Unbekannt
· 11.07.2007
Sie ist ehrgeizig, doch bescheiden, angriffslustig, aber teamfähig. Auf diese Weise hat sich Trixi Worrack eine stattliche Erfolgsliste zusammengefahren, die sie in diesem Jahr erweitern will: Sie gilt als eine der Favoritinnen für die Thüringen-Rundfahrt und die Weltmeisterschaft in Stuttgart 2007. Ein Porträt...
Großmäulige Ankündigungen sind nicht ihre Sache. Und doch ist allen Konkurrentinnen klar: Wenn Trixi Worrack am 24. Juli in Gera ihr Rennrad besteigt und mit ihrer Equipe Nürnberger in das Teamzeitfahren zum Prolog der 20. Thüringen- Rundfahrt startet, kann es nur um eines gehen: den Gesamtsieg fünf Tage später in Zeulenroda. „Die Thüringen Rundfahrt ist bei den meisten starken Fahrerinnen sehr beliebt“, weiß Worrack. Die Konkurrenz wird hart sein. „Aber es wäre schon sehr schön, da zu gewinnen. Ich werde auf jeden Fall sehr motiviert sein, schließlich ist das ja so etwas wie unser Heimrennen“, sagt die Nürnberger-Kapitänin, die für ihren fruchtbaren Ehrgeiz weitaus bekannter ist als für markige Sprüche.
Dabei gehört Trixi Worrack längst zu den ganz Großen im Frauen-Radsport. In den vergangenen neun Jahren hat die heute 25-Jährige ein erstaunliches Palmarès eingefahren: Sie war Junioren-Weltmeisterin im Einzelzeitfahren, zeigte sich bei den anspruchsvollsten Rundfahrten oft auf dem Treppchen, gewann beispielsweise die Tour de l’Aude 2004. Sie holte Deutsche Meistertitel bei den Juniorinnen, am Berg und auf der Straße. Sie war Europameisterin. Und auch bei den Weltmeisterschaften zeigte sie sich wiederholt stark. 2005 assistierte sie Regina Schleicher in Madrid beim WM-Sieg, und vergangenes Jahr wurde die ruhige Brandenburgerin als Vize-Weltmeisterin just zur „Radsportlerin des Jahres“ gewählt. Auch 2007 feierte sie bereits einen Podiumsplatz bei der prestigeträchtigen Tour de l’Aude. Worrack wurde Zweite, mit elf Sekunden Rückstand auf die Schwedin Susanne Ljungskog. „Nachdem wir hier alles auf eine Karte gesetzt haben, bin ich total zufrieden mit meiner Leistung“, kommentierte Worrack ihren Rang. Zufriedenheit zeigte sie vor allem über ihren Sieg bei der zweiten Halbetappe am vorletzten Renntag, als sie mit einer furiosen Flucht ihre deutsche Rivalin Judith Arndt 1:33 Minuten hinter sich ließ und sie im Klassement auf Rang drei verdrängte.
So ist Worrack für ihre Equipe Nürnberger ein Zugpferd und von wirtschaftlichem Wert. Der Sponsor des Teams schätzt Worrack als werbewirksame Team- Leaderin. „Sie fährt ein interessantes, aggressives Rennen. Dabei bleibt sie mannschaftsdienlich. Es macht Spaß, ihr zuzusehen“, findet Oliver Strathmann, Sprecher des Hauptsponsors der Nürnberger Equipe. Gerne würde man den bis Ende der Saison 2008 laufenden Vertrag mit Worrack vorzeitig und dann langfristig verlängern. Doch sie hat keine Eile, sondern überlegt in Ruhe. Verhandlungen führt sie übrigens selbst, einen Manager hat sie nicht. „Ich bin jetzt schon ein paar Jahre bei den Profis, da habe ich das gelernt“, verrät die Fahrerin.
ES BLIEB NUR RADSPORT
Ihr Status in der eigenen Mannschaft fällt ganz nach Wunsch von Trixi Worrack aus. Zwar gibt es im Team mit Ex-Weltmeisterin Regina Schleicher, der Litauerin Edita Pucinskaite und der Deutschen Meisterin Claudia Häusler eine starke Konkurrenz, doch Worrack sagt: „Bei den Planungen kann nicht jeder alles haben. Aber ich habe alle Renn- und Vorbereitungs-Termine genauso bekommen, wie ich sie wollte.“ Das ist im Frauen-Radsport umso wichtiger, weil es ständig das Problem gibt, Profiteam und Nationalmannschaft unter einen Hut zu bringen. Worrack hat es geschafft, ihre Trainingsfreiräume durchzusetzen.
Im Rückblick war es nicht immer selbstverständlich, dass Worrack überhaupt aufs Rad steigen würde. Als 14-Jährige gefiel ihr Fußball ausgesprochen gut, doch es gab in der Region noch keinen Verein, in dem sie hätte spielen können. Alternativ kam nur der Radsport infrage. Der hatte Tradition in der Gegend, mit dem schon zu DDR-Zeiten erfolgreichen Trainingsstützpunkt Cottbus, der nun als Olympiastützpunkt dient. Eberhard Pöschke war ihr erster Trainer, der sie auch in ihren Heimatklub RK Endsport 09 Cottbus lockte.
Schon im Jahr darauf, 1996, zeigte sie ihr Talent bei der Deutschen Meisterschaft in der Einerverfolgung auf der Bahn: Worrack gewann Bronze. Es bestand kein Zweifel, dass sie förderungswürdig war, und so bekam die junge Athletin einen Platz in der Lausitzer Sportschule Cottbus, einer Eliteschule mit Tradition. Hier bestand Worrack ihr Abitur mit den Leistungskursen Sport und Biologie, und hier kam sie in den Genuss des Trainingssystems eines Olympiastützpunkts.
Ihr heutiger Trainer, Rainer Gatzke, kennt die junge Frau schon seit ihrer Schulzeit, als sie bei einem seiner Kollegen trainierte. Seit fünf Jahren ist nun Gatzke für ihre Betreuung zuständig. Er weiß: „Die Cottbuser Schule war eine hervorragende Heimstatt für ihren Erfolg.“ Aber es geht eben nicht ohne Talent. Und davon hat Worrack jede Menge, wenn man ihrem Coach glauben darf: Sie sei immer in der Lage, sich schnell auf neuem Leistungsniveau zurechtzufinden; die Voraussetzungen ihres Körpers seien ideal, ihre technischen und motorischen Fähigkeiten stark ausgeprägt; mit 1,60 Meter und 50 Kilogramm sei sie sehr schlank, zugleich aber mit einer hohen Ausdauerbegabung ausgestattet. „Es ist ja entscheidend für die Begabung, wie hoch die Trainierbarkeit eines Athleten ist. Trixi reagiert sehr gut auf Trainingsreize. Gepaart mit ihren geistigen Fähigkeiten ist das ein großer Bonus“, gerät Gatzke ins Schwärmen.
WIRD ES IHR JAHR?
Ihr Ehrgeiz treibt Trixi Worrack rund um den Globus. Glücklich ist Worrack bei allem Jet-Set aber gerade dann, wenn sie zu Hause ankommt: Dissen im Spreewald, ein Dörfchen von gerade mal 1.000 Einwohnern mit Heimatmuseum und Fachwerkkirche. Hier lebt Worrack noch bei ihren Eltern in einem umgebauten Bauernhof, und hier baut sie gerade ihr eigenes stattliches Haus, wo sie bei den Arbeiten gerne persönlich anpackt. Im Mai 2007 feierte sie Richtfest. Sie mag den Ort wegen der vielen Freunde und Bekannten aus der Kindheit, wegen der Natur, und weil der Trubel der Sportwelt hier verschwindet. Aber natürlich ist sie hier auch auf angenehme Weise prominent. Nach ihrem zweiten Platz bei der WM 2006 beispielsweise feierte der ganze Ort mit Bürgermeister Fred Kaiser und Festmusik die prominente Tochter des Ortes.
Die Brandenburgerin nutzt das Idyll des Spreewalds aber auch für ihre Trainingsrunden. Zwar gibt es hier weit und breit keinen Berg, aber das stört sie nicht. Dafür hat sie gute Trainingspartner. Sie fährt nicht nur alleine, sondern auch oft mit den Junioren des Olympiastützpunktes und manchmal mit dem Profi-Routinier Olaf Pollack, der ebenfalls aus der Gegend kommt.
Mit 25 Jahren befindet sich Worrack im besten Frauen-Profialter. 2007 könnte für sie das herausragende Jahr ihrer Karriere werden. Nicht nur in Thüringen, sondern vor allem gut zwei Monate später bei der Weltmeisterschaft in Stuttgart. Sie hat gute Karten. Schließlich hat sie es in den vergangenen drei Jahren unter die Top Ten geschafft. „Sie war da immer im Kreis der Weltspitze“, sagt Gatzke, „rein statistisch ist sie bald dran.“ Eine Medaille sollte aber auf jeden Fall in Stuttgart möglich sein, meint der Coach. Allerdings sollten die Rivalinnen selbst im Fall eines Triumphs im Schwabenland nicht davon ausgehen, dass Worracks Ehrgeiz plötzlich gestillt wäre und sie sich ganz und gar in die Lausitzer Landidylle zurückzöge. „Ich denke von Jahr zu Jahr“, sagt sie. „Aber ich weiß natürlich schon jetzt: Nächstes Jahr ist Olympia.“ Und eine olympische Medaille aus Peking würde das neue Anwesen in Dissen sicher hervorragend schmücken.
ZUR PERSON
Geboren: 28.9.1981 in Cottbus
Wohnort: Dissen (Brandenburg)
Größe: 1,60 Meter
Gewicht: 50 Kilo
Profi: seit 2003
Teams: 2000-2002 RG Red Bull (Bundesliga), seit 2003 Equipe Nürnberger
Wichtige Erfolge: Junioren-Weltmeisterin Einzelzeitfahren 1998; Zweite Junioren-WM Straße, Dritte Junioren-WM Zeitfahren 1999; Gesamtsieg Mallorca-Rundfahrt, Dritte Thüringen-Rundfahrt, Dritte Flèche Wallonne 2001; Europameisterin Straße, Etappensieg Thüringen-Rundfahrt 2002; Deutsche Meisterin Straße, Etappensieg (MZF) Thüringen-Rundfahrt 2003; Vierte WM Straße, Zweite Flandern-Rundfahrt, Zwei Etappen und Gesamtsieg Tour de l’Aude, Gesamtsieg Krásná Lípa, Gesamtsieg Giro della Toscana 2004; Sieg Mailand-San Remo, Etappensieg und Gesamtzweite Tour de l’Aude 2005; WM-Zweite Straße; Dritte Thüringen-Rundfahrt, Dritte Flèche Wallone 2006; Zweite Tour de l’Aude 2007