reiht sich in ihrer jüngsten Generation funktional wie optisch in die Qualität höherer Gruppen ein. Ihre Nachteile sind das höhere Gewicht – sie wiegt rund 200 Gramm mehr als die 105-Gruppe aus demselben Hause – sowie zehn statt elf Ritzel am Hinterrad und spürbar schwächere Bremsbeläge. Die optionale Dreifach-Kurbel, die es nur für die Tiagra gibt, schaltet nicht ganz so narrensicher wie die Zweifach-Varianten, aber auch als 2 x 10- Antrieb steht sie den teureren 2 x 11-Gruppen funktional kaum nach. Wer dennoch eine 105-Gruppe auf dem neuesten technischen Stand will, muss entweder im Versandhandel kaufen oder mehr Geld für sein Rennrad in die Hand nehmen.
Die Laufräder wie Mavics Aksium oder gleichwertige Pendants anderer Hersteller sind zwar solide Markenware, doch im Vergleich zu höherwertigen Laufradsätzen vor allem ziemlich schwer. Bei den Reifen haben sich 25 Millimeter als Standard durchgesetzt – sie sind etwas komfortabler und vermitteln mehr Sicherheit als die schmalen 23er-Pneus. Die an den Testrädern montierten Reifen stehen in erster Linie für Langlebigkeit und guten Pannenschutz – seidenweicher Leichtlauf mit niedrigem Rollwiderstand ist nicht ihre Stärke.
Schwer, aber robust
Lohnt sich also 2016 ein Neukauf in der 1.000-Euro-Klasse? Schlechte Räder sind die Testkandidaten sicher nicht, das belegen auch die Testnoten. Die Räder sind relativ schwer, aber robust, haltbar und wartungsarm, Schaltung und Bremsen funktionieren tadellos. Wer keine höheren Anforderungen an sein Rad stellt, kann damit viele Tausend problemlose Kilometer radeln – und natürlich durch die Nachrüstung beispielsweise besserer Reifen und Laufräder mit überschaubaren Kosten den Fahrspaß deutlich steigern. Wer jetzt ein neues, günstiges Rad sucht – als Ersatz für das alte, in die Jahre gekommene, für den Einstieg in den Sport oder auch als Zweitrad –, kann also bedenkenlos zuschlagen. Die Faszination moderner, filigraner Rennrad-Technik geht derzeit aber von teureren Rädern aus. Und es sieht leider nicht danach aus, dass die Preise bald wieder sinken ...

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Artikelstrecke: Rennräder bis 1.000 Euro im Test
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Rennräder bis 1.000 Euro im Test
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Bergamont Prime 6.0 im Test
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Canyon Endurace AL 6.0 im Test
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Cube Attain Race im Test
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Ghost Nivolet Tour 2 im Test
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Radon R1 105 im Test
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Rose Pro SL-1000 im Test
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Stevens San Remo im Test
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Votec VR Comp im Test
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