Robert Kühnen
· 30.09.2021
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Gezieltes Training auf dem Rollentrainer: drei Trainingspläne für das Rollentraining als perfekte Saisonvorbereitung
Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Zu kalt, zu nass, zu dunkel? Das war einmal. Heute ist immer Saison – wenn man einen Smarttrainer zu Hause hat. Was früher die Witterung war, sind heute eher rauchende Grafikkarten, wackeliges WLAN und andere Stolpersteine der Elektro- und Unterhaltungstechnik, die den Spaß am Radeln im Stand schmälern, aber nicht verhindern können.
Eine größere Herausforderung kann es sein, die ganze Technik für zielführendes Training zu nutzen. Beispiel Zwift: Die derzeit am stärksten frequentierte virtuelle Radsportwelt ist so gebaut, dass man beständig angestachelt wird, mehr Gas zu geben, als man es aus freien Stücken tun würde. Und zwar nicht nur bei virtuellen Rennen, sondern bei jeglicher Aktivität. Die stete Einblendung von Rankings und den Abständen der Voraus- und Nacheilenden schürt den Wettkampfgeist – Wertung ist eigentlich immer. Da ist es schwierig, cool zu bleiben und gezielt im gewünschten Trainingsbereich zu arbeiten. Auch die in den verschiedenen Plattformen integrierten Trainingseinheiten sind oft sehr intensiv gestaltet.
Manche Programme wirken eher wie Unterhaltungsprogramme, bei denen ständig etwas passieren muss, statt wie sorgfältig komponierte, ziel- führende Trainings. Der potenzielle Nutzen von Intervalltraining, präzise im gewünschten Bereich zu trainieren, bleibt aber auf der Strecke, wenn der Inhalt kunterbunt zusammengerührt wird und Trainingszonen vermischt werden – wie etwa in der Zwift-Einheit "Mishmash". Es soll Intervall-Training sein, führt aber das Prinzip ad absurdum, indem es Intervalle verschiedener Intensität ziellos aneinanderreiht. Dadurch fehlt einerseits der Fokus, sich in einem Gebiet tatsächlich zu verbessern. Andererseits erhöht permanenter Trainingsstress die Gefahr auszubrennen. Denn wer immerzu Vollgas gibt, nimmt zwar zwei Stufen auf einmal auf der Fitnesstreppe, aber die führt nicht sehr weit. Nach kometenhaftem Aufstieg droht der noch raschere Absturz; bestenfalls lässt sich ein Leistungs-Plateau erreichen.
Wer also nicht nur ab und an zum Spaß zwiftet, sondern viel drinnen fährt, braucht einen Masterplan, um sein persönliches Ziel zu erreichen. Das kann natürlich sehr unterschiedlich sein: Wer etwa einen Saisonhöhepunkt in Indoor-Rennen sieht, muss sich anders verhalten als jemand, dessen Saisonziele im Frühjahr oder Sommer auf der Straße liegen. Denn eins ist klar: Immer Top-Form, rund ums Jahr, ist nicht möglich. Gutes Training lebt vom Wechsel zwischen Anspannung und Erholung. Dies gilt für kleine wie größere Zeiträume, also vom Tagesplan bis hin zur Jahres-Planung – oder sogar einer Vier-Jahres- Planung auf olympischem Niveau. Wer immer gleich fit sein will, bleibt unter seinen Möglichkeiten. Um das Maximum aus sich herauszukitzeln, muss man seine Form gezielt in Schwüngen auf den Tag X hin zuspitzen – Periodisierung nennt man das. Nachgewiesen wurde der Effekt nicht nur im Spitzensport, sondern auch mit Strava-Daten von Zehntausenden Nutzern. Daraus lässt sich ablesen, dass diejenigen, die ihr Training periodisierten und nicht immer dasselbe trainierten, absolut gesehen bessere Höchstleistungen erzielten als diejenigen, die versuchten, immer gleich fit zu sein.
Bewährt hat sich eine Periodisierung, die die Trainingsinhalte immer spezifischer auf den geplanten Wettkampf zuschneidet, je näher dieser Wettkampf rückt. Je weiter weg der Wettkampf noch liegt, desto unspezifischer sollte man trainieren – das bedeutet, die Grundlagen in Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit zu legen. Auch dafür lässt sich Indoor-Training nutzen – nur sollte man eben nicht ständig "Vollgas" fahren.
Weiter unten lesen Sie, wie Sie die Wintermonate individuell am besten nutzen – bis zu den ersten Frühjahrsrennen draußen, so sie denn hoffentlich stattfinden. Die 4-Wochen-Trainingspläne können Sie jeweils wiederholen.
Zu Beginn des Wintertrainings sollten Sie Ihren aktuellen Leistungsstand überprüfen. Für alle, die einen Powermeter oder einen Smarttrainer mit Leistungsanzeige nutzen, ist das ganz einfach: Sie bestimmen Ihre Bestleistungen über 5 und 20 Minuten – daraus lassen sich Leistungsstand und Trainingszonen ableiten. Solche Tests finden Sie auf Zwift (FTP-Test); oder Sie nutzen einfach die kostenfreie TOUR-Leistungsdiagnostik, die Sie sich auf unserer Webseite herunterladen können.
Die Trainingseinheiten unterscheiden sich durch die Intensität der Belastung, die sich jeweils als Prozentsatz der FTP-Leistung (funktionale Schwellenleistung) definieren lässt. Das Grundtempo (grau) aller Radtrainings liegt im Grundlagenbereich 1 (GA1, 55 – 77 % der FTP-Leistung), mit einer lockeren Trittfrequenz von 90 bis 100 U/min. Darin eingebettet sind verschiedene Intervall-Einheiten, also wiederholte Fahrten mit höherer Leistung (farbig). Vor Intervallen sollte man sich immer mindestens 10 Minuten locker warmfahren! An manchen Tagen ist ausschließlich Athletiktraining vorgesehen.
Sie wollen keinem strukturierten Plan folgen – und dennoch Fortschritte machen? Darauf sollten Sie achten:
Auch wenn Sie Ihre sportlichen Aktivitäten nicht in ein festes Korsett zwängen wollen, lohnt es sich darüber nachzudenken, wie Sie Ihre Rollenzeit gestalten. Ihr Optimierungsziel lautet dann nicht schiere Leistung, sondern Freude am Fahren, Abwechslung und Gesundheit. Erlaubt ist, was Spaß, aber nicht kaputt macht. Warum also nicht auf virtuelle Berge klettern, an Social Rides teilnehmen oder auch mal ein E-Rennen fahren? Egal, was Sie machen: Achten Sie auf Abwechslung und fahren Sie nicht die immer gleichen Strecken mit der gleichen Intensität. Konkret: Versuchen Sie einmal pro Woche richtig intensiv zu fahren, sodass Sie an Ihre Leistungsgrenzen kommen. Das kann ein Indoor-Event sein, ein Intervalltraining oder eine freie Fahrt, bei der Sie kurz mehrmals richtig Gas geben.
Streben Sie außerdem einmal pro Woche ein längeres, ruhiges Radtraining an, bei dem Sie nicht aus der Puste kommen – lang heißt: zwei Stunden am Stück drinnen oder drei Stunden am Stück draußen. Ein drittes, mittellanges und mittelintensives Radtraining von einer Stunde (indoor) würde Ihr Wochenprogramm ideal abrunden. Ergänzen Sie Ihre Radaktivitäten durch andere Sportarten: Laufen, Langlauf, Ballspiele und/oder Functional Fitness für den ganzen Körper – alles, was Sie aus der gebückten Haltung des Radelns bringt, ist gut. Derart breit aufgestellt, werden Sie Spaß haben und fit bleiben.
Sie möchten in der nächsten Saison bestmögliche Leistungen auf die Straße bringen. Welche Rolle kann Indoor-Training spielen? Und welche Trainingsformen sind ratsam?
So lange vor dem Wettkampf haben Sie verschiedene Optionen. Klassisch: Sie kombinieren allgemeines Ausdauertraining – draußen, drinnen, mit und ohne Rad – mit Krafttraining. Ein Maximalkrafttrainings-Zyklus dauert zwölf Wochen, beschäftigt Sie also von Anfang November bis Anfang Februar.
Danach können Sie weitermachen mit den TOUR-Trainingsplänen, die wir regelmäßig in unserer Februar-Ausgabe veröffentlichen. Sie können sich aber auch antizyklisch verhalten (invertierte Periodisierung) und zum Beispiel einen VO2max-Block einschieben. Dieser taugt als Erhaltungstraining, aber auch zum Ausbau der aeroben Leistungsfähigkeit, falls das ein Schwachpunkt ist. Ein ganzer Zyklus dauert acht bis zwölf Wochen, mit zwei intensiven Trainings pro Woche (den 4-Wochen-Plan einfach wiederholen). Indoor lassen sich diese Einheiten perfekt umsetzen. Für das allgemeine Ausdauertraining kann man Bergläufe, Langlauf und anderes dem Radfahren beimischen – Abwechslung tut dem Körper gut! Functional Fitness, Kraft und Beweglichkeit, sollte außerdem zur Routine gehören. Auch mit Spezialtrainings wie Technik- (Fahrtechnik Cross/MTB) oder Nüchterntraining zur Stimulierung des Fettstoffwechsels kann man an Schwächen arbeiten.
Sie wollen über den Winter erfolgreich Indoor-Rennen fahren? Dann müssen Sie sich auf diese Wettkampfform einstellen. Wir zeigen, worauf es ankommt.
Um bei Indoor-Rennen zu glänzen, müssen Sie dafür spezifisch trainieren. Für kurze Rennen heißt das vor allem intensiv trainieren. Stimmen Sie Ihr Training auf Ihre Stärken und Schwächen ab: Stärken Sie Ihre Stärken, und versuchen Sie Ihre Schwächen nur so weit in den Griff zu bekommen, dass diese Sie nicht daran hindern, erfolgreich Rennen zu fahren. Kurze E-Races haben Ähnlichkeit mit Cross-Rennen: Für den Start und kurze Anstiege brauchen Sie kurzzeitig sehr viel Power (anaerobe Kapazitäten), um nicht schon beim Start-Sprint abgehängt zu werden. Zeigt Ihre Leistungsdiagnostik hier Schwächen, ist der tiefrote anaerobe Bereich Ihr spezifisches Trainingsziel – Intervalle im Bereich von 20 Sekunden bis maximal 2 Minuten. Willkommen im Reich der Schmerzen!
Aber aufgepasst, Trainingseinheiten in diesem Bereich konkurrieren immer mit der aeroben Kapazität, die wichtig ist, um ein hohes Tempo auch durchzuhalten. Zu viele anaerobe Intervalle schwächen die Dauerleistungsfähigkeit. Wir kombinieren daher die All-out-Sprints über 30 Sekunden (siehe Tag 2) mit Serien von VO2max-Intervallen (siehe Tag 4), die mit weniger Leistung bestritten werden und das aerobe System kitzeln. Das restliche Training ist deutlich moderater. Nach der Indoor-Saison fahren Sie die Intensität der Einheiten zurück, schnaufen durch und erhöhen zunächst die Umfänge Richtung Sommerziele, um sich die Ausdauer für längere Strecken zu holen.