

Bendixen Randonneur (Einzeltest)
Kai Bendixen, Namensgeber und Kopf der Rahmenbau-Manufaktur Bendixen, ist das, was man einen Quereinsteiger nennt. Der 31-jährige ist von Beruf eigentlich Realschullehrer für die Fächer Geographie und Technik. Seine Begeisterung für die Fahrradtechnik entstand durch sein Hobby: Schon als jugendlicher Mountainbiker schraubte er in seiner Freizeit in Radläden. Ende 2000, zur Zeit seines Lehramtsstudiums in Freiburg, fing er bei Rahmenbauer Florian Wiesmann in der Fertigung an, bis er sich 2004 als Rahmenbauer selbständig machte und in die Freiburger Handwerksrolle eintragen ließ.
Heute, nach fast fünf Jahren Selbständigkeit, kann Bendixen trotz allgemeiner Wirtschaftskrise nicht klagen. Neben Rahmen und Gabeln für Rennräder, Mountainbikes oder Singlespeeder mit Bendixen-Logo, baut der Jungunternehmer Prototypen, Kleinserien oder Showbikes für Hersteller wie Tout-Terrain oder Fixie-Inc.; deren Designstudie “Five Star”, gelötet von Bendixen, heimste auf der Eurobike 2008 den Messe-Award in Gold ein.
So vielfältig seine Produktpalette und so zahlreich seine Auftraggeber auch sind: Beim Material gibt es für Bendixen keine Kompromisse. Seine Kreationen waren, sind und werden immer sein: aus Stahl, dem Traditionswerkstoff aller Rahmenbauer. Ganz gegen die Tradition aber verwendet Bendixen jedoch nicht die Rohre nur eines Herstellers, sondern bedient sich aus dem gesamten Sortiment von Dedacciai, Columbus, Reynolds oder True Temper. Und es kommt auch vor, dass er für einen Rahmen Rohre von drei unterschiedlichen Herstellern verarbeitet. Für Anlötteile verwendet er – sofern möglich – Edelstahl; Ausfallenden lässt er bei Bedarf auch mal lasern, sein Firmenlogo auf dem Steuerrohr sowieso. Bendixen lötet alle Rahmen muffenlos in so genannter “Fillet Brazed”-Machart.
Die Idee zum Reise-Renner kam Bendixen 2004 auf einer Tour von Rosenheim nach Athen, zu den Olympischen Sommerspielen und wieder zurück. Während der vierwöchigen Reise fand er ausreichend Zeit, um über Rohrdimensionen, Geometrie und Ausstattung nachzudenken. Das Ergebnis ist das “Randonneur”. Für das Rahmen-Set wählte Bendixen einen Mix aus “Zona”- Rohren von Columbus (38 Millimeter Durchmesser) und Dedacciais “Sat”-Rohren (35 Millimeter) für Unter- und Oberrohr, was für Stahl schon recht voluminös ist. Leichtbau stand nicht im Vordergrund, sondern genügend Steifigkeit für ausreichende Fahrstabilität, da zum Gewicht des Piloten ja auch noch das Gepäck addiert werden muss, und da fallen drei Kilo fürs Rahmen-Set nicht so ins Gewicht.
Die Ausstattungsliste des Reise-Renners verzeichnet wenig Rennrad- Teile: “F-139”-Vorbau und “Racelite”-Lenker von Syntace, die “Pro”-Stütze von Ritchey sowie Neunfach-Schaltbremshebel von Shimano – damit ist die Rennrad-Ausstattung aufgezählt; der Antriebsstrang entstammt Shimanos “XT”-Mountainbike-Gruppe. Die 28-Zoll-Laufräder sind aus Mavics “CXP-33”-Felgen mit jeweils 32 Speichen, “XT”-Naben und 32 Millimeter breiten “Marathon Racer”-Pneus von Schwalbe von Hand aufgebaut. Gebremst wird die Fuhre mit mechanischen “BB7-Road”-Scheibenbremsen von Avid, für den Lastentransport sind der bewährte Lowrider “Tara” vorn und “Vega” hinten von Tubus zuständig.
Blickfang des lindgrünen Weltenbummlers – und deswegen montiert – sind die edlen Holz-Schutzbleche. Für den harten Reiseeinsatz sind sie zweifellos zu schade, lassen sich aber jederzeit gegen robustere Exemplare auswechseln. Die hölzernen Schützer unterstreichen aber den Eindruck exzellenter Verarbeitung des Rades. Die Pulverbeschichtung ist sauber aufgebracht und vor allem haltbar, im harten Reisealltag ein großes Plus. Die Anlötteile für Gepäckträger und Scheibenbremsen sind schlicht, schön und funktional, diese Linie setzt sich fort bei der Schaltzugführung unterm Tretlager und am polierten Bendixen-Logo auf dem Steuerrohr.
Für die große Fahrt über Land ist das Bendixen mit 1.035 Millimetern Radstand und 74 Millimetern Nachlauf auf stoische Laufruhe ausgelegt. Zudem schafft der lange Radstand Platz, damit man mit den Schuhen nicht an die Gepäcktaschen am Heck stößt. Das abfallende Oberrohr garantiert ausreichend Stehhöhe – wichtig, wenn man beispielsweise in kniffligen Passagen absteigen und den voll bepackten Reiselaster ausbalancieren muss. Die Steifigkeitswerte sind für einen Stahlrahmen sehr gut, das Gefährt zeigt sich auch voll beladen allen Fahrsituationen gewachsen. Ebenso reise- wie bergtauglich ist das Übersetzungsspektrum, ungewohnt für Rennradlader lediglich der größere Pedalabstand der Offroad-Kurbelgarnitur. Die mechanischen Scheibenbremsen quietschten anfangs nervtötend und enttäuschten mit mäßiger Bremsleistung. Erst nach etwa 200 Kilometern ließ das Quietschen nach und die Bremsleistung nahm nach einigen Vollbremsungen vor Kurven in schnellen Abfahrten deutlich zu. Ein Mangel, den Bendixen einräumt. Zum wirksamen Bremstuning empfielt der Rahmenbauer deshalb die Verwendung von Jagwire-Bremsbelägen.
Fazit: Reiselustige Rennradler, die gerne auf große Tour gehen, finden in Bendixens “Randonneur” einen praxisgerecht konstruierten, individuellen Reisebegleiter. Das Cockpit ist vertraut, die Ausstattung sinnvoll, die Fahrstabilität ist auch in voll bepacktem Zustand gewährleistet. Bessere Bremsen ab Werk wären jedoch wünschenswert.
*Testrad-Rahmengröße gefettet; **projiziertes Maß von Mitte Tretlager bis Oberkante Steuerrohr/Sattel-Steuerrohrüberhöhung bei 75 cm Sitzhöhe (Mitte Sattelgestell–Oberkante Steuersatzdeckel); ***bereinigtes Gewicht für Rahmengröße 57 und Gabelschaftlänge 225 mm; ****in die Note fließen weitere Einzelnoten ein, die wir aus Platzgründen nicht abdrucken können.
Fotos: Matthias Borchers
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